Gemeinderat,
4. Sitzung vom 14.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 41 von 119
mich zu Wort, um der ÖVP die Notwendigkeit einer tatsächlichen
Berichtigung zu ersparen.
Meine Informationen haben ergeben, dass Sie sehr wohl
zugestimmt haben für die Ausstellung. Umso größer ist mein Unverständnis, dass
Sie dem jetzt nicht zustimmen können. Offensichtlich war das damals im
Frühling, als es mit dem Andreas Salcher noch einen ein bisserl liberaleren
Geist gegeben hat. Der ist verflogen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Umso
mehr bleibt es unverständlich. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Jetzt,
meine Damen und Herren, ist aber die Debatte geschlossen.
Der Herr Berichterstatter hat das Schlusswort.
Berichterstatter GR Petr Baxant: Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat!
Ich bin hier Berichterstatter – leider, muss ich
jetzt sagen –, das heißt, ich habe sachlich zu bleiben. Trotzdem möchte ich
zwei Sachen sagen. In Richtung FPÖ, in Richtung Herrn Stefan: Ich hoffe, dass
Sie wissen, was ich persönlich von Ihren Vorstellungen in der Kulturpolitik
halte. Und zur ÖVP: Frau Ekici, ich stelle fest, Sie stimmen hier gegen die
Interessen von Menschen in Wien mit ausländischer Herkunft und gehe davon aus,
dass meine Kolleginnen und Kollegen Omar Al-Rawi, Nurten Yilmaz und Anica
Matzka-Dojder das auch dementsprechend kommunizieren werden. (GRin Mag
Sirvan Ekici: Wir auch! Wir werden das auch kommunizieren.)
Ich denke, es ist jetzt noch einmal wichtig, der
Sache auf den Grund zu gehen. Was heißt interkulturelle Arbeit in Wien?
Interkulturelle Arbeit ist keine Einbahnstraße: In Wien wird kulturelle Arbeit
nicht nur als Angelegenheit von Ausländerinnen und Ausländern gesehen, sondern
als gesamtgesellschaftliche Angelegenheit. Die Realität in Gesamtösterreich
schaut so aus, dass in den letzten 40 Jahren an die
900 000 Menschen die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen
haben. Die Realität in Wien schaut so aus, dass 40 Prozent der Bevölkerung
einen Migrationshintergrund haben. Der ehemalige Kulturstadtrat Marboe hat
einmal gesagt, Wien ist nicht die Welt, aber die Welt ist Wien. Und ich denke,
das ist richtig.
Im Budgetposten interkulturelle Aktivitäten werden im
Jahr 2006 insgesamt 208 Projekte, Initiativen und Vereine unterstützt und
davon insgesamt 20 mit einer Jahresförderung. Dahinter stehen Tausende von
Menschen, denen es wichtig ist, ihre Herkunftskultur, die mittlerweile ja zur
österreichischen, zur Wiener Kultur geworden ist, zu präsentieren.
Worauf es bei der interkulturellen Arbeit ankommt,
ist, die Spannung zwischen den Kulturen hervorzuheben und zu thematisieren. Die
Initiativen haben einen zwischenkulturellen Inhalt aufzuweisen. Dafür haben wir
ein großes Reservoir, und das ist auch gut so, denke ich.
Nur ein paar Beispiele: Jährlich findet in der
Stadthalle das afrikanische Kulturfest statt. Da wird der Kulturraum Afrika,
der Kontinent Afrika präsentiert. Es treten afrikanische Wienerinnen und Wiener
auf, und Künstler und fast die Hälfte des Publikums sind Wienerinnen und Wiener
aus allen Herkunftsländern.
Oder das Klezmer Festival, das auch extrem
interessant und eine Bereicherung für unsere Stadt ist.
Oder das Festival Salam Orient, bei dem Wiener
Künstlerinnen und Künstler aus allen möglichen Kontinenten unserer Welt
auftreten.
Oder das Balkanfestival. Der Balkan ist ja der Vorhof
zu Europa, und aus dieser Region kommt ja der Großteil der Wienerinnen und
Wiener mit Migrantenhintergrund.
Aber die interkulturelle Arbeit in Wien besteht auch
aus Auslandsaktivitäten, weil wir nämlich wissen – und das entspricht ja dem
Wesen der Migrationsgeschichte –, dass Wien nicht nur eine Einwanderungsstadt,
sondern auch eine Auswanderungsstadt ist. Und dem entsprechen wir auch in
unserer interkulturellen Arbeit.
So wurden zum Beispiel letztes Jahr in Albanien in
drei Städten Wiener Lieder präsentiert.
Weiters wurde Wiener Klezmer-Musik – und Wien ist ja
eines der Zentren von Klezmer-Musik – in drei verschiedenen Städten in
Argentinien präsentiert.
Oder klassische Musik in Ephesos in der Türkei. Wir
wissen ja alle, dass in Ephesos vor allem österreichische Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen daran beteiligt sind, archäologische Studien und
Ausgrabungen voranzutreiben. Deswegen haben wir als Wien dort die Ehre gehabt,
das Ephesos-Festival mit Strauß zu eröffnen.
Oder das Strauß-Konzert in Kasachstan in Alma Ata, das
sehr erfolgreich und eine gute Wien-Werbung war.
Das heißt, meine Damen und Herren, die Wiener
Kulturpolitik ist sehr realitätsnah, sie ist am Puls der Zeit, sie holt die
Welt nach Wien und deswegen ist Wien Weltstadt. Damit es so bleibt, bitte ich
Sie um Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Laut
§ 20 Abs 3 hat sich Dr Tschirf zur Geschäftsordnung gemeldet. – Bitte
schön. Redezeit: Fünf Minuten.
GR Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Meine
sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben jetzt einen Missbrauch der Tätigkeit des
Berichterstatters festgestellt. (GR
Godwin Schuster: Na bitte! – GR Mag Andreas Schieder: Nein, wirklich nicht!)
Der Berichterstatter hat nichts anderes getan, als seine Möglichkeiten, die er
eigentlich hat, zu missbrauchen. Er hat nämlich polemisiert gegen eine
Gemeinderätin, hat ihr Dinge unterstellt. Das steht ihm als Berichterstatter
nicht zu. Zu sagen... (GR Godwin Schuster: Wenn jemand was unterstellt hat,
dann sie! Sie hat kein einziges Beispiel auf den Tisch gelegt!) Kollege Schuster, Sie sind lange
genug Mitglied dieses Hauses, um zu wissen, dass es einen Unterschied gibt
zwischen der Tätigkeit als Berichterstatter und der Tätigkeit als Redner. (GR
Godwin Schuster: Genau das ist es!)
Wenn die SPÖ nicht imstande ist, das zu erkennen,
dann ist das offensichtlich Ihr Demokratieverständnis, Ihr
Demokratieverständnis, dass Sie nicht wissen, was ein Berichterstatter ist. (GR Godwin Schuster: Nennen Sie ein
Beispiel!) Sie lassen offensichtlich einen anderen nicht einmal reden.
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