Gemeinderat,
10. Sitzung vom 27.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 96
19 Prozent der Einwohner Österreichs leben in
Wien, aber 32 Prozent der arbeitslosen Menschen von Österreich leben in
Wien. Ist das nicht ein Versagen Ihrer Politik?
Wenn man zurück schaut, so waren 1965 in Wien
768 000 Arbeitsplätze, 2005 sind es 753 000. Also nach
40 Jahren haben Sie um 2 Prozent weniger Beschäftigte in Wien!
Vergleich Bundesregierung: Österreichweit um
34 Prozent – um 34 Prozent! – mehr Beschäftigte als 1965, Herr
Kollege Schuster. (GR Godwin Schuster: Ihr seid schon so lange in der
Bundesregierung! Nur wissen Sie es nicht!)
Auch die Dauer der Arbeitslosigkeit, bitte. In Wien
sind das 147 Tage. Das ist doch entsetzlich, dass ein Mensch im
Durchschnitt 147 Tage arbeitslos ist. Österreichweit schaut es ganz anders
aus. Bitte, Sie reden immer so großartig, was da alles gemacht wird. Offensichtlich
viel zu wenig. (GR Godwin Schuster: Ist Bartenstein zuständig oder Wien?) Sind Ihnen 147 Tage nicht zu
viel, Herr Kollege Schuster? (GR Godwin Schuster: Ihr könnt euch nicht die
Rosinen heraussuchen! Wer ist zuständig? Ist nicht Bartenstein dafür zuständig?)
Also mit einem Wort: Ich sehe Realitätsverweigerung
auf allen Linien. (GR Godwin Schuster: Ja, genau richtig! Sie geben sich
selbst die Antwort!) Meine
Damen und Herren, das ist ein Armutszeugnis für diese Stadt, und das ist ein
Armutszeugnis für diese Stadtregierung. Im Gegensatz dazu gibt es, auch wenn
Sie sich wieder ärgern, eine erfolgreiche Politik der Bundesregierung. (Beifall
bei der ÖVP.)
In der Bundesregierung gilt das Motto, Herr Schuster,
mehr Geld zum Leben, weniger Steuern. (GR Godwin Schuster: Ja, ja, Ignoranz
ist eine Eigenschaft!) Herr
Kollege Schuster, wenn von 5,9 Millionen steuerpflichtigen Menschen
43 Prozent überhaupt keine Steuer bezahlen (GR Godwin Schuster: Sie
ignorieren die Realität!) und
die Bundesregierung mit 3 Milliarden besonders die Bezieher niedriger
Einkommen und Familien fördert, sehen Sie das als negativ an? Der Kollege
Oxonitsch hat es auch gestern gesagt. Er hat gesagt, die Steuerreform ist total
verfehlt. Es wird keine Politik für Arbeitnehmer gemacht, sondern für einige
Großkonzerne. Auch das ist Realitätsverweigerung angesichts der Tatsache, dass
43 Prozent überhaupt keine Steuer mehr bezahlen.
Ihre SPÖ hat im Parlament dagegen gestimmt. Sie
fordern dafür Sparbuchsteuer, Sie fordern Erbschaftssteuer, Sie fordern die
Grundsteuererhöhung. Das ist Ihre Forderung. Also das ist der Unterschied zur
Bundesregierung.
Und die Bundesregierung ist auch für mehr
Beschäftigung. Denn was ist denn sozial? Sozial ist, was Arbeit schafft. Und
die Arbeitslosenrate in Wien zeigt ganz deutlich, wie unsozial die Wiener
Stadtregierung ist. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber jetzt zum
eigentlichen Thema: Gesundheits- und Sozialpolitik in dieser Stadt. Über
Ausgaben in diesem Bereich sollte gar nicht geredet werden. Das sollte außer
Diskussion stehen. Und warum? Die Bereitstellung einer dem Stand der
Wissenschaft entsprechenden medizinischen Betreuung und Hilfe für sozial
schwache Teile der Bevölkerung zählt zu den Kernaufgaben einer Verwaltung. Eine
ausreichende Finanzierung durch die öffentliche Hand ist Kennzeichen einer
innergesellschaftlichen Solidarität; natürlich aber immer unter dem Aspekt der
Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Und da gibt es in Wien Baustellen genug.
Über den Krankenanstaltenverbund will ich heute nicht
reden. Erstens hat die Frau Kollegin Pilz das sehr ausführlich gemacht und
zweitens ist es eine so große Baustelle, dass die Zeit dafür nicht ausreichen
würde. Aber die Spitäler des Krankenanstaltenverbundes sollten sich an den
Ordensspitälern ein Maß nehmen, dann wären sie auch sparsam, dann wären sie
auch wirtschaftlicher.
Da gibt es zum Beispiel das Hanusch-Krankenhaus, in
dem nicht nach den Regeln der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit vorgegangen
wird. Frau Stadträtin, der Bericht für das Hanusch-Krankenhaus 2004, 2005 liegt
noch nicht vor, aber da gibt es einen Abgang von 43 Millionen. Die
Subventionen für alle Ordensspitäler zusammen betragen nicht einmal die Hälfte,
21,5 Millionen.
Oder die Baustelle Hera. Auch das hat meine Kollegin
Pilz schon sehr genau aufgezeigt. Das ist ja an sich unglaublich, was hier an
Verschwendung stattfindet. Frau Stadträtin, da ist Handlungsbedarf. Denn dass
in der Hera nicht unter dem Aspekt der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit
vorgegangen wird, ist evident.
Ich komme zum nächsten Bereich, zur Pflege, zum
Pflegeheimplan. Auch da, Frau Stadträtin, holt sie die Realität ein. Die
Zwischenbilanz nach fünf Jahren zeigt ein vernichtendes Resultat. Wir wissen
alle, das ist die ÖBIG-Studie, die ist schon einige Male diskutiert worden. Ein
so genanntes Geheimpapier. Die frühere StRin Pittermann und auch Sie, Frau
Stadträtin, haben es schubladisiert. Aber was sind die wesentlichsten Punkte
dieser Studie?
Der Anteil hoch pflegebedürftiger Menschen und
Personen mit Demenzerkrankungen steigt an. Es gibt zu viele Wohnplätze, aber
mittelfristig nicht ausreichend Pflegeplätze für Menschen mit hohem
Betreuungsbedarf.
Die räumliche Situation in den KAV-Heimen ist unattraktiv
und schlechter als in privat geführten Heimen.
Die Tagessätze in den Wohn- und Pflegeheimen
orientieren sich nicht an der erbrachten Leistung, sondern sind historisch
gewachsen und damit nicht kostenwahr.
Die regionale Verteilung der Plätze innerhalb Wiens
ist unausgegoren.
Die Ambulanzdienste sind an der Grenze der Kapazität
und müssen ausgebaut werden.
Das Angebot an Tageszentren, betreutem Wohnen, WGs
und Hausgemeinschaften ist viel zu gering.
Von einer Studie, die fünf Jahre alt ist, ist alles
hoch aktuell. Nichts davon ist nämlich erledigt.
Jetzt kann man über diese ÖBIG-Studie natürlich diskutieren,
aber, Frau Stadträtin, sie zu ignorieren, ist
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