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Gemeinderat, 9. Sitzung vom 24.05.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 72 von 108

 

sehr unterproportional. Das ist wirklich sehr, sehr wenig! Und wie viele davon in offenen Schulen sind und eigentlich zu Mittag schon nach Hause gehen, das heißt, gar nicht als Schüler einer ganztägigen Schule geführt werden dürften, das weiß auch niemand. Interessanterweise weiß man in Wien nämlich viel nicht, was eigentlich als Grundlage für eine Planung in die Zukunft dringend notwendig wäre: Man weiß nicht, wie viele Kinder eine ganztägige Schulform besuchen, man weiß überhaupt nicht, wie viele Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache an den einzelnen Standorten in die Schule gehen, und man weiß nicht, wie viele Kinder, die außerordentlich geführt sind, an den einzelnen Standorten sind. Angeblich weiß man all das nicht.

 

Dafür gibt es nur zwei Begründungsmöglichkeiten: Entweder diese Antwort stimmt nicht, und der Stadtschulrat weiß sehr wohl Bescheid, will es aber nicht sagen. Dann ist das ein Verstoß gegen die Rechte von Abgeordneten dieses Hauses, denn wenn wir eine gemeinderätliche Anfrage stellen, dann haben wir auch das Recht, diese beantwortet zu bekommen! Sie verstoßen also entweder gegen die demokratischen Grundrechte dieses Hauses oder aber Sie wissen es tatsächlich nicht. Es handelt sich also entweder um die Unwahrheit oder um Nichtwissen. Beides wäre eine Katastrophe für Wien! In einem Fall wäre es im demokratischen Sinn schlimm, im anderen Fall wäre es negativ, weil Sie dann gar nicht in der Lage sind, irgendetwas zu planen oder irgendetwas Zukunftsweisendes zu tun.

 

Betreffend die ganztägigen Schulen könnten Sie, wenn Sie wollten, etwas unternehmen und dafür sorgen, dass die richtigen Kinder tatsächlich in die ganztägigen Schulen kommen. Und genau so könnten Sie bei den Sonderschulen dafür sorgen, dass die Kinder nicht nur deswegen in diesen landen, weil sie die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen und deswegen dem Unterricht nicht folgen können.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie auch an eine Diskussion erinnern, die wir 1995 über Monate miteinander geführt haben. Ich habe damals viele Anfragen und viele Anträge gestellt. Es kamen Petitionen aus dem In- und Ausland, um Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, aufzufordern, das Projekt “Interkulturelles Lernen“ nicht abzuschaffen.

 

Noch einmal zur Erinnerung für alle, die damals vielleicht noch nicht im Haus waren: Beim interkulturellen Lernprojekt ging es um Nachmittagsbetreuung. Letztere war niederschwellig, sie war nahezu kostenlos, sie war interkulturell, und sie war mehrsprachig. Mit den Kindern wurden die Hausübungen gemacht und so weiter und so fort. Es war dies ein Vorzeigemodell für ganz Europa! Und Sie wurden aus Wien, von überall aus Österreich und auch international aufgefordert, das nicht abzuschaffen. – Was aber haben Sie gemacht? Sie haben es abgeschafft! Und die Kinder, die davon profitiert haben, weil mit ihnen die Hausübungen gemacht wurden und das Projekt wirklich interkulturell und mehrsprachig aufgebaut war, befanden sich nach Abschaffung des Projektes dann nicht mehr oder zum Großteil nicht mehr in der Nachmittagsbetreuung.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fehlermarke “Eigenbau“ und all das, was Sie zu verantworten haben, bildet eine lange Liste. Ich fordere Sie auf, an diesen Fehlern zu arbeiten! Es ist ganz klar, dass Sie nicht alles ausmerzen können, was von Seiten des Bundes falsch gemacht wird. Es wäre aber zu erwarten gewesen, dass Sie diese Fehler ausbessern und Konzepte für jene Bereiche entwerfen, in denen es um die Politik der Stadt Wien geht.

 

Heute hat eine der Vorrednerinnen – ich glaube, es war Frau GRin Ludwig – gesagt: Integration ist für die Sozialdemokraten nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern gelebte Politik. – Da frage ich: Wo bleibt denn da die gelebte Politik? Wo finden sich tatsächlich jene Maßnahmen, welchen Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache eine Chancengerechtigkeit sichern, die ihnen eine Schullauflaufbahn ermöglicht, welche auch zu Erfolg im Beruf und auf dem Arbeitsmarkt führen kann?

 

Ich möchte abschließend noch einmal festhalten, dass wir eine wissenschaftliche Evaluation des Wiener Pflichtschulsystems haben wollen. Ich betone jetzt das Wort wissenschaftlich, weil ich nicht will, dass der Stadtschulrat sich selbst evaluiert. Und ich will auch nicht, dass mir dann von Seiten sozialdemokratischer Politiker berichtet wird, wie toll die Eigenevaluation ausgefallen ist. Ich will eine wissenschaftliche Evaluation, ich will die Beiziehung von Fachleuten aus den notwendigen Bereichen Lernen, Interkulturelles, Integration, Linguistik und Psychologie. – Dieses Schulsystem muss evaluiert werden!

 

Ich meine, es soll nicht nur sozusagen jeder “Pimperl-Schulversuch“ evaluiert werden, sondern es muss das gesamte System evaluiert und überprüft werden, ob man damit überhaupt in der Lage ist, Chancengerechtigkeit zu realisieren.

 

Zu den SchulabbrecherInnen und jenen Jugendlichen, die hier in Wien einen Schulabschluss in Hauptschulabschlusskursen nachholen, kann ich jetzt aus Zeitgründen nicht mehr viel sagen. Etwas ist mir dabei wichtig: Sie wissen genauso wie ich – so Sie in die Materie eingearbeitet sind –, dass die Hauptschulabschlusskurse zwar an der Zahl enorm zugenommen haben, dass sie aber nur noch ein halbes Jahr dauern und somit das Scheitern dieser Schülerinnen und Schüler bereits programmiert ist.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meiner Meinung nach ist klar, dass das nächste PISA-Ergebnis, wenn nicht ganz große Änderungen stattfinden, genau so schlecht wie diesmal sein wird, wenn nicht schlechter. Daher sind wir alle dazu aufgefordert, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass sich an dieser Lage etwas bessert und dass für die Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache Chancengerechtigkeit hergestellt wird. – Danke.

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Matiasek.

 

GRin Veronika Matiasek (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte

 

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