Gemeinderat,
54. Sitzung vom 01.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 67
Sie haben noch fünf Sekunden.
GR Dipl Ing Martin Margulies (fortsetzend):
Glauben Sie tatsächlich, dass es für Wien eine richtige Vorgehensweise war,
die Cross-Border-Leasing-Geschichten zu machen oder werden Sie sich unserer
Forderung anschließen, mit dem Investor auch aus Steuergerechtigkeitsgründen
gegenüber der Bevölkerung der Vereinigten Staaten und in Österreich über eine
Rückabwicklung der Cross-Border-Leasing-Transaktionen aus dem Jahr 2003 zu
sprechen?
Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr Stadtrat.
VBgm Dr Sepp Rieder:
Herr Gemeinderat!
Ich kann Ihnen in keinem Punkt Ihrer Ausführungen
folgen und damit würde ich schon das Ergebnis der Beantwortung vorwegnehmen.
Aber gestatten Sie mir einige Bemerkungen:
Es ist für mich überraschend, dass die Wahrnehmung
einer gesetzlichen Regelung, wie sie im amerikanischen Steuerrecht bestanden
hat, die Wahrnehmung einer gesetzlichen Möglichkeit, eine Steuerhinterziehung
sein soll. Nach österreichischem allgemeinen Verständnis versteht man unter
einer Steuerhinterziehung die Verletzung einer Steuervorschrift und nicht die
Nutzung einer steuerrechtlich eingeräumten Möglichkeit. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Weil es ein Scheingeschäft war!)
Sie können mit mir nachher reden, aber Sie müssen
doch nicht jetzt in der Fragestunde die Beantwortung Ihrer Frage verhindern
wollen. (GR Dipl Ing Martin Margulies:
Spannender ist es hier vor Publikum!)
Vorsitzender GR Günther Reiter (unterbrechend):
Herr Vizebürgermeister, einen Moment.
Ich glaube, wir haben uns alle an die Spielregeln der
Geschäftsordnung zu halten. Ich habe Sie bei der 1. Frage und bei der 2. Frage
auch die vollen zwei Minuten ausnutzen lassen, Herr Kollege. Jetzt ist der Herr
Vizebürgermeister am Wort, nicht böse sein.
VBgm Dr Sepp Rieder (fortsetzend): Ich stehe nachher zu
einer Diskussion zur Verfügung, aber halten wir da die Spielregeln ein.
Der zweite Punkt ist, ich verstehe nicht, wie Sie
behaupten können, dass das, was geschehen ist, zu Lasten des Steuerzahlers in
Amerika gegangen ist. Denn es waren Steuerzahler, die die Möglichkeiten des
Cross-Border-Leasings genutzt haben. (Heiterkeit bei GR Dipl Ing Martin
Margulies.) Wenn man die Behauptung aufstellt, dass beispielweise eine
Steuerreform, die der Wirtschaft eine Möglichkeit begünstigt einräumt,
automatisch bedeutet, dass andere Steuerzahler das zahlen müssen, dann gilt das
für jede Frage einer Steuerreform. Dann müssen Sie zu diesem Prinzip stehen.
Also zu Lasten ist es der amerikanischen
Administration gegangen. Dass sich die Bush-Administration, die Geld gebraucht
hat, das natürlich auf Dauer nicht gefallen hat lassen, war naheliegend. Aber
zu sagen, was wir und viele andere auch getan haben, ist zu Lasten des armen
amerikanischen Steuerzahlers gegangen, ist wirklich lächerlich.
Dritter Punkt: Natürlich unterliegt jeder der abgeschlossenen
Verträge einer Überprüfung der amerikanischen Steuerbehörde, wie auch vorher,
und verlangt von uns die korrekteste Einhaltung des Vertrags, wie es auch auf
Seiten des amerikanischen Partners der korrektesten Einhaltung des Vertrags
verlangt. Wir werden unsere Verträge korrekt einhalten und daher nicht den
geringsten Anhaltspunkt bieten, dass es zu irgendeiner Veränderung kommt.
Ich wiederhole noch einmal, es gibt derzeit auch
keinen Ansatz zu sagen, es gibt eine erhöhte Absetzbewegung der amerikanischen
Investoren.
Vorsitzender GR Günther Reiter: Danke schön, Herr Vizebürgermeister.
Die 3. Anfrage (FSP - 01455-2005/0002 - KVP/GM)
wurde von Herrn GR Dr Matthias Tschirf gestellt und ist an den Herrn
Bürgermeister gerichtet: Wieso gelang es Ihnen nicht, das Pharmaunternehmen
Baxter für eine Ansiedelung am Standort Wien 19, Muthgasse, zu gewinnen?
Ich ersuche um Beantwortung.
Bgm Dr Michael Häupl:
Sehr geehrter Herr Klubobmann!
Angesichts des oft gehörten Satzes, auch hier von
Wirtschaftsliberalen, dass nicht der Staat oder die Stadt Arbeitsplätze
schaffen, sondern die Unternehmer, will ich, wiewohl mir das nicht zusteht, die
Frage insofern umformulieren, als ich sagen würde: Warum hat sich der
multinationale Konzern Baxter entschieden, dieses Projekt Muthgasse zu
verlassen? Denn ich habe nicht die Absicht, Ihnen jetzt die ganze Chronologie
der letzten fünf Jahre im Detail zu erläutern.
Es gibt entsprechende Beschlüsse, etwa des
Seniormanagements von Baxter, an diesem Forschungs- und Technologieprojekt in
der Muthgasse teilzunehmen. Es gibt einen Letter of Intent. Es gibt
Verhandlungen auch über Details der Planung mit Baxter. Das neue Management von
Baxter, das eingesetzt wurde, hat sich dann nach einer neuerlichen Durchrechnung
entschieden, diese Investition nicht zu tätigen. Das ist etwas, was man einem
Unternehmen auch zubilligen muss.
Es sind natürlich eine Reihe von Argumenten in diesem
Zusammenhang gekommen, wie etwa, dass die Stadt Wien insofern schlecht
verhandelt hätte, als sie den Mietpreis hinaufgetrieben hat. Ich darf darauf
verweisen, dass im Letter of Intent von 20 Dollar die Rede ist. Das letzte
Angebot waren 19,84 Dollar, also so gesehen auch unter jenem
Quadratmeterpreis gelegen, dem im Letter of Intent seitens Baxter zugestimmt
wurde.
Es sind auch die betriebsgemäßen Vereinbarungen über
Zu- und Abfahrten zu treffen gewesen. Was es an Diskussionen von unserer Seite
gegeben hat, war in erster Linie von dem Bemühen getragen, nicht gemäß dem
Wiener Dezentralisierungsgesetz die Kosten dafür dem Bezirk aufzuhalsen. Es
wäre gar keine Frage gewesen, dass es am Ende des Tages hier zu einer
entsprechend guten Lösung gekommen wäre.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Aussage des
Baxter-Vertreters hinweisen, der auch in den österreichischen Medien sagte:
„Wien hat alles getan, um Baxter für dieses Projekt endgültig zu
gewinnen."
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