Gemeinderat,
49. Sitzung vom 22.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 123
bekanntlich eine Unterschrift auf dem Meldezettel von demjenigen, der einem Obhut gewährt. In Wien mangelt es an Quartieren. Wir haben momentan ungefähr 800 Menschen in der Stadt, die nicht mehr in einem Heim untergebracht werden können. Das heißt, wer nicht in einem Heim untergebracht werden kann, bekommt klarerweise keinen Meldezettel über das Heim. Vielfach werden die Menschen dann privat bei Bekannten untergebracht, die aber aus dem einen oder dem anderen Grund diese Unterschrift oft nicht offiziell leisten möchten. Das Ergebnis ist also, wie gesagt, dass viele gezwungen sind, sich obdachlos zu melden.
Es ist ein
bisschen bitter und – noch einmal – etwas zynisch, wenn man bedenkt, dass
gerade die Möglichkeit, sich obdachlos zu melden, bedeutet, dass man greifbar
sein möchte, dass man erreichbar sein möchte, denn würde man untertauchen
wollen, würde man sich ja gar nicht melden. Na, was passiert? Wer das tut,
wird, wie gesagt, damit bestraft, dass er oder sie aus der Grundversorgung
herausfällt.
Ich glaube,
dass das unmenschlich ist, ich glaube, wie gesagt, dass das auch zynisch ist,
und ich habe hier einen Antrag vorbereitet, den ich hiermit einbringe. In
diesem Antrag ersuche ich Sie, von dieser Praxis sofort und wirklich umgehend
abzugehen. Wenn Sie schon selbst erwähnt haben, dass im Sozialbereich
93 Millionen EUR mehr zur Verfügung stehen, dann wird im Rahmen
dieser 93 Millionen EUR auch etwas Platz sein, um letztendlich
AsylwerberInnen in Wien, auch wenn sie obdachlos gemeldet sind, die
Grundversorgung zu gewährleisten.
Einen zweiten
Antrag habe ich vorbereitet, meine Damen und Herren, der betrifft Zivildiener.
Dieser Antrag ist bereits im oberösterreichischen Landtag eingebracht worden
und ist als Resolution dort mit den Stimmen der ÖVP und der Grünen angenommen worden. Hierin wird
die Bundesregierung aufgefordert, den Zivildienst mit dem Präsenzdienst
gleichzustellen, auch was die Dauer anlangt, darüber hinaus Zivildienern aber
die Möglichkeit zu geben, ihren Zivildienst, so sie möchten, auf freiwillige
Basis zu verlängern. Ich glaube, dass dieser Antrag im Übrigen auch für Wien
ein sinnvoller Weg wäre. Es würde auch die Möglichkeit eröffnen, hier unter
Umständen sogar einen Dreiparteienantrag zu verabschieden. (GR Christian
Oxonitsch: Wenn es das einmal gäbe, dass Sie das rechtzeitig hergeben, dann
wäre es ganz einfach!)
Herr
Klubobmann! Es ist jetzt nicht die richtige Stelle, dass wir uns diesbezüglich
unterhalten. Ich höre allerdings immer wieder von Ihnen die Beschwerde, dass
Sie die Anträge nicht rechtzeitig erhalten und stelle dann immer wieder fest,
dass wir sie rechtzeitig übermittelt haben (GR Christian Oxonitsch: Um
9 Uhr in der Früh!),
sogar per E-Mail. Das heißt, das Problem dürfte unter Umständen nicht bei uns
liegen, sondern bei Ihnen und in der Art und Weise, wie halt die Anträge bis zu
Ihnen dringen. (GR Christian Oxonitsch: Nein! Um 9 Uhr war noch gar
nichts da!)
Nichtsdestotrotz:
Dieser Antrag ist ein sinnvoller, ein sehr positiver Antrag. Ich werde ihn
Ihnen unmittelbar nach meiner Rede auch in kopierter Form überreichen und hoffe
sehr auf die Zustimmung der SPÖ. Es
geht dabei, wie gesagt, eigentlich um nichts Neues, auch nicht um ein
undiskutiertes Gesetz, sondern es geht darum, den Präsenzdienst und den
Zivildienst, was die Dauer anlangt, gleichzustellen. (Beifall bei den
GRÜNEN. – GR Christian Oxonitsch: Sie wollen einen Dreiparteienantrag und geben
das nicht rechtzeitig her!)
Sehr
geehrter Herr Stadtrat! Lassen Sie mich zum Schluss meine Kritik auf den Punkt
bringen: Ja, ich gebe zu, die Stadt Wien funktioniert, die Verwaltung
funktioniert, es gibt eine relativ hohe Zufriedenheit der Bürgerinnen und
Bürger, der Müll wird regelmäßig abgeholt, die U-Bahn fährt, und wenn man in
ein Amt kommt, kann man erwarten, dass einem dort jemand gegenübersitzt und den
Antrag auch weiterbearbeitet. Manchmal schneller, manchmal weniger schnell, das
ist jetzt nicht das Problem.
Aber ist
das genug für eine der reichsten Städte der Welt? Ich glaube, dass es nicht
genug ist. Ich glaube, dass dieses Budget sich in Wahrheit in nichts von den
Budgets vorangegangener Jahre unterscheidet. Es ist mutlos, es ist nicht
ambitioniert, es ist kein Schritt in die Zukunft, es ist kein Vertrag mit der
Zukunft, es ist einfach nur gemütlich und wird mehr oder weniger
fortgeschrieben so nach dem Motto: Nur keinen Stress! Es wird schon irgendwie
gehen, die Stadt wird schon weiter funktionieren, die Stadt wird weiterhin
verwaltet werden. Aber die Zukunft wird nicht angegangen, die Innovation fehlt,
die Strukturreformen fehlen und in vielen, vielen Bereichen ist es, wie gesagt,
nach wie vor unklar, woher das Geld kommen soll.
Ich
glaube, dass Wien Besseres verdient hat als so ein Budget, deshalb werden die Grünen auch heuer dem Budgetvoranschlag
nicht zustimmen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr Tschirf. (GR Franz Ekkamp: Jetzt werden wir es hören!)
GR Dr
Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Herr Finanzstadtrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Was wir am
Anfang des heutigen Morgens gehört haben, war Rieders Märchenstunde. Fast drei
Viertel der Zeit hat der Herr Finanzstadtrat sich mit dem Bund beschäftigt. Er
ist sehr wenig auf Wien eingegangen. (GR
Christian Oxonitsch: Da haben Sie aber nicht zugehört!) Und was mich am
meisten erschüttert hat, war dass es ihm offensichtlich gleichgültig ist, wie
die Arbeitsmarktsituation in Wien ist, denn sonst kann ich es nicht verstehen,
dass der Herr Vizebürgermeister schönredet, dass die Zahl der unselbstständig
Erwerbstätigen seit dem Regierungsantritt von Bgm Häupl um 36 000
zurückgegangen ist. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Vizebürgermeister! Es wird
Ihnen auch nicht entgangen sein, dass es sich bei der Arbeitslosigkeit um ein
Problem handelt, das ein hausgemachtes Wiener Problem ist. Schauen Sie sich das
Institut für Höhere
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular