Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 118
dann machen wir es halt so.
Genau dieses System aus Mehrfachfunktionen, aus
unübersichtlichen Strukturen, aus völliger Intransparenz, aus falsch
verstandener Loyalität, genau dieses System gilt es zu verändern. Nicht nur im
ÖGB, nicht nur in der BAWAG, sondern auch überall dort, wo dieses System am
Werk ist, das heißt, nicht zuletzt auch innerhalb der Stadtregierung.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass mit der
Klausur, die es gegeben hat, und mit den Entscheidungen der letzten Tage
vielleicht erste zaghafte Schritte in die richtige Richtung gesetzt worden
sind. Nichtsdestotrotz bleibt das System an sich nach wie vor unangetastet. Es
wäre gut für Sie, es wäre aber auch gut für die Stadt Wien, wenn Sie das
angehen würden und im eigenen Bereich, wo Sie durchaus die Entscheidungsmacht
haben, zumindest jene Reformen in Angriff nehmen würden, die ein Mehr an
Kontrolle und auch ein Mehr an Transparenz gewährleisten würden.
Ein erster und guter Schritt wäre es, es ansatzweise
zum Beispiel beim nächsten Budget der Stadt Wien, das Sie vorlegen werden, zu
versuchen, es vielleicht dergestalt zu tun, dass es auch transparenter ist und
dass auch die Opposition die Möglichkeit hat, ihren Kontrollrechten viel, viel
besser nachzukommen.
Ansonsten bleibt mir noch, Sie einmal mehr von hier
aus aufzufordern, die Dinge in Angriff zu nehmen, die für diese Stadt dringend
benötigt werden: Schaffung einer Grundsicherung, aktive Arbeitsmarktpolitik,
noch dazu mit Schwerpunkt Frauen, denn diese sind es ja, die am allermeisten leiden
unter der wachsenden Armut und unter den prekären Arbeitsverhältnissen, von
denen man nicht leben kann, viel mehr Investitionen im Bereich Schule, mehr
Lehrerinnen und Lehrer für Wiens Kinder und ein scharfes Überdenken des Systems
SPÖ.
Wir werden jedenfalls auch heuer, so wie in den
Jahren davor, dem Rechnungsabschluss der Stadt Wien unsere Zustimmung nicht
geben. Ich hoffe, dass auch nur das Geringste von all dem, was ich heute hier
ausgeführt habe, bei Ihnen gelandet ist. Ich bin gespannt auf die Debatte. –
Danke. (Beifall bei den GRÜNEN. – GR Heinz-Christian Strache: Jedes Jahr
dasselbe!)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. Als
Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Dr Tschirf.
GR Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Frau Vorsitzende! Herr Vizebürgermeister! Meine
sehr geehrten Damen und Herren!
Wir sind es gewohnt, dass jedes Jahr eine
uninteressierte, schläfrige SPÖ hier sitzt – okay, das mag das Donauinselfest
sein, dem nach einigen Tagen Tribut zu zollen ist –, aber was wir in den
letzten Jahren nicht erlebt haben, war ein so defensiver Vizebürgermeister.
Aber er hat schon seinen Grund, warum er so defensiv zu sein hat. Und ich
zitiere hier: „Kein Mensch, mit Verlaub gesagt, wählt die SPÖ wegen ihrer
Wirtschaftskompetenz.“ Wer hat das gesagt? Michael Häupl, Bürgermeister und
SPÖ-Landesvorsitzender von Wien am 23.6.2006. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Satz,
dass die SPÖ nicht wegen ihrer Wirtschaftskompetenz gewählt wird, der könnte
über diesem Rechnungsabschluss stehen, einem Rechnungsabschluss für ein Jahr
2005, in dem sich eine Rekordarbeitslosigkeit in Wien, eine Gebührenlawine, vor
allem aber auch eine Schönfärberei darstellt.
Der Herr Vizebürgermeister hat versucht, uns einiges
zu erzählen über Betriebe, die nach Wien zugewandert sind – das ist gut so, und
ich werde dann noch auf einige Gründe eingehen, warum das eigentlich so ist –,
aber er hat es vermieden, darauf hinzuweisen, was alles in den letzten Jahren
von Wien weggegangen ist, ob das Philips war, Inzersdorfer, Unilever,
Ankerbrot, Grundig, Siemens oder im Jahr 2005 Sandoz oder das Debakel mit
Baxter. (GR Heinz-Christian Strache: Wie viele Arbeitsplätze waren das bei
Siemens? Das sind lauter Arbeitsplätze!) Das alles haben der Wiener Finanzstadtrat und der Wiener
Bürgermeister zu verantworten.
Nicht umsonst sagt das WIFO, dass Wien im
industriell-gewerblichen Bereich seit 1995 rund ein Viertel der Arbeitsplätze
verloren hat. Wien hat seinen Stellenwert als Industriestandort eingebüßt. Das,
meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine dramatische Situation, und auf
die sollte anders reagiert werden als mit Budgetkosmetik, wie das in diesem
Haus durch die Mehrheitspartei der SPÖ geschieht. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Vizebürgermeister, Sie sind froh darüber, dass
Headquarters nach Wien gegangen sind, und Sie haben eigentlich zugeben müssen,
dass es einen gibt, dem Sie dafür ein kräftiges Dankeschön zu sagen haben.
Dieser ist unser Wiener Wolfgang Schüssel. (Beifall bei der ÖVP. – GR
Heinz-Christian Strache: Der mit dem Wolfi tanzt! Sie sind es, der mit dem
Wolfi tanzt!)
Ohne Wolfgang Schüssel gäbe es nicht den Aufschwung –
es ist interessant, diese Übereinstimmung zwischen Strache und Häupl in dieser
Frage festzustellen –, ohne Wolfgang Schüssel hätte es nicht den
wirtschaftlichen Aufschwung gegeben. Mit Bewunderung sehen beispielsweise die
Deutschen, insbesondere die Zeitungen aus Deutschland, wie es mit der
österreichischen Wirtschaft in den letzten sechseinhalb Jahren bergauf gegangen
ist. (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Auch
die Fußballer?) Okay, im Fußball sind wir schlechter als Deutschland, aber
in der Wirtschaft sind wir besser, und darauf kommt es an. (Zwischenrufe bei den GRÜNEN.) Aha! Das heißt, der Kurs von Häupl
und Strache wird auch von den Grünen
hier unterstützt. Interessante Koalitionen. (Lebhafte
Heiterkeit. – GRin Dr Monika Vana: Das ist die Sommerhitze! – GR Heinz-Christian Strache: Dafür
unterstützt ihr den Kurs vom Westenthaler!) Jedenfalls ist es so, dass
es ohne Wolfgang Schüssels Steuerpolitik nicht möglich gewesen wäre,
Headquarters nach Wien zu bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Das, was wir in diesem Rechnungsabschluss aber feststellen müssen, ist,
dass wir etwas vermissen: Was hat die Stadt, was hat die Wiener SPÖ dazu
beigetragen, um die Probleme am Arbeitsmarkt in Wien zu lösen? Der
Zahlenfriedhof, der uns vom Herrn Vizebürgermeister hier
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