Gemeinderat,
49. Sitzung vom 23.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 88
dargestellt wurde.
Um es richtig zu stellen: Natürlich hat es
Diskussionen gegeben, wie man ein Wahlrecht gestalten soll und es hat viele
Vorschläge von allen Fraktionen gegeben und zu dem Zeitpunkt, wo ich
amtsführender Stadtrat war, habe ich auch mehrere Varianten vorgestellt. Unter
diesen Varianten die es gegeben hat war auch eine Variante, wie man das
Persönlichkeitswahlrecht stärken könnte. Und unter der Stärkung des Persönlichkeitswahlrechtes
war auch der Gedankengang, wenn wir uns bemühen, auf Bundesebene zu einer
Veränderung bei den Verfassungsbestimmungen zu kommen, können wir einen Teil
der Abgeordneten direkt wählen und vergeben einen Teil der Mandate nach dem
bisherigen System. Da gibt es alle möglichen Varianten von Durchrechnungen, die
dazu führen können, und die mit verschiedensten Ergebnissen unter Umständen
auch Ergebnisse mit sich bringen, wo man meint, das sei undemokratisch. Aber
wenn man das so in den Mund nimmt - und diese Varianten die ich damals
angesprochen habe, waren sogar an Varianten angelehnt, die frühere
Bundespolitiker der ÖVP auch in die Diskussion um Wahlrechtsreformen
eingebracht haben - (GR Franz Ekkamp zur
ÖVP: Da schau her!) nehme ich das ganz gerne mit auf diese Ebene.
Nur, ich wehre mich dagegen, etwas vorgeschlagen zu
haben, was undemokratisch gewesen wäre. Denn nach dem gleichen Prinzip wäre es
nach dem heutigen demokratischen Wahlrecht, das es in Großbritannien gibt
möglich, dass eine Partei in jedem Wahlkreis 50 Prozent und eine Stimme
bekommt und eine andere 49,999 Prozent, und die eine Partei, die zufällig
alle Wahlkreise gewinnt, hat 100 Prozent der Abgeordneten. Und jetzt
überlasse ich es Ihrer Fantasie, ob Sie das jetzige System, das die Engländer
in Großbritannien bei den Wahlen anwenden als undemokratisch bezeichnen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Vorsitzende GRin Renate Winklbauer: Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Herr
Gemeinderat Pfleger.
GR Univ°Prof Dr Ernst Pfleger (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau
Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine sehr verehrten Damen und
Herren!
Vor Jahrzehnten war der Zugang zu unseren Hochschulen
beschränkt, war die Wissenschaft und Forschung eingemottet. Sie wissen, von
welcher Zeit ist spreche, es war auch keine Rede von studentischer
Mitbestimmung und Partizipation, Herr Salcher.
Und dann kamen die Reformen, die untrennbar mit dem
Namen der Frau Bundesministerin Firnberg in Verbindung stehen. Das war die
große sozialdemokratische Reformerin, die die Tore der Universitäten weit
geöffnet (GR Gerhard Pfeiffer: Und die
Quoten halbiert hat!) und die Universitäten entstaubt und die Durchblutung
aller Lebensbereiche mit Demokratie, die Mitbestimmung, das sich Identifizieren
mit dieser gesellschaftlichen Freiheit durch die Studierenden, ermöglicht hat.
All das war, Herr Salcher, Nährboden für eine moderne, österreichische
Wissenschaft und Forschung und Österreich ist hier wirklich moderner geworden
in diesen letzten Jahrzehnten und auch die studentische Mitbestimmung ist
moderner geworden, um gemeinsam mit den Studenten auf unseren Hochschulen nach
dem Rechten sehen zu können.
Und dann, meine sehr verehrten Damen und Herren,
kommt die Bundesregierung, kommt Schüssel 1, kommt Schüssel 2, wie es
auch in den letzten Stunden immer so genannt wurde, und statt dass diese vielen
Errungenschaften ausgebaut und weitergeführt werden - zum Wohle nämlich unserer
jungen Menschen - wirft die Bundesregierung den Studenten, die hier lernen
wollen, Prügel vor die Füße.
Da führt die Bundesregierung, meine sehr verehrten
Damen und Herren, Studiengebühren ein, da schaut die Bundesregierung zu, wie
die Unis aus allen Nähten platzen, wie Studenten hier unter unvorstellbaren
Zuständen studieren müssen.
Die Bundesregierung hat ja systematisch die Bildung
kaputt gespart. (GR Gerhard Pfeiffer: ... nicht mitbekommen!) Und genau
jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, vollführen die Regierungsparteien
auf Bundesebene den Antrag auf Änderung des österreichischen
Hochschülerschaftsgesetzes: Die Studenten sollen die ÖH-Bundesvertretung nicht
mehr direkt wählen können. Das ist eine Einschränkung der gesellschaftlichen
Freiheit der Mitbestimmung, nämlich all dessen, was in den letzten Jahrzehnten
erreicht worden ist. (GR Gerhard Pfeiffer: Die Argumentation ...!)
Aber das ist noch mehr, nämlich Umfärbung und auch -
das geht ja Hand in Hand - Einschränkung der Finanzierung. Dafür soll die ÖH
künftig die politische Sprache der Regierungspartei sprechen, so wie in vielen
anderen Bereichen auch (GR Dr Herbert Madejski: Sie sollen sachlich
vorgehen, um das geht es! Nicht die Welt verbessern!), in vielen anderen
Fällen auch, etwa beim Hauptverband und beim ORF und bei vielen anderen
Gremien, die in den letzten Jahren systematisch eingefärbt worden sind.
Stattdessen sollen dann im Frühjahr 2005 - Herr Salcher, das ist das, was Sie
hier als Alternative anbieten - von den Universitätsvertretungen gemäß
Mandatsstärke der Fraktionen entsprechende Mandatare entsendet werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier
tatsächlich nicht um Reformen, wirklich nicht! Es geht ganz einfach um
Personen, es geht um Macht, es geht um Einfärbung, vielleicht um auch
unangenehme Mehrheiten, die es dort derzeit gibt, beseitigen zu können.
Offensichtlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben Sie als
Regierungspartei Angst vor kritischen Studenten, vor modernen, aufgeschlossenen
Studenten. Ich kann Ihnen aber sagen, diese Stadt Wien hat nicht Angst. Wien
unterstützt hier offen die Studenten, denn es ist das Recht von jungen Leuten,
kritisch zu sein, kritisch zu hinterfragen, und Studierende haben das Recht auf
Demokratie. (Beifall bei der SPÖ.)
Aber Wien ist gar nicht allein,
meine Damen und Herren! Denn diese Abschaffung der Direktwahl wird auch
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