Gemeinderat,
12. Sitzung vom 05.10.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 83
GR David Lasar (Klub
der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und
Herren Gemeinderäte!
Was hier offiziell als Organisationsplan des
Klinischen Bereiches der Medizinischen Universität Wien verkauft wird, liest
sich im Antrag, den der ärztliche Direktor, der Direktor der Teilunternehmung,
unterzeichnet hat, als reine Verdichtung. – Verdichtet werden klinische
Abteilungen der Uniklinik für Frauenheilkunde von fünf auf vier Abteilungen,
der Inneren Medizin von vier auf drei Abteilungen und der Radiodiagnostik von
fünf auf drei Abteilungen.
“Verdichtung“ steht offenbar für Einsparungen. Was
nicht verdichtet wird, wird in Zukunft zusammengelegt, etwa im Bereich der
Jugendheilkunde oder der Neurologie. Auch ein Synonym für Einsparungen!
Entweder war der bisherige Organisationsplan schon in
der Vergangenheit nicht tragbar, dann stellt sich für mich die Frage, warum er
bis heute so beschlossen und umgesetzt wurde. War er in Ordnung und
gerechtfertigt, dann frage ich mich: Warum ändert man ihn jetzt eigentlich?
Oder liegt es vielmehr daran, dass entgegen allen politischen Zusagen
finanzielle Einsparungen angestrebt werden?
Eigentlich darf ich das von Ihnen gar nicht annehmen,
denn in Ihrem Parteiprogramm ist unter dem Titel "Unabänderliche
sozialdemokratische Eckpunkte“ betreffend Gesundheitspolitik die Rede von
“gleicher Versorgungsqualität und gleichem Vorsorgungsumfang für alle statt
Rationierung von notwendigen Leistungen auf Grund fehlender Geldmittel“.
Zu dieser Aussage würde zum Beispiel auch nicht der
Wegfall der Klinischen Abteilung der Arbeitsmedizin passen. Der Wegfall der
Klinischen Abteilung für Arbeitsmedizin und die angebliche Übernahme derer
Aufgaben durch die Universitätsklinik für Innere Medizin II und andere Kliniken
des AKH lässt daher auch nichts Gutes erahnen.
Dr Reinhard Jäger, Präsident der
Gesellschaft, formuliert es zum Beispiel so – ich zitiere: „In Österreich
gäbe es dann als einzigem Industriestaat weltweit keine Lehrkanzel für
Arbeitsmedizin mehr. Auch die Ausbildung von Fachärzten für Arbeitsmedizin wäre
in Gefahr.“ Obwohl die Bedeutung der Arbeitsmedizin in der Wirtschaft und der
Gesellschaft zugenommen hat, und zwar durchaus gefördert durch die
Politik – wozu ich allerdings anmerken muss, dass das offenbar im roten
Wien nicht so ist –, könnte es also durchaus geschehen, dass dieses
Fachgebiet einfach aus dem Feld der österreichischen Medizinuniversitäten
völlig verschwindet.
Rektor Wolfgang Schütz geht darauf in einer
schriftlichen Stellungnahme ein und sagt zum Beispiel: „Es versteht sich
natürlich von selbst, dass Spitzenforschung nicht in allen Disziplinen der
Medizin gleichermaßen betrieben werden kann." Hier widerspricht er den
Forderungen der SPÖ, wonach im Bereich der Gesundheit alles aufrechterhalten
werden muss und nicht gespart werden darf.
Selbst der derzeitige Lehrstuhlinhaber Univ Prof
Dr Hugo Rüdiger kritisiert dieses Vorgehen folgendermaßen: „Dass es in
Österreich keine Lehrkanzel für Arbeitsmedizin mehr geben soll, ist weder zu
verantworten noch zu verstehen." Niemand verüble dem Rektor der
Medizinischen Universität Wien, dass dieser mit den Ressourcen sparsam umgehen
müsse, führt Rüdiger weiter aus, aber das heiße nicht, dass ein beliebiger
Kahlschlag hier gerechtfertigt ist.
Die Frage ist, wer in Zukunft noch wissenschaftliche
Forschung im Bereich der Arbeitsmedizin betreiben soll, wenn es dazu keine
Institutionen auf universitärer Ebene mehr gibt. Das ist nicht mehr die Frage
der einzelnen medizinischen Universitäten, sondern reicht weit darüber hinaus.
Es geht darum, ob in Österreich noch umfassend Medizin gelehrt und auf diesem
Gebiet geforscht wird oder nicht.
Deutschland hat zum Beispiel mehr als
20 Lehrkanzeln für Arbeitsmedizin. Meine Damen und Herren! Arbeitsmedizin
hat an unserer Universität eine Tradition von mehr als 70 Jahren. Das
haben Sie von der SPÖ gewusst, denn es hat Verhandlungen mit Wien als
Trägerinstitution des AKH zum zukünftigen Strukturplan des Klinischen Bereiches
der Medizinischen Universität Wien und damit auch zur Frage einer Klinischen
Abteilung für Arbeitsmedizin gegeben. Dennoch haben Sie nicht entsprechend
gehandelt!
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie auf Ihr
Wahlprogramm hinweisen. Halten Sie sich an Ihr Wahlprogramm, denn dort können
Sie lesen: „Die Fairness der Finanzierung, ein umfassender Zugang zu
Gesundheitsleistungen und eine sehr hohe Zufriedenheit der PatientInnen sind
Stärken des österreichischen Gesundheitssystems, die auch im internationalen
Vergleich durch die WHO und die OECD gewürdigt wurden." – Offenbar
gilt das aber seit der Nationalratswahl 2006 nicht mehr!
Daher möchte ich Sie noch einmal an Ihren Leitspruch,
den Sie überall plakatiert haben, erinnern und Ihnen sagen: Neue Fairness
braucht das Land! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. Als Nächste zu
Wort gemeldet ist Frau GRin Dr Pilz. – Ich erteile es ihr.
GRin Dr Sigrid Pilz (Grüner Klub im Rathaus): Frau
Vorsitzende! Geschätzte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen!
Dieser Änderung des Organisationsplans des Klinischen
Bereiches der Medizinischen Universität Wien werden wir nicht zustimmen.
Einige Argumente hat auch schon
mein Vorredner genannt. Im Wesentlichen geht es aber darum, dass es in diesem
Organisationsplan keine klare Definition von Leistungen gibt. Es gibt keine
Aussagen darüber, wie man in Zusammenarbeit zwischen AKH und Medizinischer
Universität den dringend notwendigen Bettenabbau im AKH endlich umsetzt, und es
gibt vor allem keine Aussagen zur Doppelrolle Medizinische Universität und
Allgemeines Krankenhaus. Frau Stadträtin! Ich nehme an, diese Doppelrolle muss
auch Ihnen Kopfzerbrechen bereiten, denn offensichtlich fällt in diesem System
des Zuständigkeits-Splittings die Verantwortung für die
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular