Gemeinderat,
53. Sitzung vom 25.02.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 102
eingereicht werden, dass aber auf der anderen Seite die alten Strukturen nicht in der Lage waren, auf diese neuen Projekte einzugehen, weil einerseits die dafür notwendigen Mittel schon gebunden waren und auch das Vergabesystem in Wirklichkeit kein optimales war und wir auf der anderen Seite - und das ist, glaube ich, unabhängig von der Politik und davon, wer gerade regiert - schon seit Jahren mit sinkenden Besucherzahlen im Theater, vor allem im Sprechtheaterbereich, konfrontiert sind. Ich glaube auch, dass diese ursprüngliche sehr straffe Trennung zwischen Sprechtheater und anderen Formen der Darstellenden Kunst nicht mehr geeignet war, die notwendige Flexibilität aufzuweisen, wenn jemand zum Beispiel ein so genanntes Crossover-Projekt gemacht hat und dann von einem Bereich zum anderen geschickt wurde. Und ich sage auch ganz offen, dass die Qualität der Theateraufführungen im Schnitt sicher steigerbar ist – was nicht heißt, dass nicht einzelne Häuser oder einzelne Produktionen immer wieder herausragend waren.
All diese Probleme bestanden aber - und das sage ich
hier auch sehr offen - bei einem sehr hohen Mitteleinsatz. Es gibt sicher keine
Stadt in Europa, die in Relation zur Bevölkerungszahl derart viel Geld in die
Theater investiert. Ich stehe auch dazu, aber nur die Forderung zu stellen,
alle Probleme des Theaters dadurch zu lösen, dass man einfach konsequent jedes
Jahr das Theaterbudget um 10 Prozent erhöht, kann nicht der Weisheit letzter
Schluss sein.
Als wir selbst als Volkspartei die Verantwortung für
das Kulturressort innehatten - diese Entwicklung gab es ja schon damals -,
haben wir versucht, durch einige Maßnahmen einmal Lösungsansätze dafür zu
finden. Das Erste war der Theaterdienstag, der dazu gedient hat, mehr Menschen
in die Theater zu bringen. Weiters gab es die Idee oder die Erfindung des
Nestroy-Preises, die sich, glaube ich, auch sehr bewährt hat, wie
wahrscheinlich jeder, der dort einmal im Jahr bei der Gala anwesend ist,
bestätigen wird. Manches ist gelungener, manches weniger gelungen, mancher
Gastredner gefällt mir besser, mancher gefällt mir weniger, aber in Summe ist
es so, dass jeder, der dort ist, dann doch das Gefühl hat: Eigentlich tut es
mir Leid, dass ich die eine oder andere Produktion nicht gesehen habe. Und das
ist ja der Sinn des Nestroy-Preises, nämlich Lust aufs Theater zu machen. Und
das Dritte war die Idee der Dreijahresverträge, um in diesem Bereich eine
Kontinuität und bessere Produktionsbedingungen für die Künstler zu schaffen.
Worum es aber jetzt geht, ist, die Theaterlandschaft
wirklich fit zu machen, weil die Konkurrenz - das muss man sehr ehrlich sagen -
durch Film, durch Events, durch die gesamte Unterhaltungskultur natürlich eine
enorme ist. Und wenn man, wie wir, im Bereich der Theater die
Dreijahresverträge initiiert hat, dann muss man konsequenterweise auch dazu
stehen und sagen: Irgendwann einmal muss der Punkt kommen, an dem die
Theaterverträge auch evaluiert werden.
Aus der Vielzahl dieser Überlegungen haben wir uns
entschieden, diese Theaterreform zu unterstützen und das Angebot, das der Herr
Stadtrat uns gestellt hat, da in einen Dialog einzutreten, einmal anzunehmen.
Es ist mir dabei sehr wichtig, in Richtung der Künstler zu sagen, dass sie die
Kultursprecher der Parteien nicht als ihre Feinde sehen sollen, sondern ganz im
Gegenteil: Wir handeln deshalb jetzt schon, weil wir genau wissen: Wenn sich
einmal die Finanzpolitiker, und zwar quer durch alle Parteien, mit dieser
Thematik auseinander setzen, die du auch angesprochen hast - mit
Besucherzahlen, die nicht transparent sind, und so weiter -, dann wird es uns
so gehen wie in Deutschland. Jeder kann sich die Situation in Deutschland
anschauen, wo man eben nicht rechtzeitig gehandelt hat - und ich war gerade
gestern in Berlin, wo eine rot-rote, nämlich eine SPD-PDS-Regierung regiert -:
In Deutschland, und gerade in Berlin, werden Theater geschlossen! (Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Vorher waren es andere!) - Jetzt reden wir einmal darüber, wie es ist! Sie
sehnen sich offensichtlich sowohl in Wien als auch in Deutschland nach alten
Zeiten, denn Sie reden immer nur von Marboe, und in Deutschland reden Sie
offensichtlich auch von der großen Ära des Bürgermeisters Diepgen, die ja eine
gute war. (Zwischenruf von GR Christian Oxonitsch.)
Das Theater von Claus Peymann, der ja in Österreich
eher als revolutionär gegolten hat, gilt dort als Operntheater, aber
interessanterweise ist seine Bühne eine der bestbesuchtesten. Und die Versuche,
die es in Deutschland gibt, irgendwie mit neuen Medien zu konkurrieren - also
Schiebebühne, keine Bühne, Videowall und so weiter - sind zwar kurzfristige
Attraktivierungen für das Theater, aber das ist nicht das, was Theater
eigentlich ursprünglich ausmacht.
Wie kann man jetzt so eine Theatersituation angehen,
wenn man weiß, dass sich der Druck auf die Theater in Zukunft eher erhöhen
wird? – Nun, das eine ist - Marie Ringler hat es angesprochen - das Modell
Kunsthalle. Also ich kann einfach Tickets, die verschenkt wurden an Besucher,
die dann trotz der verschenkten Tickets nicht in eine Kulturinstitution gehen,
zu Besuchern erklären und sozusagen die Kreativität in die Verschönerung der
Besucherstatistik lenken, statt sie in die Attraktivierung des Standards zu
investieren.
Lieber Herr Stadtrat, Sie haben gesagt, Sie werden
keine Konsequenz aus dem Rechnungshofbericht ziehen. Das verstehe ich aus Ihrer
Sicht nicht: In Ihrem Kunst- und Kulturbericht der Stadt Wien stehen falsche
Zahlen drinnen! Und dort hat nicht Herr Matt unterschrieben, sondern dort haben
Sie unterschrieben - und in diesem Bericht steht eindeutig
"Besucherzahlen" und nicht "Tickets"! Das ist an sich ein
Skandal, den man nicht akzeptieren kann. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Matt, den Sie ja sehr
schätzen und der Sie sehr schätzt, sagte in diesem
"profil"-Interview, in dem er Sie lobt als einen der besten oder der
strahlendsten Stadträte für Kultur in der Geschichte dieser Stadt, in Richtung
Mailath-Pokorny: „Ich wünsche ihm noch mehr Kraft bei seinen Anstrengungen,
einen Gegenentwurf zur
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