Gemeinderat,
54. Sitzung vom 01.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 67
internationalen Gruppierungen geben wir Geld, und zwar Vier-Jahresverträge. Die werden vier Jahre lang hier die Theaterlandschaft prägen!
Oder, und das ist sogar eine Rüge: „Ungenügend ist
das Niveau der Einreichung für inter-, multikulturelles und fremdsprachiges
Theater, das die Jury für besonders wichtig und förderungswürdig findet.“ - Ich
denke mir, eine Jury hat über die eingereichten Konzepte zu befinden, aber sie
hat hier keine kulturpolitischen Ziele zu artikulieren.
Oder - da geht es jetzt um die Privattheater, und ich
möchte nur bei meiner Linie bleiben - der theoretische Diskurs: „Im Bereich von
Theater und Performance sollte mehr fremdsprachiges und inter- und
multikulturelles Theater gefördert werden.“ - Es zieht sich also wie ein roter
Faden durch, dass selbstverständlich eine intensivere internationale
Verbreitung und Kommunikation zu beachten sei.
In meinen Augen ist das beinharte Kulturpolitik, und
das ist nicht die Aufgabe der Jury. Das waren jetzt nur Beispiele, die ich
Ihnen dafür gebracht habe, was diese Theaterjury eigentlich macht.
Jetzt könnte man noch immer sagen: Na gut, ich bin
zwar verantwortlich, könnte der Stadtrat sagen, weil ich ja diese
Zusammensetzung der Jury gutgeheißen habe. Es stimmt, wir sind aus dem Grund ausgeschieden,
weil sie uns zu einseitig war. Aber der Herr Stadtrat sagt auch, dass er
selbstverständlich diese Juryentscheidungen akzeptiert, und er sieht das als
wichtige Weichenstellung. Er nimmt das ernst, sieht das als Arbeitsauftrag und
will das umsetzen. Er sagt, er erwartet sich mehr Chancen für junge, innovative
Ideen. Ich sage, die werden nicht von Wien kommen können, unsere Künstler
werden nicht gefördert. Er sagt: Mehr Durchlässigkeit und mehr internationale
Vernetzung. Das stimmt, das ist etwas, was wir nur in der Folge als wichtig
erachten, aber als Erstes sollten unsere eigenen "Pflänzchen" einmal
gefördert werden.
Dann sagt er, es sei dies die umfassendste
Strukturreform in der Theatergeschichte Wiens. Das stimmt, sie ist sehr
umfassend, sie ist eine Weichenstellung. Sie ist eine Weichenstellung in eine
Richtung, die wir nicht gutheißen, denn der Reichtum, die Verschiedenartigkeit
und kulturelle Vielfalt werden dadurch nicht gefördert. Wenn ich
ausschließlich internationale Gruppierungen fördere, dann fördere ich das, was
es auch in Bochum, in Zürich, in New York gibt, aber nicht das, was typisch für
Wien ist. Das heißt, die kulturelle Vielfalt ist nicht gesichert.
Auf das Publikum mit den verschiedenen Ansprüchen
wird gar nicht eingegangen. Man geht auf ein Publikum ein, das man immer wieder
findet, aber man nimmt viel zu wenig Rücksicht auf die verschiedenen
Bedürfnisse des Publikums. Es ist in meinen Augen eine parteipolitische
Wertung. Man sagt, es gilt, erstarrte Strukturen aufzubrechen, das stimmt. Aber
unserer Meinung nach, unserer Wertung nach geht das in eine ideologisch falsche
Richtung.
Das heißt, in unseren Augen ist diese Reform
gescheitert, weil sie Traditionen zerschlägt, weil sie den Reichtum der Wiener
Theaterlandschaft zerschlägt. Das ist einer der Gründe, warum wir da nicht
mitstimmen können. Aber es sind heute mehrere Dinge zusammengekommen, warum wir
einen Großteil der Förderungen ablehnen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Herbert Madejski: Zu
Wort gemeldet ist Herr GR Woller. Ich erteile es ihm. (Auf der Galerie erhebt sich ein Mann und will mit einer Rede an den
Gemeinderat beginnen. – Eine Frau ruft mit großer Lautstärke eine Forderung.)
Bitte, es gibt von der Galerie aus keine
Wortmeldungen. Sie können normal zuhören, ansonsten muss ich die Galerie räumen
lassen. (Mehrere Menschen auf der Galerie schreien ihre Forderungen in den
Saal.) Falls Sie nicht aufhören, wird die Galerie geräumt. (Anhaltende lautstarke Rufe von der
Galerie.)
Ich unterbreche. – Bitte die Galerie räumen! (Tumultartige
Szenen auf der Galerie.) Bitte
die Galerie räumen! Bitte die Galerie räumen! Es gibt keine Wortmeldungen von
der Galerie. Sie können sich äußern, wo Sie wollen, aber nicht auf der Galerie.
Die Sitzung ist unterbrochen. Die Galerie wird
geräumt.
(Die
Sitzung wird für wenige Augenblicke unterbrochen. – Zwei Ordner versuchen, die
heftig protestierenden Ruhestörer zum Verlassen der Galerie zu bewegen. Zwei blumenstraußartige
Gebilde aus buntem Papier werden in den Sitzungssaal geworfen. Jener Mann, der
zuvor versucht hatte, eine Rede zu halten, wehrt sich vehement und wird
schließlich aus dem Raum getragen. – Einige Besucher, die mit der
randalierenden Gruppe offensichtlich nichts zu tun haben, verbleiben weiterhin
auf der Galerie.)
Die Galerie ist offensichtlich geräumt. Zutritt für
die, die hier gestört haben, wird es heute keinen mehr geben.
Damit nehme ich die Sitzung wieder auf und bitte
Herrn GR Woller um seine Ausführungen.
GR Ernst Woller (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Damen und
Herren! Heute wird hier eine Vielzahl von Beschlüssen zu Theaterförderungen
gefasst, unter anderem eine vierjährige Konzeptförderung für den Rabenhof. Der
Gemeinderat folgt damit einer Empfehlung der Jury, die den Rabenhof
vorgeschlagen hat für die Förderung von zeitgenössischem Boulevard mit
qualitativem Anspruch. Im Sinne des dramaturgischen Konzepts des Rabenhofs war
es natürlich konsequent, dass der Rabenhof sich bezüglich des Zuschlags als
Boulevardtheater selbst auf die Schaufel genommen hat und selbstironisierend
gemeint hat, wir sind die "Boulevardschlampen".
Ich gebe gerne zu, dass ich auch
gerne gutes und gescheites Boulevardtheater sehe, daher gehe ich auch so gerne
in den Rabenhof, ich gebe aber gleichzeitig auch zu bedenken, dass guter
Boulevard wahrscheinlich zu den großen Herausforderungen der darstellenden
Kunst zählt. So gesehen braucht man sich dafür nicht zu genieren, dazu kann ich
Thomas Gratzer und Roman
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular