Gemeinderat,
57. Sitzung vom 27.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 136
Zentrale für 25 Länder aufgewertet.“ Diese Meldung gewinnt noch an Gewicht, wenn man weiß, dass der Be-trieb der Electrolux-Tochter AEG in Nürnberg jetzt von der Sperre bedroht ist.
Oder ein anderes Beispiel:
Der internationale Biotech-Konzern Biogen artic, der vergangene Woche eben in
Wien ein neues Büro eröffnet hat, wird seinen Standort in Wien nach
Ankündigungen des Europachefs weiter aufwerten.
Natürlich passen alle
durch solche Entwicklungen neu geschaffenen Arbeitsplätze nicht unbedingt in
das Bild der klassischen unselbstständig Berufstätigen und Erwerbstätigen,
sondern da sind sehr viele Beschäftigungsverhältnisse dabei, wo es um freie
Berufe geht, wo es um Selbstständige geht, wo es natürlich auch um geringfügige
Beschäftigung geht. Berücksichtigt man alle diese Beschäftigungsverhältnisse,
die hier in Wien existieren, dann haben wir in Wien heute nicht weniger
Beschäftigung sondern mehr Beschäftigung: Von 2000 auf 2004 ist die Zahl der
Beschäftigungsverhältnisse in Wien von 884 717 auf 897 934
gestiegen.
Ich habe das ja schon bei
der “Stern“-Broschüre gesagt, dass nie zuvor österreichische
Regierungspolitiker so gerne deutsche Zeitungen und Magazine zur Hand genommen
und daraus zitiert haben. Wir Wiener Regierungspolitiker sind da vielleicht
etwas gelassener als Schüssel und Co, weil wir schon seit langem mit
internationalem Medienlob verwöhnt werden und uns schon sehr lange auf
internationale Ranking-Ergebnisse stützen können. In der Tat gibt es permanent
internationale Ranking-Ergebnisse, die uns bestätigen, dass Wien als Lebensraum
und Wirtschaftsstandort Spitze ist. Das jüngste Ranking betrifft Wien als
Kongressstadt. Wien ist weltweit der zweitbeste Kongressstandort. Kongress- und
Tourismuswirtschaft sind für Wien mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor
und sie bringen Wirtschaftsförderung, Wirtschaftswachstum und auch
Arbeitsplätze. Es bedarf, glaube ich, nicht vieler Worte, um zu wissen, dass
der boomende Tourismus, die Kongresswirtschaft, die
West-Ost-Vermittlungsfunktion Wiens und überhaupt der Wirtschaftsstandort Wien
sehr wesentlich mit dem Flughafen Wien zu tun haben. Umso verblüffender ist es
für mich, dass sich die Wiener ÖVP von der Unterzeichnung des
Mediationsergebnisses einfach klanglos, wortlos verabschiedet hat. Das könnte
man vielleicht noch verblüfft zur Kenntnis nehmen, aber eigentlich halte ich es
für ein wirtschaftspolitisches Armutszeugnis, wenn die Wiener ÖVP vorschlägt,
den Wiener Flughafen ins Wein-viertel zu verlegen! Wir haben schon einmal einen
Vorschlag gehabt, dem man nicht wirklich etwas abgewinnen kann, nämlich ihn in
die ungarische Tiefebene zu verlegen. Aber dass es jetzt gerade die Wiener ÖVP
ist, die vorschlägt, den Flughafen ins Weinviertel zu verlegen, das halte ich
schon für eine tolle Extraleistung!
Ungeachtet des internationalen
Medienlobs für Wien und ungeachtet der permanent respektablen
Ranking-Ergebnisse haben wir uns in Wien nicht den Blick auf den
Handlungsbedarf verstellen lassen. Wir wollen wenigstens für Wien den Vorsprung
in der Produktivität, in der Innovation und beim hohen Ausbildungsniveau der
Arbeitskräfte auch in Zukunft sichern, weil wir wollen, dass Wien auch in
Zukunft zu den Top Ten der wirtschaftskräftigsten Regionen gehört. Dabei geht
es nicht nur um die Akademikerquote, es geht nicht nur um die Förderung von
Hochschulen statt Numerus clausus und es geht nicht nur um den Ausbau
berufsbildender mittlerer und höherer Schulen und um Fachhochschulförderung,
sondern es geht vor allem um eine zukunftsorientierte Facharbeiterausbildung
auf dem Boden der dualen, das heißt, betrieblichen Ausbildung. Daher können wir
uns mit der aktuellen Situation am Lehrlingsmarkt nicht abfinden. Wir haben in
enger Zusammenarbeit mit den Sozialarbeitern und den Schulbehörden Wiens
sichergestellt, dass in diesem Herbst jeder Jugendliche, der keine Lehrstelle
findet, in einem Ausbildungsprogramm untergebracht werden wird. Dafür wird die
Zahl der Ausbidungsplätze des Jugendausbildungssicherungsprogramms von
3 191 auf 3 326 aufgestockt. Ein Viertel dieser Kosten
trägt Wien. Darüber hinaus möchte ich bei dieser Gelegenheit dem
Wirtschaftsminister Bartenstein ein Angebot machen:
Erstens: Ich schlage vor,
in Wien im Rahmen der Jugendausbildungssicherung
1 000 Lehrlingsstiftungsplätze für Wiener Jugendliche einzurichten, also
die bestehenden zu verfünffachen! (Beifall bei der SPÖ.) Wir sind
bereit, uns an den dadurch ausgelösten Mehrausgaben zu einem Viertel zu
beteiligen.
Zweitens: Mit der Wiener Stadtwerke Holding ist
vereinbart, dass die Unternehmen der Holding über den eigenen Bedarf hinaus
40 Lehrlinge mehr aufnehmen, also statt 70 110. Derzeit werden im
Konzern 267 Lehrlinge in 12 verschiedenen Lehrberufen ausgebildet.
Drittens: Ich bin bereit und ich unterstütze den
Vorschlag, den Bundeswirtschaftskammerpräsident Leitl vor kurzem gemacht hat,
nämlich sich besonders auf Jugendliche zu konzentrieren, die langzeitarbeitslos
sind, die länger arbeitslos sind als sechs Monate. Es betrifft in Wien
500 Jugendliche und ich bin bereit, dieses Programm hier zu unterstützen,
allerdings unter der Voraussetzung, dass sich da auch die eigentliche Adresse
Leitls, nämlich der Bund, in Bewegung setzt.
Viertens: Ich ersuche den Bundeskanzler nachdrücklich
und dringend einzugreifen und zu verhindern, dass die Österreichischen Bundesbahnen
österreichweit nur noch 54 Lehrlinge aufnehmen. Gerade jetzt in einer derartigen
Situation am Lehrlingsmarkt die Zahl der Lehrlingsausbildungsplätze
österreichweit von 354 auf 54 zu reduzieren, ist ein feindseliger Akt gegen die
österreichische Jugend! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum
Schluss noch eine Bemerkung: Jedem Rechnungsabschluss folgt erfahrungsgemäß wie
das Amen im Gebet ein Budgetvoranschlag. In Wien war es immer so, dass jedem
Rechnungsabschluss, der gut war, ein noch besserer Budgetvoranschlag gefolgt
ist und daran wollen wir eigentlich nichts ändern. Allerdings liegt zwischen
dem Rechnungsabschluss und dem Voranschlag nur ein
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