Gemeinderat,
57. Sitzung vom 28.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 116
als jene der Bundespolitik, obwohl es schwierig ist, diese überhaupt zu unterschreiten. Wenn wir uns die Studien anschauen, die gerade in letzter Zeit veröffentlicht wurden, zum Beispiel vom World Economic Forum, wonach Österreich bei der Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern an 28. Stelle, also unter den Schlusslichtern aller Industriestaaten steht, so ist das eigentlich ein beschämendes Zeugnis. Auch die Studien zum Kindergeld und zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zum Beispiel die Arbeiterkammer-Umfrage vom Mai oder auch die OECD-Studie von 2004, bescheinigen Österreich kein gutes Bild und zeigen, dass wir hier in Österreich weder von Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch von guten Wiedereinstiegsbedingungen für Frauen, noch von gleichen Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt sprechen können.
In Wien - das sage ich hier, weil wir uns darüber
freuen und das anerkennen - wird Frauenpolitik gemacht. Wien geht nicht in die
Falle, nicht den Weg, Frauenpolitik als Familienpolitik misszuverstehen. In
Wien setzt man zumindest verbal - auch das begrüßen wir - auf die ökonomische
Absicherung von Frauen, die Eigenständigkeit und die Selbstbestimmung. Wir
haben eine engagierte Stadträtin, eine junge Stadträtin, die hier auch
glaubwürdig wirkt und ist und mit hohem Engagement an die nicht einfache
Aufgabe der Frauenpolitik herangeht - denn Frauenpolitik ist immer auch
Widerstandspolitik. Das, denke ich, wissen alle Frauen auch von ihren eigenen
Fraktionen: Frauenpolitik ist niemals eine angenehme Aufgabe und keine leichte
Aufgabe.
An dieser Stelle kritisiere ich immer, wenn es um die
Budget- und die Rechnungsabschlussdebatte geht, das niedrige Budget der
MA 57, die für Frauenangelegenheiten zuständig ist. Knapp oder nicht
einmal 1 Prozent der gesamten Mittel der Stadt Wien stehen für
Frauenpolitik, für die MA 57 zur Verfügung. Wir freuen uns allerdings,
dass ein Antrag der GRÜNEN, ein langjähriges Bemühen der GRÜNEN nun erstmals
Früchte getragen hat, nämlich dass zum Beispiel die White Ribbon Kampagne, eine
Kampagne gegen Männergewalt, die traditionell immer aus dem Frauenbudget der
MA 57 bezahlt wurde, heuer erstmals aus dem allgemeinen Subventionstopf
der Stadt Wien bezahlt wird, weil hier offensichtlich unserer Argumentation
gefolgt wurde, dass der Kampf gegen Männergewalt ein gesamtgesellschaftliches
Anliegen und kein Frauenanliegen ist. (Beifall bei den GRÜNEN. – GR Godwin
Schuster: Das habt ihr "durchgesetzt"! – Ironische Heiterkeit bei GR
Godwin Schuster.)
Es geht auch in anderen Bereichen zäh, aber doch -
Frau Kollegin Korosec hat es gestern "Schlafwagenpolitik" genannt,
ich nenne es "Schneckentempo" - im Schneckentempo einiges weiter, wo
die GRÜNEN seit Jahren frauenpolitisch Motor sind, und zwar in den Bereichen
Gender Mainstreaming und Gender Budgeting. Ich freue mich, dass im letzten
Arbeitskreis "Frauen" - wo ein gutes Gesprächklima herrscht, das ich
auch anerkennend erwähnen möchte - ein Bericht über den Fortschritt der
Gender-Mainstreaming-Maßnahmen in den einzelnen Ressorts und Dienststellen
präsentiert wurde. Wir haben ja auf Antrag der GRÜNEN 2001 auch beschlossen,
dass Gender Mainstreaming in allen Politikbereichen der Stadt Wien, in allen
Ressorts und allen Bezirken umgesetzt werden soll, und verbindlich umgesetzt
werden soll.
Was wir vermissen, ist das, was Sie auch in Ihrem
100-Projekte-Zukunftsprogramm für Wien 2001 angekündigt haben, nämlich einen
jährlichen Fortschrittsbericht, was Gender Mainstreaming betrifft. Die
Diskussionen im Arbeitskreis "Frauen" sind zwar gut und wichtig, und
wir danken auch für die Zurverfügungstellung der Unterlagen in diesem
Arbeitskreis, aber ich denke, hier sollte man doch eine verbindlichere Form der
Berichterstattung wählen, damit auch breit darüber diskutiert werden kann.
Darauf bezieht sich mein erster Antrag, nämlich betreffend Erstellung eines
jährlichen Fortschrittsberichts Gender Mainstreaming:
„Der Gemeinderat beschließt die Erstellung eines
jährlichen Fortschrittsberichts Gender Mainstreaming unter Berücksichtigung der
einzelnen Ressorts und Abteilungen des Magistrats, der Unternehmungen der Stadt
Wien und der Wiener Bezirke.
In formeller Hinsicht beantrage ich die sofortige
Abstimmung dieses Antrags."
Ich denke, der positiven Erledigung dieses Antrags
dürfte nichts im Wege stehen, denn er entspricht auch Ihrem
100-Projekte-Programm für Wien, das Sie 2001 vorgestellt haben.
Ich möchte auf einen zweiten Punkt eingehen, wo die
Umsetzung in der Realität ein bisschen den Ankündigungen hinterherhinkt, und
dieser betrifft die auch von Klubobfrau Maria Vassilakou gestern schon
angesprochene Präsentation eines Wiener Frauenberichts. Ich denke, es wäre
höchst an der Zeit, diesen Wiener Frauenbericht, den wir ja beschlossen haben,
nun auch zu veröffentlichen. Aber vielleicht finden Sie ja gewichtige Gründe -
ich nehme an, Sie finden gewichtige Gründe -, das nicht zu tun, weil die Lage
der Frauen in Wien eben nicht ganz so rosig aussieht, wie Sie es immer - in den
mittlerweile auch Wahlreden - skizzieren.
Zum Beispiel die Frauenerwerbsquote, die in Wien
immer als sehr positiv dargestellt wird und tatsächlich auch über jener der
Bundesländer liegt, ist hauptsächlich auf den Anstieg von
Teilzeitbeschäftigungen und anderen atypischen Beschäftigungen zurückzuführen,
die für Frauen nicht existenzsichernd sind und aus grüner Sicht keine
Zukunftsjobs in diesem Bereich sind. Das heißt, die Frauenerwerbsquote ist für
uns in Wien keinesfalls eine zufriedenstellende, weil wir nicht nur auf die
Statistik schauen, sondern auch auf die Qualität der Arbeitsplätze.
Die
Frauenarmut steigt dramatisch. Die Zahl der Sozialhilfebezieherinnen ist seit
1999 um 200 Prozent - ich wiederhole es, um sich das auf der Zunge
zergehen zu lassen: 200 Prozent! - gestiegen. Immer mehr
Sozialhilfebezieherinnen sind atypisch Beschäftigte und neue Selbstständige.
Das heißt, wir haben auch in Wien, wie die Zahlen belegen, immer mehr so
genannte Working Poor, das heißt Menschen - Frauen in dem Sinn -, die
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