Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 101 von 118
muss ich an den Kollegen Schock denken, mit dem ich
ja auch im Kuratorium des Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds sitze, der
gesagt hat, dass, wenn die Opposition die Zunahme der Schulungen und
Weiterbildungsmaßnahmen in Wien seitens WAFF und seitens AMS kritisiert, so
nicht deshalb, weil wir gegen die Schulungen sind, sondern deshalb, weil Sie
die Arbeitslosigkeit in den Schulungsmaßnahmen verstecken und weil das
unverständlich ist, weil es den Arbeitslosen nichts bringt, in dem Fall den
arbeitslosen Frauen, und weil es Sie einmal mehr in Ihrer Politik unglaubwürdig
macht. Weil Sie dasselbe machen wie die Damen und Herren von den
Regierungsparteien auf Bundesebene. Sie verschleiern, Sie reden schön und Sie
weigern sich, die wirklich strukturellen Probleme, die es für Frauen am
Arbeitsmarkt gibt, auch nur ansatzweise in Angriff zu nehmen. Kein Wort habe
ich heute davon gehört, dass es ein strukturelles Problem von Frauen am Wiener
Arbeitsmarkt gibt.
Zweites Beispiel: Die Frauenerwerbsquote, die Sie
immer wieder als sehr hoch, sehr schön darstellen. Sie haben eine
Frauenerwerbsquote in Wien von 77 Prozent genannt. Mich würde sehr
interessieren, vielleicht kann das auch die Frau Stadträtin beantworten, wie
Sie auf diese Zahl kommen, welche Gruppe, welchen Sample Sie da heranziehen,
denn die Zahlen, die wir im Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien gefunden
haben, sind niedriger. Was zwar stimmt, ist, dass sie höher ist als die
Frauenerwerbsquote im Bundesschnitt, nona nanet, wir sind ja auch in der
Bundeshauptstadt, da ist auch die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu bekommen, eine
höhere, da brauchen wir keine wissenschaftlichen Untersuchungen dafür, um das
zu rühmen, sondern weil Sie mit der Frauenerwerbsquote verstecken, dass diese
gestiegene Frauenerwerbsquote ausschließlich, und zwar ausschließlich, auf den
Anstieg an Teilzeitbeschäftigungen, auf den Anstieg an so genannten atypischen
Beschäftigungen, auf den Anstieg also an Beschäftigungen, die teilweise oder
überwiegend nicht existenzsichernd sind, zurückzuführen ist. Sie wissen, dass
seit Jahren in Wien, wie auch im Bundesschnitt, die Zahl der Vollarbeitsplätze
für Frauen zurückgeht und dass über die Hälfte der erwerbstätigen Frauen mit
Kindern unter 15 Jahren in Wien von einem Einkommen leben müssen, einem
Erwerbseinkommen bitte, das unter dem Existenzminimum von zirka 800 EUR
liegt, und dass – wir haben uns die Zahlen herausgesucht – ein Viertel aller
Frauen am Wiener Arbeitsmarkt bereits weniger als 1 200 EUR pro Monat
zum Leben hat. Das heißt, Armut und atypische Beschäftigung sind weiblich in
Wien. Auch davon habe ich in Ihren sehr ausführlichen Ausführungen zur Frauensituation
am Arbeitsmarkt nichts gehört.
Drittes Beispiel, das StR Rieder genannt hat, die
Einkommensunterschiede von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt, wo er ja gelobt
hat in völlig unverständlicher Weise, dass die Einkommensunterschiede in Wien
besser oder geringer sind als die im Bundesschnitt gemessenen
Einkommensunterschiede. Nona nanet, kann ich da einerseits nur sagen, und
zweitens: Sie verschleiern auch hier wieder, dass die Einkommensunterschiede in
Wien sogar über dem EU-Schnitt liegen, über dem EU-Schnitt der so genannten
alten EU 15, dass die Einkommensunterschiede in Wien steigen, statt
sinken, das auch dank Ihrer Politik, und dass der Gender Gap am Wiener
Arbeitsmarkt und die Einkommensschiene eine der größten in ganz Europa sind.
Das alles verschleiern Sie, da verdrehen Sie Fakten. Davon ist hier keine Rede.
Sie machen nur ein Schönreden.
Und was wir wollen, meine Damen und Herren, vor allem
meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ist endlich, seit Jahren fordern
wir das, die Vorlage eines Frauenarmutsberichts, wie es zum Beispiel die Stadt
Salzburg schon vorzeigt, wo auch genaue Maßnahmen zur Armutsbekämpfung drinnen
sind, und wir wollen endlich aussagekräftige Daten, korrekte aussagekräftige
Daten, wie die Situation von Frauen und vor allem die Einkommenssituation von
Frauen am Wiener Arbeitsmarkt aussieht, auch da hinkt Wien sogar dem Bund
hinterher, denn es wurden bisher keine Zahlen veröffentlicht, die
Teilzeitarbeit und Arbeitszeit, also die Höhe der Teilzeiteinkommen in Wien
auch nur annähernd darstellen. Was sehr wichtig wäre für eine Politik zum
Schließen der Einkommensunterschiede, weil immer wieder argumentiert wird, dass
ein Großteil der Einkommensunterschiede – auf das werde ich aber später noch genauer
zurückkommen, wenn ich unseren Antrag zur Koppelung der Wiener
Wirtschaftsförderungen und der Frauenförderung vorstelle – auf
Teilzeitbeschäftigungen zurückzuführen ist. Das heißt, das wäre doch ein erster
Schritt, diese Einkommensunterschiede auch im Teilzeitbereich endlich
darzustellen.
Für Wien ist es uns seit Jahren nicht gelungen, von
Ihnen Antworten zu bekommen, wie es überhaupt ausschaut mit diesen
Einkommensunterschieden in Wien. Auf Anfrage bei der Statistik Austria, die für
die bundesweite Datenerfassung zuständig ist, wurde uns gesagt, es wäre
natürlich sehr spannend, aber es gibt diese Sonderauswertung für Wien nicht.
Die Wirtschaftskammer legt sich seit Jahren quer, weil eine Sonderauswertung,
eine so genannte regionale Sonderauswertung für Einkommen und Arbeitszeit würde
einen Mehraufwand für die Unternehmen bedeuten. Das finden wir sehr schade.
Hier wird nicht einmal die Möglichkeit geschaffen, durch mangelnde
Datengrundlage, obwohl Sie es uns bei der letzten WAFF-Enquete versprochen haben,
effektive Maßnahmen gegen Einkommensunterschiede zu setzen. Und wir vermissen
in der ganzen Debatte die Frage der Qualität der Arbeitsplätze für Frauen in
Wien, die Frage der Existenzsicherung für Frauen in Wien, die Frage der
Armutsbekämpfung und, wie mein Kollege Margulies heute schon angesprochen hat,
die Verteilungsfrage, die Verteilung auch von Arbeitszeit, einerseits bezahlter
und unbezahlter Arbeit, aber andererseits auch die Verteilung der Arbeitszeit
im Sinn von Arbeitszeitverkürzung.
Nun möchte ich unsere drei Anträge vorstellen, die
wir im Rahmen dieser Debatte einbringen wollen.
Der erste bezieht sich auf das heute auch von der
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
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