Gemeinderat,
46. Sitzung vom 23.09.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 49 von 119
Gewalt, zumindest für nächstes Jahr wieder die entsprechenden Mittel zu
erhöhen. Ich würde dringend meine Kolleginnen Schöfnagel, Landauer und Feldmann
von FPÖ und ÖVP bitten, sich auch diesbezüglich bei ihren Kolleginnen in der
Bundesregierung einzusetzen. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zu Wort gemeldet ist Frau
Mag Feldmann. Ich erteile es ihr.
GRin Mag Barbara Feldmann (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt
Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Frau Berichterstatterin! Sehr
geehrte Damen und Herren!
White Ribbon ist weltweit die größte Initiative von Männern gegen
Männergewalt an Frauen. Sie ist ursprünglich 1991 in Kanada gestartet worden,
und im November 2000 ist die Initiative in Österreich begonnen worden.
Es ist eine Männerinitiative, die sich auf persönlicher,
institutioneller und gesellschaftlicher Ebene gegen Gewalt an Frauen einsetzt.
Das Herausragende daran ist, dass diese Männer erkannt haben, dass der
Männlichkeitswahn zu unbefriedigenden gewalttätigen Partnerschaften führt. Und
es ist eine Kampagne, wo Männer sich an Männer wenden, um ihnen mitzuteilen,
dass Gewalt ein Problem und keine Lösung ist.
Die Daten aus dem österreichischen Gewaltbericht haben wir gerade
gehört, ich wiederhole sie nicht.
White Ribbon sieht als Ursache für die Gewalttätigkeit von Männern die
Vorstellung vom richtigen Mann, das Sich-durchsetzen-Wollen um jeden Preis und
die ungleiche Machtverteilung zwischen Mann und Frau sowie die Angewohnheit,
Ärger und Unsicherheit mittels Gewalt auszudrücken. Ziel dieser Gruppe ist, das
Leitbild Männlichkeit zu verändern und Respekt zu erreichen, zu sich selbst und
zu anderen. Es geht also um persönliche Verantwortung jedes Einzelnen und um
ein weiteres Engagement.
Während ich diese Rede vorbereitete, ist mir eigentlich aufgefallen,
dass nicht ich hier stehen sollte, sondern ein Mann, denn die Wirkung dieser
Kampagne würde eigentlich erst dann deutlich werden.
Aber ich möchte dazusagen, dass diese Initiative für mich deshalb so
bemerkenswert ist, weil sie Solidarität unter den Menschen schafft, weil sie
nicht Gegenpole produziert und damit Fronten schafft, sondern innerhalb einer
Geschlechtergruppe ein lange ignoriertes Übel an der Wurzel packt und aktive
Lösungsansätze bietet, mit dem Ziel des Miteinander, der Gleichstellung und der
gewaltfreien Gemeinsamkeit. Der Mensch, die Gerechtigkeit stehen im
Vordergrund, Achtung und Respekt.
Die Männer, die diese Initiative leiten und die ihr beigetreten sind,
haben erkannt, dass Unterdrückung eine unterentwickelte Stufe des Seins ist,
eine falsche Perspektive, um ein vermeintliches Ziel zu erreichen. Sie haben
dokumentiert, dass ein falsches Männerbild und eine falsche Erziehung
gewalttätiges Verhalten hervorbringt und nicht die naturgegebenen Gene. Diese
Männer sind mutig. Ich würde sagen, sie sind die wahren Männer, denn sie haben
keine Angst vor Gleichstellung, sondern sie setzen sich aktiv für die
Gleichstellung ein.
Am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen,
sind die Männer aufgefordert, ein bis zwei Wochen die weiße Schleife zu tragen,
die Symbol für Gewaltfreiheit ist. Ich hoffe, dass alle Herren hier im Saal
schon eine weiße Schleife besitzen.
Heute setzen wir hier im Gemeinderat ein weiteres Zeichen für
Beseitigung von Gewalt. Wir haben eine Vierparteienresolutionsantrag
zusammengebracht für wirksame Maßnahmen gegen Stalking und eine strafrechtliche
Verankerung. Und ich kann Ihnen versichern, ich werde mich, soweit ich kann,
auf Bundesebene einsetzen. Ich habe das bereits getan, die Reaktionen waren
positiv, durchgehend positiv.
Weil vielleicht jetzt nicht alle hier im Raum wissen, was Stalking ist:
Es ist eigentlich ein Thema, das niemandem wirklich bewusst ist. Wenn man
einmal davon betroffen war, dann weiß man, dass man eigentlich glaubt, man ist
der Einzige, der davon betroffen ist, und fühlt sich damit ziemlich alleine
gelassen, weil es eben nicht thematisiert ist. Deswegen möchte ich ein paar
Dinge dazu sagen.
Stalking kann man gleichsetzen mit dem Vokabel "Psychoterror".
Und für die Jägerinnen und Jäger hier im Raum möchte ich sagen: Es kommt aus
der Jagdsprache und heißt "nachstellen".
Es ist eine besondere Form der Gewalt, eine subtile Form, es ist
psychische Gewalt, die verschiedenste Formen aufweist. Dazu gehören
Telefonanrufe, Abpassen, SMS. Und dazu möchte ich sagen, es gibt teilweise
hunderte Telefonanrufe am Tag. Es geht bis zur Belästigung am Arbeitsplatz, zum
Verbreiten von schädlichen Nachrichten, zur Rufschädigung, aber endet leider
auch teilweise mit dem Mord des Opfers.
80 Prozent der Stalker sind Männer, 20 Prozent Frauen,
10 Prozent der Opfer sind Männer und 90 Prozent Frauen. Also es sind
Frauen mehr betroffen, es ist aber generell ein Gesamtthema.
In vielen Ländern gibt es bereits Anti-Stalking-Gesetze. Es gibt einen
guten Erfolg, weil ein Drittel der Täter geben nach einer Anzeige auf,
verändern ihr Verhalten. Stalker sind kreativ, und es gelingt dem Opfer nicht
von selber, die Situation abzustellen, weil der Täter immer einen Schritt
voraus ist.
Hauptursache – und das ist auch interessant – ist ein Beziehungsende,
das einer der Betroffenen nicht wahrhaben will. Weil was ist ein
Beziehungsende? Beziehungsende bedeutet Macht- und Kontrollverlust und eine
Schädigung des Selbstwertes. Ich habe es ganz interessant gefunden, mir die
Perspektive des Täters anzusehen. Er fühlt einen Machtzuwachs, wenn er das
Opfer stalkt, wenn er Informationen bekommt, wenn er quält, wenn er sekkiert,
wenn er in die Nähe kommt. Wut und Hass sind Grundlage der Handlung.
Das Opfer ist beherrscht vom
Gefühl der Panik, der Angst, der Hilflosigkeit, es weiß, dass es eigentlich
keine wirksamen Mittel gibt. Untersuchungen von Prof Mullen haben ergeben, dass
37 Prozent der Opfer posttraumatische Belastungsstörungen haben. In einer
holländischen Studie wurden 50 Prozent posttraumatische
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