Gemeinderat,
3. Sitzung vom 13.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 80
Integrationsvertrag teilgenommen. Auch die jetzigen Neuerungen bilden bei den Deutschkursen eine Mogelpackung, weil einfach nicht ausreichend Deutschkurse vom Bund angeboten werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wichtig uns eine
erfolgreiche Zuwanderungspolitik ist, beweist allein die Tatsache, dass wir
eine Stadträtin haben, die dafür zuständig ist. Das beweist auch die Gründung
der MA 17, der Magistratsabteilung für Integrations- und Diversitätsangelegenheiten.
Damit ist erstmals eine eigene Magistratsabteilung geschaffen worden, die sich
der Durchdringung des Integrationsgedankens in allen Bereichen der
Stadtverwaltung widmet.
Sehr geehrte Damen und Herren! Diversitätspolitik ist
nicht gleich Integrationspolitik. Denn für Integration sind grundsätzlich alle,
sie meinen damit aber ganz verschiedene Dinge. Für viele heißt Integration
Anpassung und Assimilation, für andere heißt es ein bloßes Nebeneinander, für
Dritte wiederum heißt es Bereicherung durch Vielfalt. Diversität bedeutet
Vielfalt; Diversitätspolitik, Diversitätsmanagement ist also ein Ansatz, der
von den vielen Verschiedenheiten ausgeht, ohne die Einheit aus den Augen zu
verlieren. Er sieht Vielfalt als Bereicherung und als Chance, aber er verkennt
nicht, dass diese Vielfalt auch Risken in sich trägt und daher Management
erfordert, um den Nutzen zu maximieren und die Risken zu minimieren.
Im Diversitätsgedanken geht es letztlich um ein
verändertes Selbstverständnis der Stadt selbst. Die Frage heißt: Was ist Wien?
Wer ist ein echter Wiener? Wer ist eine echte Wienerin? Bleiben MigrantInnen
AusländerInnen, auch wenn sie Jahrzehnte in Wien leben und die
Staatsbürgerschaft angenommen haben? Kann es eine echte Österreicherin mit
schwarzer Hautfarbe geben? - Das sind die Themen, um die es im Kern der
Diversitätspolitik geht.
In den klassischen Einwanderungsländern USA und
Kanada werden diese Frage mit einem ganz klaren Ja beantwortet. In Österreich,
das die Regierungsmehrheit trotz ständiger Einwanderung nicht als
Einwanderungsland sehen will, bestehen noch viele Hürden. Wer sich aber der
Realität nicht verweigern will, sehr geehrte Damen und Herren, muss erkennen,
dass der einzig vernünftige Weg über eine Diversitätspolitik führt. (Beifall
bei der SPÖ.)
Wenn die Stadt, wenn die Verwaltung, wenn der Staat
Zuwanderer als Bürger sieht, dann ist das ein tägliches Zeichen der
Wertschätzung und des Respekts, einer Wertschätzung, die wiederum zu einer noch
engeren Bindung der Zuwanderer an Wien und Österreich führt. Viele positive
Rückkoppelungen für das soziale Gefüge sind die logische Folge.
Die klassische Integrationspolitik ist eine
spezifische Politik für ZuwanderInnen. Sie will deren gesellschaftliche Eingliederung
erleichtern und bietet daher zum Beispiel Beratung und Sprachkurse, wie es der
Wiener Integrationsfonds viele Jahre lang erfolgreich getan hat. Solche
Maßnahmen waren sehr erfolgreich und sind weiter notwendig. Der Nachteil dieses
Ansatzes heißt aber: MigrantInnen werden zu einer Zielgruppe, der bei der
Überwindung eines Defizits geholfen werden muss. Ohne es zu wollen, hat eine
solche Politik immer auch einen stigmatisierenden Effekt. Sie will das Beste
für die Benachteiligten, doch es gelingt ihr nicht, in MigrantInnen zunächst
einmal auf selbstverständliche Weise normale BürgerInnen zu sehen.
Diversitätspolitik leugnet nicht, dass es
Benachteiligungen für ZuwanderInnen gibt. Sehr wohl verzichtet
Diversitätspolitik jedoch darauf, ZuwanderInnen von vornherein als
Problemgruppe zu definieren und ihnen Eigeninitiative sowie
Verantwortungsbewusstsein abzusprechen. Natürlich geht das nicht von heute auf
morgen. Gut Ding braucht Weile, und zum Glück können wir auf einer soliden
Basis aufbauen. Viele erfolgreiche Jahre Integrationspolitik haben dafür
gesorgt.
Wer die Augen aufmacht, kommt zu dem Schluss, dass
die Situation in Wien einzigartig ist. Die Zuwanderungsrate in Wien ist hoch,
und trotzdem funktioniert das Zusammenleben. Zustände wie in Pariser Vororten
sind bei uns undenkbar, meine Damen und Herren! Gegenden, in die man aus
Sicherheitsgründen besser nicht geht, gibt es in Wien nicht. Das alles ist
Ausdruck des Erfolges der Bemühungen Wiens um das Miteinander der Kulturen. (Beifall
bei der SPÖ.)
In Wien haben heute rund 25
bis 30 Prozent der Wiener Wohnbevölkerung einen Migrationshintergrund. Die
meisten ZuwanderInnen, auch ohne österreichische Staatsbürgerschaft, sind schon
mindestens 10 bis 20 Jahre hier, oft in der zweiten und dritten Generation.
Aber auch die Herkunftsregionen ändern sich, bereits 40 Prozent der
ausländischen Staatsangehörigen stammen nicht aus den klassischen
Gastarbeiterländern des ehemaligen Jugoslawiens oder der Türkei.
Für den sozialen
Zusammenhalt der Stadtgesellschaft ist es unerlässlich, dass sich Politik und
Verwaltung darauf einstellen. Menschen mit Migrationshintergrund sind keine
extra zu betreuende Gruppe, sondern gleich wichtige KundInnen der städtischen
Dienstleistungen. Ihre Bedürfnisse müssen daher ebenso ernst genommen werden
wie die der Alteingesessenen. Dies wird umso besser gelingen, je mehr auch die
städtische Verwaltung in ihrer Zusammensetzung ein Spiegelbild der Bevölkerung
ist.
Wir nehmen diese Aufgaben
der Integrations- und Diversitätspolitik sehr ernst. Deshalb wird das Budget
2006 für Integrations- und Diversitätsmaßnahmen um 21 Prozent erhöht. Vor
allem private Vereine zur Sprachförderung und Bildungsförderung erhalten mehr
Unterstützung als bisher.
Sehr geehrte Damen und
Herren! Wien übernimmt auch Aufgaben des Bundes. Wo der Bund versagt, springt
Wien ein, zum Beispiel im Unterrichtswesen. Wir haben des Öfteren gehört, dass
in Wien an die 700 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Trotz der desaströsen
Ergebnisse der PISA-Studie spart die Bundesregierung gerade bei der Investition
in unsere Zukunft.
Wien ist anders - ja,
das stimmt! Seit dem Schuljahr 1996/1997 sind in Wien vorschulische
Vorlaufgruppen
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