Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 112 von 118
Alphabetisierungskurse, bei denen wir übrigens nach wie vor mit Sorge, aber auch sehr aufmerksam verfolgen und verfolgen werden, dass das Prinzip der Freiwilligkeit beibehalten wird, was unserer Meinung nach sehr wichtig ist. Es gibt also sehr wohl sinnvolle Maßnahmen, die im Bereich der Diversitäts- und Integrationspolitik vom zuständigen Ausschuss und danach vom Gemeinderat beschlossen werden. Es gibt aber kein Gesamtkonzept. Wo will die Stadt Wien in fünf oder in zehn Jahren sein? Was will die Stadt Wien mit der Diversitätspolitik erreichen? Was sind die konkreten Ziele? Was sind die konkreten Etappen? Wann will man wo stehen?
Als meine Kollegin Monika Vana ihre Rede zur
Frauenpolitik gehalten hat und gesagt hat, sie fragt sich, welchen Zeitrahmen
sich die Stadt gibt, welche Ziele die Stadt bei der Frauenpolitik hat oder wo
die aussagekräftigen Daten sind, war das für mich fast ein Déjà-vu, weil ich
mir gedacht habe, auch bei der Integrations- und Diversitätspolitik schaut es
eigentlich so aus, es gibt keine aussagekräftigen Daten. Die Stadt Wien weiß
zum Beispiel, soweit wir wissen, bis heute nicht, wie viele Menschen mit einer
anderen Muttersprache beziehungsweise mit einem Migrationshintergrund in den
Magistratsabteilungen und in den stadtnahen Betrieben Beschäftigung gefunden
haben. Die Stadt Wien hat bis heute kein Ziel, was die Sichtbarmachung von
Migranten und Migrantinnen im Magistrat betrifft. Die Stadt Wien ergreift keine
konkreten Maßnahmen, um zum Beispiel den Migranten- und Migrantinnenanteil im
Magistrat zu erhöhen. Die Stadt Wien spricht aber ständig von der
Diversitätspolitik.
Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel: Ich habe letzte
Woche mit einer Migrationsforscherin geplaudert, die derzeit versucht,
unterschiedliche Integrationskonzepte von österreichischen und deutschen
Städten zu vergleichen. Sie hat gesagt, was sie sehr fasziniert, ist, dass sie
im Fall von deutschen Städten sehr viele Papiere, sehr viele
Integrationskonzepte, Integrationsleitbilder von Städten gefunden hat, und im
Fall von Österreich eigentlich kaum welche, aber seit Jahren ständig von der
Integration die Rede ist. Das hat sie zu der Aussage mir gegenüber veranlasst:
„In Österreich wird ständig von Integration gesprochen, aber es ist kein
Konzept dahinter." (GR David Lasar:
Das ist richtig!) Sie fragt sich, welche Integrationspolitik Österreich
oder Wien machen will, ohne zu definieren, was gesellschaftliche,
sozialwirtschaftliche, arbeitsmarktmarktpolitische Integration bedeutet, ohne
Ziele vor sich zu haben, ohne konkrete Maßnahmen zu ergreifen, konzertierte
Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. (GR Johann Herzog: In Deutschland
funktioniert das doch offensichtlich genauso wenig wie in Österreich! Weder in
Berlin noch in Hamburg oder sonstwo!)
Das ist also unsere Kritik an der Stadt Wien und an
der absolut regierenden SPÖ. Wir verlangen mehr als nur schöne Sonntagsreden.
Wir wollen eine konkrete Diversitätspolitik sehen und erleben. Auf meine Frage
im Gemeinderatsausschuss, der auch für Integration zuständig ist, was jetzt das
genaue Diversitätskonzept der Stadt Wien ist, hat die Antwort der Frau
Stadträtin gelautet: „Frau Kollegin, lesen Sie meine Presseaussendungen!"
Das zeigt eigentlich relativ klar, wie verschwommen da mit Diversitätspolitik,
mit dem Begriff Diversität umgegangen wird. Es ist also kein Konzept dahinter
beziehungsweise sollte eines dahinter sein, würden wir es endlich gern hören,
weil wir es seit längerer Zeit einfordern, aber keines präsentiert wird. Wie
gesagt, ein Sammelsurium von bloßen Einzelmaßnahmen, wo man selber nicht weiß,
wohin man mit diesen Einzelmaßnahmen kommen will, seien es auch nur einzeln
sinnvolle Maßnahmen wie Sprachkurse, Alphabetisierungskurse und so weiter,
verdient den Namen Diversitätspolitik nicht.
Frau Stadträtin, Sie können diverse NGOs und
Menschen, die in diesem Bereich zuständig sind, fragen, vor allem, wenn sie
finanziell von der Stadt Wien nicht abhängig sind, oder vielleicht auch in
einem Vieraugengespräch. Viele von ihnen werden Ihnen, denke ich, sagen, weil
das das ist, was wir immer wieder hören, das ist eine Feigenblattpolitik, da
wird nicht wirklich Konkretes gemacht, sondern das sind eigentlich eher
Werbemaßnahmen, mit denen man sagt, man betreibe eine konkrete Politik. Das ist
zu wenig!
Wir sind natürlich gewillt, eine ernst gemeinte
Integrationspolitik zu unterstützen. Das ist unsere Linie. Das merkt man auch
an unserer Arbeit, an unseren Beschlüssen im Gemeinderat, aber auch im
konkreten Integrationsausschuss, denke ich. Das müssen wir nicht beweisen. Aber
Sie müssen konkrete Maßnahmen ergreifen! Ich hoffe, dass wir in Zukunft nicht
solche Antworten wie „Lesen Sie doch meine Presseaussendungen, dann bekommen
Sie mit, was mein Konzept ist!" bekommen, weil auch aus den
Presseaussendungen leider kein wirkliches zusammenhängendes Konzept hervorgeht!
Also bitte ich Sie, uns in Zukunft mit einer konkreten Diversitäts- und
Integrationspolitik zu beglücken - unter Anführungszeichen. In der Hoffnung,
dass das sehr bald passieren wird, bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Frau GRin Mag Ekici, bitte.
GRin Mag Sirvan Ekici (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau
Stadträtin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Sie merken aus den Beiträgen, die
Integrationsdebatte hat nunmehr auch die Bundeshauptstadt Wien voll erfasst.
Von allen Verantwortlichen der SPÖ-Stadtregierung wird immer wieder beteuert,
Integration sei ein wichtiges und zentrales Thema. Es wurde heute vom
Finanzstadtrat Dr Rieder wieder unterstrichen, was an und für sich sehr
erfreulich ist. Aber nur zu sagen, Integration ist wichtig, ist uns zu wenig!
Ich frage mich, sehr geehrte Frau Stadträtin, wo das von uns seit langem
geforderte Integrationskonzept bleibt. In diesem Zusammenhang freue ich mich,
dass auch die GRÜNEN gemerkt haben, dass Wien kein Integrationskonzept hat.
Leider kann die Stadt trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse so ein Konzept nicht
vorweisen, was ich sehr
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