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Gemeinderat, 49. Sitzung vom 23.11.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 57 von 88

 

und das Amtsgeheimnis bindet mich halt daran, nicht alles zu sagen, was ich weiß. (GR Dipl Ing Omar Al-Rawi: Aber warum Ritualmord?) Du weißt, dass wir auch in Wien, auch in Österreich mindestens drei kleine radikale islamische Gruppen haben, die, weil wir sie sehr gut beobachten, aber nicht wirklich im Griff haben, zurzeit noch nichts tun. Sie werden vielleicht auch nicht bei uns aktiv. Aber es genügt schon, dass sie sagen, das ist der mitteleuropäische Ruheraum. Die Anschläge von uns und unseren Freunden gelten ganz jemand anderem, die finden in Madrid, in Berlin, in Paris oder wo auch sonst in Europa oder wo auch immer statt. Und wir sagen: Klass, aber bei uns nicht!

 

Wir arrangieren uns zur Abwechslung – so wie in den siebziger und achtziger Jahren –wieder einmal mit Teilen des Terrorismus – und damit meine ich nicht die gesamte islamische Glaubensgruppe, und das sage ich auch ausdrücklich – aus Angst, dass bei uns was passieren könnte, und sind dabei unsolidarisch mit anderen europäischen Staaten, weil wir sagen, vielleicht passiert halt bei euch etwas, aber uns ist es Wurscht, denn bei uns ist nur der Ruhrraum, und wir schauen nicht so genau drauf. – Und schüttle bitte nicht den Kopf, denn du weißt, dass es auch bei uns solche Personen gibt. Ich nenne sie hier nicht namentlich, aus mehreren Gründen – eine davon habe ich schon genannt –, wir wissen aber, dass es so ist.

 

Wir diskutieren das auch deswegen, weil wir ein Phänomen haben, dass uns natürlich unsicher macht und das sich nicht oder kaum kontrollieren lässt: Wir haben das Phänomen des Entweichens großer Teiler dieser Gruppe aus dem öffentlichen österreichischen sonstigen Schulsystem in ein Teilschulsystem von islamischen Schulen, die zwar mit oder ohne Öffentlichkeitsrecht – wie von dir zu Recht gesagt wurde – in Deutsch unterrichten, aber danach, daneben und auch sonst natürlich zu Recht in ihrer Muttersprache. Das soll alles sein, die Menschen sollen ihre Identitäten behalten. Das ist wichtig, um über Generationen hinweg sich Selbstgefühl und Wert gegeben zu können. Aber wir müssen es trotzdem kontrollieren. Das ist halt einmal so.

 

Ich sage das unter anderem auch deswegen – du weißt es –, weil ich mich bemühe, Arabisch zu lernen. Das ist unglaublich schwer, und das kann man wirklich nicht schnell lernen. Mit mir im Arabischkurs sitzen zwei vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – die ehemalige Stapo, Staatspolizei, zwei feste Rote noch dazu, die sagen das auch, klasse Burschen –, und die sagen, wenn wir alles wüssten, was dort passiert, wir könnten gar nicht ruhig schlafen. Wir wissen nur Teile davon.

 

Das richtet sich – ich sage das jetzt noch einmal – nicht gegen den Islam als solches, nicht gegen die Zuwanderungsgruppe, der Punkt ist – und das hat Schily damals schon vor Monaten gesagt –, der Appell muss aus der Glaubensgruppe selber kommen, die müssen das für sich unter Kontrolle bringen und die müssen bereit sein, das auch nachzuweisen. Und an dieser Bereitschaft mangelt es eben, denn diese Bereitschaft bedeutet auch, nach außen hin symbolhaft zu agieren, bereit zu sein und zu sagen: Ja, ich teile diese Wertebasis, die da aufgestellt wurde über Jahrhunderte mit viel Krieg und Blut, und ich bin bereit, das mitzutragen. Und das fehlt mir halt.

 

Es sind wirklich Einzelphänomene wie der Metin Kaplan in Köln. Die wird es in ganz Europa geben, und die wird es irgendwann – ich will das nicht beschwören, es muss auch nicht so sein, ich bin ja froh, wenn ich Unrecht habe –, die könnte es irgendwann auch in Wien geben. Und an dieser Diskussion können wir uns vorbeischwindeln. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Aber, Frau Stadträtin, um noch einen Punkt kurz anzusprechen: Es geht natürlich nicht nur um die Integration der hier bei uns Lebenden, sondern es geht um das Phänomen des dritten Jahrtausends oder dieses Jahrhunderts – wir wollen nicht so übertreiben – der Massenmigration. Zur Abwechslung wieder einmal. Also was wir heute an Migration erleben – ich sage das ganz gern –, das ist eigentlich nur der Vorbote dessen, was in den nächsten 30 bis 50 Jahren auf uns zu kommt.

 

Um ganz kurz nur eine Zahl zu sagen, eine nur: Unter der Annahme von unter 1,5 Fertilitätsrate in Afrika in den nächsten 50 Jahren – was eh kein Mensch glaubt, das ist die niedrigste Annahme, die die UNO vorgelegt hat – entwickelt sich die Bevölkerung dort so, dass im Jahr 2050 Nigeria, der bevölkerungsreichste Staat Schwarzafrikas, 303 Millionen Einwohner haben wird, Europa oder die Europäische Union in ihren jetzigen Grenzen, da es abwärts geht, 353 Millionen. Also da brauche ich überhaupt kein großer Prophet zu sein, da brauche ich nur eins und eins zusammenzuzählen, um zu wissen, die werden sich in Bewegung setzen, aus vielen Gründen: weil wir dort überhaupt nichts tun, weil wir zu wenig Entwicklungszusammenarbeit haben, zu wenig fairen Handel, weil wir Umweltkatastrophen in ihrer Heimat produzieren, und zwar wir alle, die wir hier sitzen, mit unserem Zweitauto, unserem Drittfernseher und den sonstigen Annehmlichkeiten der Konsumgesellschaft. Wir werden niemanden – einschließlich uns selbst – davon überzeugen können, heute, morgen oder übermorgen damit so aufzuhören, damit es nicht zu diesem Auseinanderklaffen dieser Schere zwischen Bevölkerung und Ressourcen kommen wird.

 

Daher werden sich noch mehr in Bewegung setzen, und das muss man nicht nur durch gezielte Zuwanderungspolitik in den Griff bekommen, nicht nur durch Integration derer, die da sind, sondern vor allem auch – und damit bin ich beim letzten Punkt, Frau Stadträtin – mit Handlungen vor Ort. (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Das ist Bundeskompetenz!) Als Soldat habe ich natürlich zuerst die militärischen im Auge, die sind aber kein Gegenstand der kommunalen Politik, sondern die Maßnahmen vor Ort.

 

Da sage ich jetzt wieder, dass mir hier die Stadt Wien zu wenig tut, auch wenn Kollege Stürzenbecher sagt, das ist Bundeskompetent. Ich nehme das wohlwollend auf. Du hast natürlich Recht, aber das heißt ja deswegen nicht, dass man sich als Stadt aus der Verantwortung

 

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