Gemeinderat,
50. Sitzung vom 24.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 87
wieder die Geringschätzung, die hier teilweise zum
Ausdruck gebracht wird (GR Dr Herbert Madejski: Das war nicht
Geringschätzung!), die unter anderem zum Beispiel auch dadurch zum Ausdruck
gebracht wird - von wegen Diskussionskultur -, dass die FPÖ hier Anträge
einbringt, die niemand von einer anderen Fraktion hier im Haus vorher zu
Gesicht bekommen hat. Auch nicht kurz vor dem Einbringen wurde eine Kopie
hingelegt, wir kennen die zwei Anträge nicht einmal, die Sie eingebracht haben.
Wenn man sich erwartet, dass andere zustimmen, dann sollte man es den anderen
wenigstens vorher zeigen. Anscheinend ist das nur ein billiger, polemischer
Versuch mit einem Show-Effekt; aber der Show-Gehalt ist relativ gering, wenn
Madejski zwei Zettel nach hinten reicht.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, das ist keine Art, wenn
man zusammenarbeitet. Man hat das auch schon oft diskutiert, und ich möchte das
wirklich sagen, dass es absolut keine Art ist, hier irgendwelche Anträge so
einzubringen. Da braucht man sich dann auch nicht zu erwarten, dass irgendwer
Sie ernst nimmt, nämlich weder die Anträge noch generell Ihre Politikansätze. (Beifall bei der SPÖ.)
Visionen, Strategien, Leitbilder: Ich möchte betonen,
der Strategieplan ist auf seinen 150 Seiten voll von Visionen, Ideen und
Leitbildern, aber auch von den Handlungsspielräumen und den Problemfeldern, in
denen wir uns befinden. Ich für mich würde ihn so zusammenfassen, dass ich
sage: Er ist unser Leitgedanke, unser Leitbild einer generell integrierten
Gesellschaft, in der es eben kein Auseinanderdriften gibt oder in der versucht
wird, das Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern, sowohl im Sozialen
als auch im Wirtschaftlichen, sowohl im Kulturellen als auch in der räumlichen
Ausprägung. Es ist sowohl der Strategieplan als auch die Politik der Stadt der
Versuch, dem Laisser-faire-Zugang, dass man ohnehin nichts ändern kann,
irgendwie doch etwas entgegenzusetzen und hiefür auch Ansätze zu finden.
Aber selbstverständlich ist ein Strategieplan kein
Bruch, sondern viele Ideen waren ja auch schon vorher Ideen der
sozialdemokratisch gefärbten Stadtpolitik, und ebenso der Stadtpolitik, als
noch der erste Strategieplan unter Bernhard Görg entwickelt wurde. So gesehen,
kann man hier auch, wie Christoph Chorherr gemeint hat, keine Brüche erwarten,
sondern natürlich ist es ein Innehalten, ein Zusammentragen all dessen, was
diskutiert wird und was an Projekten da ist, was an Ideen da ist, was an
Analysen da ist. Es ist ein kurzes Innehalten, Diskutieren und dann wiederum
Weitermachen. So gesehen, halte ich auch den Strategieplan für eine durchaus
gangbare Methode, um einmal in den Spiegel zu blicken und in vielen Bereichen
genauer zu schauen, wo wir stehen.
Allerdings soll es nicht nur ein Dokument sein, in
dem viele Worte und schöne Analysen enthalten sind, sondern es muss auch
konkrete Angebote geben. Daher sind eben auch 42 strategische Projekte
formuliert worden, wovon 24 komplett neue Projekte sind; die anderen sind
teilweise vom alten Strategieplan her - mit dem alten Strategieplan meine ich
den davor beschlossenen - noch in Weiterführung, und natürlich teilweise auch
Projekte des alten Strategieplans, die schon fertig realisiert wurde. - So viel
zur Methode.
Vielleicht noch zu ein paar inhaltlichen Punkten, die
hier erwähnt worden sind, zunächst zu den Parallelwelten: Ich habe, glaube ich,
schon in der Leitphilosophie versucht, unseren Ansatz klar darzulegen. Ich
halte, ehrlich gesagt, von dieser Diskussion nicht allzu viel, weil sie nämlich
falsch geführt wird und weil sie erstens einmal in den aktuellen Parallelwelten
- Muslime, katholische Gesellschaft - das Dasein der Leute auf religiöse
Einstellungen reduziert. (GR Mag Christoph Chorherr: Wer sagt denn das?)
Das ist in einer säkularisierten Welt schon einmal vollkommen falsch, weil für
die meisten Leute die Religion nicht das Haupt-Identifizierungsmerkmal ist. (GR
Mag Christoph Chorherr: Parallelgesellschaft ist nicht die Religion!) -
Wenn man die Zeitungen liest, ist es sehr wohl so und ist das sehr gut zu
erkennen.
Gleichzeitig sage ich auch, natürlich segmentiert
sich eine Gesellschaft. Es gibt, wie gesagt, verschiedene Welten, aber nicht
nur in dem Bereich, in dem es darum geht, welcher ethnischen Abstammung man
ist, auch welchen religiösen Bekenntnisses, welcher politischen Überzeugung man
ist, welcher Freizeitkultur man anhängt, welcher sexuellen Orientierung man
anhängt, welchen Musikgeschmack man hat, welche Weggehbedürfnisse man hat. Ist
man gerade ganz jung und ohne Kind? Hat man kleine Kinder? Ist man schon älter?
Wie auch immer, die Gesellschaft segmentiert sich nach verschiedenen Kriterien.
Es heißt nur, das trotzdem nicht zu negieren und zu sagen: Na gut, es ist alles
eins!, sondern natürlich auch Maßnahmen zu setzen, die die Gesellschaft in
segmentierten Bereichen wieder zusammenführt.
Da ist es, glaube ich, notwendig, dass die
öffentliche Hand eingreift und ihre Angebote erstellt: Ein öffentliches
Schulsystem, das genau auf diese Fragestellungen eingeht; ein öffentliches
Bildungssystem, auch universitäres Bildungssystem; Angebote in der Mobilität,
im Freizeitbereich und in all diesen Bereichen, die sich auch wie ein roter
Faden durch den Strategieplan ziehen. Daher greift, glaube ich, nicht nur der
Vorwurf und die Ansage in Wirklichkeit viel zu kurz, sondern ganz im Gegenteil,
genau davon handelt auch der Strategieplan.
Zweiter Bereich: Arbeit und Wirtschaft. Gerade das
ist natürlich der Bereich, in dem eine Stadt wie Wien nicht sagen kann: Wir
regeln das selbst. Wirtschaft ist zunehmend globalisiert, schwer beeinflussbar
und von vielen externen Faktoren abhängig. Gleichzeitig kann man, glaube ich,
nicht einfach sagen, man tut gar nichts, sondern man hat hier auch einige
Ansatzpunkte, die eine Stadt setzen kann, betreffend etwa die
Cluster-Initiativen, die im Strategieplan ausreichend dargestellt sind, oder
die Wissensgesellschaft, die darauf aufbaut, auch hier in der Stadt Wissen zu
managen und Angebote zu schaffen, die genau dem entsprechen.
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