Gemeinderat,
4. Sitzung vom 14.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 119
dürfte, weil das eine Verhöhnung der Zigtausend Opfer
des Nationalsozialismus wäre, die möglicherweise dann nach Österreich... (Zwischenruf
von GR Mag Wolfgang Jung.)
Wir wissen, dass sich in Tschechien sehr viel geändert hat. Wir wissen,
dass sich in Österreich sehr viel geändert hat. Und ich hoffe, dass die
Tschechen als kulturellen Beitrag ebenso in Anspruch nehmen dürfen, dass Mozart
in der tschechischen Stadt Prag weilte, denn sonst müssten wir uns tatsächlich
einmal ein bisschen schwerer tun damit, Mozart überhaupt als Österreicher zu
feiern, denn wie ich mich erinnern kann, befand sich Salzburg zur Zeit Mozarts
nicht innerhalb der Grenzen Österreichs. – So viel zur Kulturbeflissenheit.
Nichtsdestoweniger ist es prinzipiell eine an
Unanständigkeit und Unappetitlichkeit nicht zu überbietende Tatsache, wenn eine
harmlose Werbung der tschechischen Tourismusbehörde dafür verwendet wird, einen
Zusammenhang mit den Sudetendeutschen herzustellen, und zwar unter Ausblendung
der gesamten Geschichte, die zur Situation der Sudetendeutschen geführt hat. (GR Heinz-Christian Strache: Rechtfertigen
Sie jetzt die Vertreibung und den Mord?)
Um den Skandal wirklich weiter augenscheinlich zu
machen: „Diese Werbekampagne verhöhne die Opfer des tschechischen Massenmordes
an Zigtausenden Sudetendeutschen und versuche dabei zu suggerieren, dass
’Tschechien’ schon immer auf dem jetzigen Territorium bestanden hatte.“ So wie
wahrscheinlich jedes andere Land in Europa schon immer in den Grenzen existiert
hat, wie es heute der Fall ist. – Herzog setzt fort: „Das ist nachweislich
nicht der Fall, und er, Herzog, verwahre sich auf das Schärfste gegen diese
Form der Geschichtsfälschung.“ (Zwischenruf
von GR Christian Oxonitsch.)
Entschuldigung! Es tut mir Leid. Ein bisschen
Bildungsniveau hätte ich ehemaligen Stadträten der FPÖ schon zugetraut! Es ist
eigentlich unglaublich! (GR
Heinz-Christian Strache: Warum regen Sie sich so auf?)
Ich zitiere schon wieder: „Es sei eine Verhöhnung der
Opfer und inakzeptabel, dass heute, rund 50 Jahre nach den
Vertreibungsprogromen“ – ich habe es jetzt richtig vorgelesen, da steht
Progrom – „der Tschechen an der volksdeutschen Gruppe ein solcher Akt der
Verspottung stattfinde, so Herzog abschließend.“ – Mozart war in Prag. Das
sei eine Verspottung der Vertreibung der Sudetendeutschen. Das ist unglaublich!
Herr Strache! Noch eine andere Geschichte, zum
“Systempolitiker“. Deshalb habe ich den Computer mitgenommen. Ich habe in
google.at den Begriff “Systempolitiker“ eingegeben, und ich lese Ihnen jetzt
vor, von wem die ersten Einträge sind: “Nationaljournal BRD-Patriotismus“,
“Jugendwacht der deutschen Weltanschauung“, “Politikarena“, “Holger-Apfel-NPD“,
“Junge Nationaldemokraten“ und so weiter und so fort.
In dieser Gesellschaft befinden Sie sich bewusst! Sie
haben es bis heute nicht geschafft, sich vom Nationalsozialismus abzugrenzen,
und es ist bedauerlich, dass Sie den Einzug in den Gemeinderat geschafft
haben. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN und bei Gemeinderäten der SPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zu
einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr GR Strache.
GR Heinz-Christian Strache (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Ich bringe eine tatsächliche Berichtigung:
Selbstverständlich hat die FPÖ keine Nähe zum
Nationalsozialismus und hat sich auch immer von diesem totalitären Regime
abgegrenzt. Das halte ich hier in aller Deutlichkeit fest. Sie sind hier
letztlich wieder einer Denunziation anheim gefallen, und das rechtfertigt
letztlich auch, warum wir gerade diesem Akt nicht zustimmen: Denn das, was Sie
heute gelebt haben, ist Denunziation im schlechtesten Sinn, wie es sie leider
Gottes in dieser Republik gibt. Das ist das Traurige.
Der Wiener
Wähler hat – das zur tatsächlichen Berichtigung – gezeigt, dass er
solchen Denunziationen nicht aufsitzt, und deshalb sitzen wir heute auch hier
mit 15 Prozent in diesem Hohen Haus. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Mir ist
nun keine Wortmeldung mehr gemeldet.
Der Berichterstatter hat das Schlusswort.
Berichterstatter GR Dr Michael LUDWIG:
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Der vorliegende Akt beschäftigt sich mit der Stiftung
des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes. Dieses wichtige
wissenschaftliche Archiv wird sich auf Grund der Subvention, die wir heute
beschließen, in den nächsten Monaten und wahrscheinlich auch Jahren mit der
namentlichen Erfassung der österreichischen Holocaust-Opfer sowie der Opfer
politischer Verfolgung in der Zeit von 1938 bis 1945 beschäftigen.
Das sind gerade jene Personengruppen, die gezeigt
haben, wie wichtig es ist, sich für die Freiheit unseres Landes einzusetzen,
die mit ihrem Leben dafür eingestanden sind und die sich auch für den Frieden
eingesetzt haben. Man kann viel über die Europäische Union sagen, es ist aber
sicherlich auch mit der Europäischen Union ein Friedensprojekt gelungen, das
verhindert, dass nationale Vorurteile und Ressentiments gepflegt werden und
dass es auf unserem Kontinent Kriege gibt. Und Kriege haben im
20. Jahrhundert nicht nur Morde, sondern auch Vertreibungen mit sich
gebracht.
Wenn man darüber spricht, dass es in diesem Europa
nationale Grenzen gegeben hat und gibt, dann sollte auch erwähnt werden, dass
diese nationalen Grenzen in sehr unterschiedlicher Art und Weise angelegt
waren. So waren etwa zur Zeit Mozarts – weil das als Beispiel gebracht
wurde – die nationalen Grenzen sehr unterschiedlich. Mozart wäre von
Geburt tatsächlich kein Österreicher gewesen, sondern damals war er als
Salzburger in einem eigenen Land.
Das zeigt, wie relativ nationale Grenzen in der
Geschichte Europas waren, das zeigt aber auch, wie nationale Grenzen
instrumentalisiert wurden, um Hass, Missgunst, Kriege und Konflikte auf unserem
Kontinent zu verursachen.
Ich denke, dass gerade diese Diskussion sehr
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