Gemeinderat,
55. Sitzung vom 28.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 85
familienfreundliche
Arbeitsbedingungen anbieten und schaffen. Wie wir wissen, ist die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie eines der wichtigsten Themen unserer Zeit, und auf Grund
der Bevölkerungsentwicklung werden in naher Zukunft gerade Frauen die
Schlüsselarbeitskräfte von morgen werden. Die Alleinerzieherinnen und
Alleinerzieher haben es da besonders schwer.
Ich darf meinen Kollegen Harald
STEFAN von der FPÖ korrigieren: Laut einer Arbeiterkammerstudie waren es im
Jahre 2001 bereits 75 000 Alleinerzieherinnen und
Alleinerzieher; 85 Prozent davon Frauen. Bis zum Jahre 2030 werden
21 Prozent aller Familien in Wien Teilfamilien sein. Daher ist es auch
wichtig, die Interessensvertretungen der Wirtschaft zu gewinnen, um gemeinsam
Initiativen für die Förderung familienfreundlicher Betriebe zu setzen. Und da
ist auch die ÖVP gefordert.
Viele Betriebe in Österreich sind
schon Vorreiter. Das zeigt die Teilnahme am Audit "Frauen- und
familienfreundliche Betriebe", das auf eine Initiative des BMSG, des
Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen, gemacht wurde.
Diese Betriebe bieten bereits Kinderbetreuung, Betriebskindergärten,
Poollösungen, erweiterte Pflegefreistellung, Familienferien, Bügeldienste,
Einkaufsservice und vieles mehr. 5,6 Millionen EUR für
familienfreundliche Maßnahmen wurden durch die Bundesregierung bereits im
letzten Jahr zur Verfügung gestellt und 700 000 EUR für innovative
Kinderbetreuungseinrichtungen.
Was hat Niederösterreich,
was Wien nicht hat? Unter anderem die kostenlosen Kindergartenplätze. (GRin
Martina LUDWIG: Das stimmt nicht mehr!) Darüber hinaus hat das Land
Niederösterreich bereits 82 000 EUR
für familienfreundliche Betriebe zur Verfügung gestellt.
Daher mein Rat an die SPÖ: Eine Investition in die
Familie ist eine Investition in die Zukunft. Geht es den Familien gut, geht es
der Wirtschaft gut. (Beifall bei der
ÖVP.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Die Nächste auf meiner Rednerliste ist Frau GRin
Jerusalem. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Susanne Jerusalem
(Grüner Klub im Rathaus): Meine sehr
verehrten Damen und Herren!
Ich bin froh, dass das Thema Kindergarten heute auf
der Tagesordnung steht. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass wir vor allem jetzt
nach PISA, wo ja einige Fragen aufgeworfen wurden, darüber reden sollten, wie
eine Reform des Wiener Kindergartenwesens ausschauen sollte und woran es
eigentlich krankt. Daher zu einigen Punkten Anmerkungen meinerseits.
Wenn es heute in erster Linie einmal darum geht: Wie
teuer sind denn diese Kindergärten, und ist das nicht zu teuer, so stelle ich
fest, dass es zwar erfreulich ist, dass ein Drittel gar nichts zahlt – sehr gut
–, auch die Tatsache, dass es an sich eine soziale Staffelung gibt, ist gut.
Was schlecht ist, ist: Dieser Kindergarten ist zu teuer, und zwar ganz einfach
daran bemessen, dass sich viele Leute das nicht leisten können. Das heißt,
meiner Meinung nach verfehlt diese soziale Staffelung ihr eigentliches Ziel der
sozialen Gerechtigkeit ganz klar, und ich denke, auch diesbezüglich müsste
reformiert werden. Eine soziale Staffelung hat immer den Sinn und die Aufgabe,
sozial gerecht zu sein und leistbar zu bleiben. Ich denke, die Wiener
Sozialdemokraten sollten darüber nachdenken, da den Menschen ein bisschen
entgegenzukommen und eine soziale Gerechtigkeit tatsächlich herzustellen. – Das
ist das eine, aber wirklich nicht das einzige.
Mir ist es jetzt sehr wichtig, dass die anderen
Punkte ernst genommen werden. Denn wenn wir sagen – vor allem in Anbetracht der
PISA-Ergebnisse –, der Kindergarten ist die erste Bildungseinrichtung, in die
Kinder kommen, wenn sie erstmals von zu Hause weggehen, dann müssen wir über
die Gruppengröße reden. Jeder pädagogisch geschulte Mensch und jeder mit
einigem Hausverstand und jeder, der eigene Kinder hat, wird Ihnen sagen, diese
Gruppengröße ist ein Wahnsinn. Der Berufsverband der KindergartenpädagogInnen
sagt das seit Jahren, die Kinderfreunde sagen es Ihnen seit Jahren und alle
Studien sagen es, dass die Gruppengröße 15 eigentlich nicht überschreiten
sollte, und zwar nicht in der Betreuung einer Fachkraft, sondern 15 Kinder
mit zwei Pädagoginnen oder Pädagogen. Das wäre eine Idealzahl, und man sollte
zumindest von Seiten der Sozialdemokratie einmal sagen: Okay, auch wir kennen
und anerkennen diese Idealzahl, und dort wollen wir hin. Aber das sagt ja nicht
einmal jemand, sondern Sie sagen immer, so ist es in Wien und so ist es gut.
Und ich sage Ihnen: Sie haben in Wien zu große Gruppen, Sie haben zu wenige
PädagogInnen im Einsatz. Das ist nicht gut, und das gehört geändert. Das werden
wir immer und immer wieder sagen.
Ich bitte Sie auch, vielleicht auch einmal den
Fachleuten zuzuhören. Ich weiß schon, das sind dann immer die
Oppositionsparteien, und dann kommt dieses Parteienhickhack. Aber hören Sie dem
Berufsverband zu, hören Sie den Kinderfreunden zu und ziehen Sie Ihre
Konsequenzen.
Ein weiterer Punkt, der mir sehr, sehr am Herzen
liegt, ist die Raumgröße, nämlich jener Platz, der für die Kinder zur Verfügung
steht. Kinder brauchen Platz. Die bewegen sich, die rennen herum, die wollen
fröhlich sein, die brauchen Platz, die müssen sich bewegen. Das heißt, das
Platzangebot, das es derzeit in den Kindergärten gibt, ist zu gering. Dazu
einmal mehr von meiner Seite ein Zitat der Fachleute, noch einmal vielleicht
vom Berufsverband, aber durchaus auch von den Kinderfreunden, die sich da sehr
engagieren: Vier Quadratmeter pro Kind ist das mindeste, was wir zur Verfügung
stellen müssen. Darüber hinaus brauchen wir selbstverständlich auch mehr
Bewegungsräume. Zwei solche Kindergartengruppen brauchen einen zusätzlichen
Bewegungsraum, um tatsächlich genug Platz zu haben.
Abschließend und zusammenfassend, meine sehr geehrten
Damen und Herren: Ich sehe einen großen Reformbedarf, und ich denke, man sollte
sich von Seiten der Sozialdemokratie auch einmal hinsetzen und selbst diesen
Reformbedarf beim Namen nennen. – Danke. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
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