Gemeinderat,
58. Sitzung vom 30.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 104
bestimmten Bewerbers durch die Ausschreibungskriterien
ist zu vermeiden.
In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige
Abstimmung des Antrages. - Ich danke sehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Danke schön. - Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Mag Ebinger. Ich erteile
es ihm.
GR Mag Gerald Ebinger (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr
Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Meine Damen und Herren!
Wenn man hier dem Geplänkel zwischen den GRÜNEN und
der ÖVP zuhört, möchte man glauben, die letzte Bastion, die einer
schwarz-grünen Regierung im Wege steht, weicht sich rapide auf. Herr Kollege
Margulies hat vom Wiener Mut gesprochen; ich habe auch den Mut, hier unseren
Standpunkt klarzulegen.
Das vorliegende Aktenstück ist zugegebenermaßen
höchst kontroversiell. Auftragsvergabe für Leistungen im Rahmen der
Auslandskommunikation: Dahinter steht einerseits ein Zehnjahresvertrag mit
einer Firma Compress, mit einer ungeheuer anmutenden Summe von
146,38 Millionen EUR. Schon im Vorfeld hat es heftige Reaktionen von
GRÜNEN und ÖVP gegeben, bei denen es sich, wie sich heute bestätigt hat, in
erster Linie um die Vergabe dieses großen finanziellen Umfangs und um die Länge
des Vertrages handelt, und ebenso um die Kostensteigerungen, die sich im
Gegensatz zum Vorvertrag ergeben.
Kollege StR Ellensohn hat angekündigt - ich weiß
nicht, ob er es schon getan hat -, dass das Kontrollamt angerufen wird. Dem
schließen wir uns in dem Fall an. Sonst möchte ich mich aber, ehrlich gesagt,
nicht in diese Dinge einmischen. Denn formaljuristisch - ob diese Vergabe jetzt
richtig war oder nicht -, mit Sicherheit ist sie auf dem Papier richtig. Das
wird der Kontrollamtsbericht ergeben.
Ich denke mir aber, hier sollten wir so ernsthaft
sein - auch wenn wir uns heute schon aufgelöst haben -, dass wir auch ein
bisschen über die Inhalte reden. Wir sollten sagen, ob das, was da gemacht
werden soll, Compress bewerkstelligen soll, ob das etwas ist, was wir für
wichtig erachten oder nicht für wichtig erachten, auch - so schwer es fällt -
unabhängig davon, wer es macht. Ich verweise hier, um es nicht allzu lange
auszudehnen, auf den umfassenden Leistungskatalog, der vorliegt und sämtliche
Tätigkeiten sowohl dieses Head Office als auch der Verbindungs- und
Regionalbüros - so heißt das jetzt, glaube ich - widerspiegelt. Es ist, wie
gesagt, ein großes Für und Wider, und wir haben unsere Entscheidung durchaus
gründlich abgewogen.
Meine Damen und Herren! Wenn ich kurz über unsere
Europapolitik sprechen darf: Die FPÖ ist eine EU-kritische Partei. Wir haben
immer und als Einzige möglichst auch versucht, negative Seiten den Menschen mitzuteilen.
Wir waren gegen den Beitritt ohne Wenn und Aber, als Rot und Schwarz uns alles
Mögliche und Unmögliche versprochen haben.
Wir haben auf die Teuerung durch die Einführung des
Euros hingewiesen und haben Recht behalten. Wir haben immer schon gewarnt vor
dem EU-Bürokratismus, der alles regeln muss, der jede Vielfalt vereinheitlichen
muss, bis hin zur berühmten Gurkenkrümmung.
Wir lehnen den EU-Beitritt der Türkei ab, weil wir
der Meinung sind, dass die Türkei kein europäisches Land ist, dass Menschen-
und Minderheitenrechte nicht eingehalten werden und dass wir mit den
Außengrenzen bei einem Beitritt der Türkei direkt in die nichteuropäischen
Weltkrisenherde hineinstoßen.
Wir haben immer gesagt, dass Brüssel am Bürger vorbei
regiert und dass bei einem Zentralismus der Bürger auf der Strecke bleibt. Wir
haben jetzt bei der Verfassung gesehen, wie richtig wir liegen - denken wir an
Frankreich und die Niederlande! Wir wollen eine Volksabstimmung über die
EU-Verfassung auch in Österreich, damit nicht immer über die Köpfe der Menschen
hinweg etwas entschieden werden kann.
Wir wollen ein Europa der Vaterländer als Gegenpol
zum Brüsseler Zentralismus. Wir wollen natürlich auch, dass die Kommunen und
Regionen mehr Mitsprache haben. Wir wollen ein Subsidiaritätsprinzip, das
heißt, dass die Angelegenheiten der Kommunen und Regionen auch von diesen
entschieden werden können. Wir treten für positive Veränderungen in der EU in
Richtung von mehr Regionalisierung, Föderalismus und gerechter Lastenverteilung
ein.
Meine Damen und Herren! Die Stadt Wien hat frühzeitig
erkannt - das muss man leider zugeben, auch wenn es vielleicht schmerzlich ist
-, dass Netzwerke, internationale Netzwerke nicht nur auf Bundesebene, sondern
auch auf kommunaler und regionaler Ebene wichtig sind. Ich glaube persönlich,
dass Wien dadurch auch einen Vorsprung gegenüber Dienststellen auf der
Bundesebene hat.
Seien wir doch ehrlich: Niemand würde ernsthaft in
Frage stellen, ob Botschaften eine sinnlose Geldverschwendung sind, oder Verbindungsbeamte
des Innenministeriums wie zum Beispiel in Rumänien, oder Kulturattachés, oder
Sozialattachés. All diese Dinge sind unserer Ansicht nach in einer vernetzten
Welt im Sinne einer Umwegrentabilität immens wichtig und bedeuten sicher kein
hinausgeworfenes Geld. Oder beispielsweise auch Handelsdelegierte der
Wirtschaftskammer haben etwas für sich. Sie kosten auch Geld, sie haben ein
Büro, sie haben Mitarbeiter und sind trotzdem von ungeheurem Nutzen für die
österreichische Wirtschaft.
Meine Damen und Herren! Wenn Wien
solche Netzwerke auf kommunaler und regionaler Ebene aufbaut, ist es doch
keineswegs selbstverständlich, dass Wien sozusagen diese Vormachtstellung
aufgrund unserer geopolitischen Stellung und der Brückenkopffunktion behält.
Die Konkurrenz ist bekanntlich überall, und deswegen finde ich es besonders
merkwürdig, dass eine Europapartei ÖVP hier von kollektiver Geldverbrennung
spricht. Es sei mir gestattet zu sagen: Wenn das einzige Problem der ÖVP der
Sandstrand am Donaukanal ist, kann ich nur glauben, Sie brauchen irgendeinen
Platz, an dem Sie baden gehen können. (Heiterkeit.
- GR Dr Matthias Tschirf:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular