Gemeinderat,
9. Sitzung vom 24.05.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 108
Also: Kostenloser Kindergarten, und zwar überhaupt;
zweisprachige Alphabetisierung; 1 300 Lehrerinnen und Lehrer mehr (GR
Mag Wolfgang Jung: Da kommen Sie aber mit 1 300 nicht aus!) und und
und - die Liste der Maßnahmen ist ziemlich lang und ziemlich sinnvoll.
Eines ist jedenfalls klar. Für die Wiener
Schulpolitik muss die Devise sein: Lehrer statt Busse. Sagen Sie es bitte Ihrer
Bundesministerin weiter! (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. - Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR
Wutzlhofer. Ich erteile es ihm.
GR Jürgen Wutzlhofer (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Damen und
Herren! Frau Vorsitzende!
Was Wien ausmacht, ist seit ein paar hundert Jahre nicht
nur ein gewisser Pluralismus in unserer Stadt, sondern auch, dass dieser
Pluralismus nicht nur als Problem, als Schwierigkeit, als Konflikt, sondern vor
allem als Ressource, als soziale, kulturelle und wirtschaftliche Ressource
gesehen und geschätzt wird. Damit das so geht, damit man nämlich damit auch
Probleme lösen kann, ist ein Weg des Miteinanders notwendig, ein Weg, der
Integration nicht als Einbahnstraße oder Bring- oder Holschuld einer gewissen
Gruppe sieht, sondern als gemeinsames Projekt. Das heißt aber auch, dass von
diesem gemeinsamen Projekt alle profitieren können.
Leider erleben wir heute - in den letzten Tagen in
den Medien, aber auch heute in der Debatte - genau das Gegenteil einer solchen
gemeinsamen Anstrengung. Das ist eher, habe ich den Eindruck, ein bisschen
billige Polemik, ein bisschen falsche Zahlen, ein bisschen Hass schüren,
irgendein Konglomerat an Dingen, das auf jeden Fall nicht zu einer besseren
Integration beiträgt. (GR Mag Wolfgang Jung: Können Sie dafür Beispiele
nennen?) Ich komme gerne zu Beispielen, sogar für Sie, Herr Jung.
Wir werden zum Beispiel einen Antrag der
Freiheitlichen erleben, mit dem sie die Verdrängung des Schnitzels aus den
Kindergärten durch die überbordende muslimische Esskultur zum Thema machen, völlig
ungeachtet der Tatsache übrigens, dass es an Wiener Kindergärten üblich ist,
dass man zwischen drei Menüplänen aussuchen kann. Aber da geht es überhaupt
nicht um die Realität, sondern ums Angstschüren. (GR Mag Wolfgang Jung:
...liegt in Wirklichkeit bei Ihnen! - Zwischenruf von GR Heinz-Christian
Strache.)
Man glaubt, diese FPÖ-Vorschläge sind irgendwie
skurril. Aber sie sind nicht so skurril, dass sie nicht die ÖVP übernehmen
kann. Denn der Kabas-Vorschlag des Herumkarrens mit Bussen jeden Tag in der
Früh ist ja jetzt Teil eines Konzepts. Nach Tschirf-Nightline kommt
Tschirf-Schulbus, er hat da Erfahrung.
Wir werden heute sicher auch erleben, wie Frau
Mag Cortolezis-Schlager uns vorrechnet, dass es eigentlich zu viele
LehrerInnen gibt; wenn man die alle besser aufteilt, dann blieben uns sogar
noch ein paar übrig. Spannend ist nur - das sage ich jetzt schon, wir werden
das nachher noch diskutieren können -, dass die Rechnung nur dann funktioniert,
wenn man ein paar Sachen vergisst: Wenn man zum Beispiel jene Lehrerinnen und
Lehrer vergisst, die MigrantInnen Deutsch beibringen; wenn man jene Lehrerinnen
und Lehrer vergisst, die soziale Konflikte lösen, Behinderte in die
Gesellschaft eingliedern und so weiter. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Das weiß die ÖVP. Sie stellen den Vizepräsidenten den
Stadtschulrates, aber trotzdem machen Sie es! (Widerspruch bei der ÖVP.)
Das ist nicht Unwissen, das ist Angstschüren, und das lehnen wir ab. (Beifall bei der SPÖ. - GR Heinz-Christian Strache: Vorschule!)
- Zur Vorschule komme ich noch.
Aber das passiert ja alles vor einem
Bundeshintergrund. Wir haben Nationalratswahlen, und wir haben heuer erlebt,
wie der Bund ganz stolz eine Verschärfung der Integrationsvereinbarung
vorgestellt hat, eine Verschärfung des Staatsbürgerschaftsgesetzes; dieses war
übrigens früher schon das schärfste in der gesamten Europäischen Union. Und wir
erleben jetzt, wie die Innenministerin sagt: 45 Prozent der Muslime sind
integrationsunwillig. Das ist nicht nur hetzerisch, das ist absolut
unprofessionell! Aber genau da schimpft die ÖVP jetzt mit und setzt darüber ein
bisschen sozialen Frieden aufs Spiel.
Lassen wir einmal diesen Buhlen um Wählerstimmen am
rechten Rand. Erzählen wir kurz, was Wien macht, zum Beispiel zum Thema Vorschule.
Wiens Kindergärten und Schulen sind die größte Integrationseinrichtung
schlechthin, wenn man es von den Aufgaben her nimmt, die sie leisten. Es ist
schlicht und einfach tagtägliche Arbeit dieser Bildungseinrichtungen; ja, auch
Kindergärten sind Bildungseinrichtungen.
In einem großen Prozess haben wir das jetzt auch in
einem Bildungsplan verankern dürfen und verankern können. Es gibt in den
Kindergärten über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit mehrsprachigem
Hintergrund. Es gibt SprachheilpädagogInnen, die sich übrigens jedes Jahr schon
vor dem Projekt der Sprachförderung alle Vierjährigen anschauen und konkret
gezielte Sprachförderprogramme anbieten können. Es gibt ein eigenes Netzwerk
zum Thema interkulturelle Pädagogik, in dem jedes Jahr eigene Programme
ausgearbeitet werden. Es gibt Elterncafés für Migrantinnen, es gibt
muttersprachliche Materialien und und und.
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass es auch
ein rot-grünes Projekt zum Thema "Elternarbeit und muttersprachliche
Förderung im Kindergarten" gibt. Es gibt viele Dinge - aber leider nur
noch 45 Sekunden für mich. Was sich auf jeden Fall zeigt, ist: Dass die
ÖVP jetzt ausgerechnet die Kindergärten zum Thema macht, lässt zwei Schlüsse
zu. Entweder haben Sie überhaupt keine Ahnung von der Realität in Wien oder es
geht Ihnen überhaupt nicht um diese Realität, sondern um ein bisschen
Angstschüren und ein bisschen Mitschwimmen irgendwo.
Insofern vielleicht eine Zahl -
ich hätte noch ein paar mit, aber nur so zum Nachdenken -: 94 Prozent
aller fünfjährigen Kinder mit nichtösterreichischer
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