Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 89 von 118
Genosse, schämst du dich nicht?“ (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
GRin Jerusalem.
GRin Susanne Jerusalem
(Grüner Klub im Rathaus): Sie schämen
sich ja sichtlich auch nicht, Herr Jung, wenn Sie sprechen. (GR Mag Wolfgang Jung: Ich habe auch keinen
Grund dazu!) Ich werde auf Ihre Ausführungen gar nicht eingehen, weil Sie
mich nicht interessieren. Sündenbockgeschichten lehne ich ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir sind tatsächlich mit
einer Situation konfrontiert, die im Pflichtschulbereich sicher eine schwierige
ist, und man muss sich damit auseinander setzen, dass die Qualität langsam,
aber stetig abnimmt und dass wir gefordert sind, etwas zu tun.
Ich
habe heute den Ausführungen sehr aufmerksam gelauscht und stelle bei jeder
Schuldebatte fest, dass es immer wieder eine Pattstellung gibt zwischen ÖVP
einerseits und SPÖ andererseits, denn natürlich sind die Vorschläge der SPÖ im
Schulbereich so geartet, dass die Kosten, die da entstehen würden, um diese
Schwierigkeiten zu beheben, beim Bund liegen, während die Vorschläge der ÖVP
selbstverständlich so geartet sind, dass die Kosten bei der Stadt liegen. Und
das können wir uns jetzt die nächsten Jahre anhören, Sie können sich das
gegenseitig ausrichten, nur eines ist ganz sicher: Es wird den Kindern
überhaupt nicht helfen. Das ist ein Streit auf dem Rücken der Kinder, und ich
kann Sie nur auffordern, damit aufzuhören.
Ich
kann auch Beispiele bringen, um es vielleicht zu konkretisieren. Es macht
selbstverständlich die Frau StRin Mag Cortolezis-Schlager den Vorschlag,
Sozialarbeit und Kindergarten auszubauen, was Wien zu bezahlen hat, und
selbstverständlich macht Wien immer wieder den Vorschlag, PsychagogInnen
anzubieten statt SozialarbeiterInnen und eine Vorschule anzubieten, weil das
der Bund zu bezahlen hat. Das heißt, man kann schon auf beiden Seiten
feststellen, dass ein gewisses Problembewusstsein wächst, dass aber der Streit
ums Geld die Debatte bestimmt, und das bringt den Kindern nichts. Wir brauchen
aber etwas, was den Kindern etwas bringt.
Wir
sind also auf der einen Seite sicher mit einem Mangel an finanziellen
Investitionen und einem Mangel an Ressourcen konfrontiert. Ich brauche das
jetzt nicht groß zu wiederholen, denn sowohl Maria Vassilakou als auch mein
Kollege Margulies haben das ja bereits gesagt und zusammengefasst, was passiert
ist. Ich sage nur noch einmal: Es haben diese Kürzungen alle Kinder getroffen,
denn wenn die Klassen größer werden und unverbindliche Übungen gestrichen
werden, dann trifft das alle Kinder. Nur gibt es dann eben jene Kinder, deren
Eltern Geld haben und die privat investieren können, da wird das ausgeglichen.
Die Kinder aus einkommensstarken Familien leiden also nicht so unter dieser
Situation, denn man kann es sich leisten, die Freizeitangebote privat zu
bezahlen, und man kann es sich leisten, die Nachhilfe privat zu bezahlen. Das
ist alles leistbar, wenn man Geld hat. Aber jene Kinder, deren Eltern kein Geld
haben oder die aus sozioökonomisch schwachen Haushalten kommen und die
eigentlich uns PolitikerInnen brauchen, um diese Probleme zu lösen, diese
Kinder bleiben dabei auf der Strecke. Und wir haben keinerlei Rezepte – oder
ich habe sie noch nicht gehört –, wie dieses Problem zu beheben sein wird.
Neben diesem Mangel an
Finanzen, an Finanzkraft, an Investitionen haben wir aber ein zweites Problem,
das meiner Meinung nach genauso wichtig ist. Denn es geht nicht nur darum, wie
viel LehrerInnen wo im Einsatz sind, sondern es geht auch darum, was denn in
den Schulen gemacht wird. Es geht um die Pädagogik, es geht um die Ideen, es
geht um Kreativität, und es geht darum: Wie fördere ich das Lernen der Kinder?
Das ist ein zweiter Punkt, das ist ein anderer Punkt, in den genauso investiert
werden muss und wo ich mir denke, auch da ist ein Mangel festzustellen. Meiner
Meinung nach geht im Augenblick überhaupt nichts weiter in diesen Punkten.
Ich möchte dafür ein
einziges Beispiel bringen, und zwar deswegen, weil es in einem engen
Zusammenhang steht mit der so viel diskutierten Gesamtschule, pro und kontra,
wo man sich auch immer wieder ideologisch eingräbt, anstatt zu schauen: Woher
kommt diese Forderung eigentlich? Was ist der Hintergrund für diese Forderung?
Deswegen möchte ich jetzt einmal ein Beispiel bringen.
Wenn ich 30 oder 25 oder
22, vollkommen egal, siebenjährige Kinder vor mir sitzen habe, dann weiß jeder,
der sich in Psychologie und Lernpsychologie auskennt und vielleicht auch
einiges dazu gelesen hat, dass nur ganz wenige Kinder diesem Standard eines
Siebenjährigen, so wie er festgeschrieben wird und wie man es jetzt auch bei
den Zehnjährigen wieder macht, entsprechen. Ganz wenige. Aber die meisten
Kinder in dieser Klasse sind zum Beispiel, nur damit es konkret wird, was den
Zahlenraum bis 20 oder später den Zahlenraum bis 100 angeht, nicht die idealen
Siebenjährigen, sondern manche sind auf dem Stand eines sechsjährigen Kindes,
eines fünfjährigen Kindes und andere auf dem Stand eines acht- oder eines
neunjährigen Kindes, und zwar vollkommen unabhängig von der Intelligenz dieser
Kinder. Es ist eine Sache der Lernentwicklung, des Lerntempos, des
Lernrhythmus’, aber auch sehr stark eine Sache dessen, ob es sich um Mädchen
oder Buben handelt. Dass die Buben in der Regel um zwei Jahre zunächst einmal
hintennach sind, weiß jeder und jede, der/die schon einmal irgendwo
unterrichtet hat oder mit dieser Sache vertraut ist. Ich habe daher in einer
Klasse von siebenjährigern Kindern, also in einem Jahrgang, einen Unterschied
von vier Jahren, wenn es hochkommt sogar von fünf Jahren.
Das
heißt, es verbietet sich von selbst jede Form des Frontalunterrichtes, der sich
ja nur an den klassischen Siebenjährigen richten kann und der jedenfalls die
Kinder, die noch nicht so weit sind, überfordert und die anderen, die schon
sehr viel weiter sind, unterfordert. Das heißt, die einen Kinder sind pausenlos
gestresst, entwickeln auch so etwas wie Schulangst, und die anderen Kinder,
denen ist pausenlos langweilig, dann kasperln
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