Gemeinderat,
50. Sitzung vom 24.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 87
einen Zuwachs handeln.
Ich weiß schon, es ist der Trend der Zeit und ich
rate auch dringend davon ab, gegen den Wind zu spucken. Es ist der Trend der
Zeit, viele Bürger schätzen dieses Angebot, nehmen es auch entsprechend in
Anspruch, aber es gibt ja auch eine soziale Verpflichtung der Allgemeinheit.
Denn auch mindestens ebenso viele Bürger schätzen das wohnungsnahe Angebot von
Nahversorgern und Einkaufsstraßen und sehr viele Bürger, meine sehr geehrten
Damen und Herren, brauchen dieses Angebot oder sind sogar darauf angewiesen.
Daher ist es eine Verpflichtung der Stadtregierung - insbesondere
auch der Stadtplanung, weil es sich ja um eine Raumordnungsregelung handelt -,
dass man hier mit Maß und Ziel regelnd eingreift.
Ich rede nicht für eine Wettbewerbsverzerrung oder
für einen Markteingriff, sondern ich rede von Raumordnung. Und es ist die erste
Pflicht der Raumordnung, dass sie die Strukturen der Stadt ordnet. (Beifall
bei der ÖVP.)
Ich will es nur streifen, weil ich niemanden
langweilen möchte, aber ich möchte es trotzdem in Erinnerung rufen. Was meine
ich mit Einkaufzentren, Überangebot und mit übermächtiger Konkurrenz. Ich habe
es nicht in Einzelprojekte aufgegliedert, weil das wirklich zu langatmig wäre,
sondern in Gruppen.
Welche Planungen stehen an? Erstens einmal, Einkaufzentren
an allen Bahnhöfen in Wien, die revitalisiert werden: Bahnhof Wien-Nord,
Bahnhof Wien-Mitte, ehemaliger Südbahnhof, also jetzt Bahnhof-Europa Mitte, das
heißt Bahnhof Wien-Europa Mitte - ich werde es auch noch lernen, ich übe es ja
-, und Westbahnhof. Und da entsteht ein Überangebot an Verkaufsflächen, nicht
eines, das den Bedarf dort decken soll - denn zweifelsohne gibt es einen Bedarf
an einem Bahnhof -, sondern es entstehen überdimensionierte Verkaufsflächen.
Zweitens: Einkaufszentren an allen wichtigen
U-Bahn-Stationen. Entlang der U-Bahn Verlängerungsstrecken der U1 und der U2
nach Norden soll es Ausbauten geben. Ich sage als Beispiel nur ein Stichwort,
Brachmühle, ebenso an einigen weiteren Standorten, die aus meiner Sicht, ich
sage es ganz eindeutig, in sinnloser Weise neu bebaut werden sollen, Stichwort
Happel-Stadion. Das Projekt wird noch oft genug diskutiert und ich will mich da
jetzt gar nicht verbreitern, ich möchte nur dazu sagen, dieses Projekt dient
keiner Bedarfsdeckung, aber auch nicht der geringsten Bedarfsdeckung. Dieses
Projekt ist absolut ausgelegt auf, und kann auch nur funktionieren, durch
Bedarfsweckung.
Und wo soll der Bedarf herkommen? Er kann nur
abgezogen werden von woanders, er fällt nicht vom Himmel.
Und schließlich Einkaufzentren auch an künftigen
U-Bahn-Endstationen in Kombination mit Park and Ride-Anlagen. Ich habe mich
noch einmal vergewissert, ich habe es tatsächlich im
Stadtentwicklungsplan 2005 - über den wir noch genug reden werden - auch
wiederum gefunden.
Künftige U-Bahn-Endstation U1 im Süden, Rothneusiedl
- wörtlich, glaube ich, steht im Stadtentwicklungsplan: „Eine Eignung für
Einkaufszentrum ist denkbar." Aber wir wissen ja, seit langem schon
geistert dieses Einkaufszentrum fix herum, wenn dort die Park and Ride-Anlage
gebaut wird, ebenso am Rendezvousberg im Norden an der Endstation der U6.
Ich sage es noch einmal: Das ist eine übermächtige
Konkurrenz, erstens schon vom Flächenangebot her. Ich habe mir all die
Projekte, die da von den Projektanten her bekannt sind, zusammengerechnet. Es
differieren natürlich immer wieder die Angaben, zum Teil sind sie im
spekulativen Bereich, aber ich komme auf eine Schätzung von
480 000 Quadratmetern an zusätzlichen Verkaufsflächen. Meine sehr
geehrten Damen und Herren, das ist in etwa die Größenordnung der
Verkaufsflächen, die es in allen 23 gewachsenen Einkaufsstraßen gibt!
Die zweite Übermacht dieser Projekte, die
Konkurrenzübermacht, liegt darin, dass sie absolut konkurrenzlos hervorragende
Verkehrsanbindung und -erschließung besitzen, indem sie jeweils an den
höchstrangigen Verkehrseinrichtungen des öffentlichen Verkehrs liegen und
bestens mit Garagierungsanlagen ausgestattet sind, sodass sie auch im
Individualverkehr einen Standortvorteil haben, von dem gewachsene
Einkaufsstraßen nicht einmal annähernd träumen können. (Beifall bei der
ÖVP.) Und darauf, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht dieser
Strategieplan eben nicht ein. Einen Strategieplan, der so eine Dramatik
negiert, kann ich nicht einmal ernst nehmen, das muss ich ehrlich sagen.
Ablehnen tun wir ihn sowieso. (Beifall bei der ÖVP.)
Es ist dazu noch eines zu sagen: Es ist ja auch eine
Geldverschwendung der öffentlichen Hand, wenn ich auf der einen Seite, und das
befürworte ich sehr, zusätzliche öffentliche Mittel und immer mehr öffentliche
Mittel in die Revitalisierung traditioneller Einkaufsbereiche investiere - die
Interessensvertretung investiert, die Kaufleute selbst investieren in einem
erheblichen Maße -, wenn ich also auf der einen Seite sehr viel Geld
investiere, um auf der anderen Seite Einflüsse wirken zu lassen oder nicht zu
stoppen, die genau das Gegenteil von dem bewirken und die ganze Strategie oder
die ganze Bemühung konterkarieren.
Mein Befund steht im Übrigen fast wörtlich auch im
Stadtentwicklungsplan. Ich möchte nur drei Stichworte nennen - und diese habe
ich dem STEP 2005 entnommen, also nehme ich an, dass das, was ich hier sage, an
sich unwidersprochen ist, zumindest von der Geschäftsgruppe Stadtplanung:
„Zusätzliche Einkaufszentren verändern die Verteilung der Einzelhandelsumsätze,
generieren aber kaum zusätzliche Ausgaben. Es werden immer höhere Kosten der
öffentlichen Hand" - und so weiter - „zur Stabilisierung und Sicherung der
Einkaufsstraßen investiert, sie werden aber konkurrenziert von den
Einkaufszentren." Und dann ist noch ein Argument im STEP zu finden:
„Einkaufszentren haben weniger Beschäftigte, verursachen aber erhebliche
Mobilitätskosten." - So weit, so gut.
Über den Stadtentwicklungsplan
werden wir ja noch sprechen. Jetzt sprechen wir über den Strategieplan, und der
Strategieplan geht auf eine solche Dramatik
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