Gemeinderat,
45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 54 von 93
Mensch will sich die letzten Jahre verwöhnen lassen. Ich sage immer, das Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser ist ein Drei-Stern-Hotel, ein Vier-Stern-Hotel ist übertrieben, weil nur wenige ein Schwimmbad haben. Das heißt, wenn man sich dazu entschließt, verlässt man meistens eine größere Wohnung und nimmt in Kauf, eine kleinere Wohnung zu bekommen, aber mit der Möglichkeit, dass man sich entlastet. Dass man jetzt sagt, das brauchen wir nicht, da machen wir nur betreutes Wohnen, geht, glaube ich, an den Bedürfnissen nicht aller, aber vieler Seniorinnen und Senioren vorbei.
Wir glauben, dass wir einen Geriatrieplan brauchen,
das ist überhaupt keine Frage für uns, gemeinsam mit einem Regionalisierungsplan,
ein Finanzierungskonzept und einen Plan, wie wir ambulant vor stationär zügig
ausbauen können.
Der Herr Bürgermeister ist jetzt leider nicht mehr
da. Ich bin dem Angebot von Frau StRin Brauner, hier zusammenzuarbeiten und das
anzunehmen, sehr skeptisch gegenüber, aber wenn es ehrlich gemeint ist, würden
wir es gern für die Pflegebedürftigen in dieser Stadt annehmen. (Beifall bei
der FPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Klicka. Ich erteile
es ihr.
GRin Marianne Klicka (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Meine Damen und Herren!
Wir haben uns in den letzten Monaten, oder man kann
schon sagen, beinahe ein gutes Jahr lang, auch in der Geriatriekommission immer
wieder darüber Gedanken gemacht, wie wir diesen demographischen Veränderungen,
die uns bevorstehen, unseren neuen Weg entgegensetzen können, wie wir einen Weg
zu einer altenfreundlichen Stadt einschlagen können.
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist im letzten
Jahrhundert um 30 Jahre angestiegen. Natürlich sind viele Einrichtungen
der Stadt, wie das GZW, mittlerweile schon vor einem Jahrhundert erbaut und
viele Adaptierungsmaßnahmen dort durchgeführt worden, einerseits baulicher
Natur, was die Räume betrifft, andererseits vor allem, was die
Pflegephilosophie und die Betreuung der Menschen dort betrifft.
Für 2020 wird eigentlich der größte Überhang an
Übersechzigjährigen erwartet, da die letzten starken Jahrgänge der Sechziger
Jahre diese Altersgruppe erreicht haben werden. Wir werden weniger junge
Menschen haben. Das bedeutet, so wie wenn wir mehr alte Menschen haben, dass
der Stadt weniger Steuer- und Beitragszahlungen zugute kommen. Die Infrastruktur
und die Bedürfnisse müssen an die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft
angepasst werden. Das kostet sehr viel mehr. Es wird sich auch der Anteil der
Pflegebedürftigen, die von Verwandten versorgt werden, derzeit sind das immer
noch 80 Prozent und wir wissen diese Leistung im alltäglichen Leben oft
gar nicht hoch genug einzuschätzen, in den nächsten 20 Jahren auf
40 Prozent halbieren. Auch das sagen uns die Untersuchungen voraus,
einfach dadurch, das Menschen weniger Kinder haben, dass aber derzeit schon
mehr Singlehaushalte geführt werden und es weniger Personen geben wird, die
dann die Pflege und Betreuung im Alter durchführen können.
Der Wirtschaftsmarkt wird sich auch in dieser
Beziehung verändern müssen. Berufe im Bereich von Gesundheit, Freizeit,
Betreuung und Pflege werden immer gefragter. Diese Berufe sind vor allem
weiblich ausgerichtet und daher werden die Frauen als Erwerbstätige in einer
schrumpfenden Gesellschaft verstärkt gebraucht werden. Derzeit sind es meist
noch die Töchter und Schwiegertöchter, die selbst schon möglicherweise in
Pension sind und die unentgeltlich im privaten Haushalt die Pflege der besagten
Angehörigen übernehmen. Wir benötigen daher auch in den Ballungszentren gut
organisierte Kinderbetreuung und Gleichberechtigung der Geschlechter, um den
Pflegeberuf für junge Frauen, aber auch für Wiedereinsteigerinnen wieder
attraktiv zu machen.
Schon einmal, vor drei Jahrzehnten, haben
Zuwanderinnen, unsere philippinischen Krankenschwestern, dem aktuellen Mangel
an Pflegekräften Abhilfe schaffen können. Für qualifiziertes Pflegepersonal aus
den neuen EU-Mitgliedstaaten ist dies derzeit nicht möglich, da das
Mindesteinkommen für eine Beschäftigungsbewilligung über 2 000 EUR
monatlich brutto liegt und dieser Betrag weder von privaten noch öffentlichen
Einrichtungen bei Beschäftigungseintritt bezahlt werden kann. Eine
Beschäftigungsbewilligung für qualifiziertes Personal mit monatlich
1 380 EUR brutto wird nur erteilt, wenn es sich um Grenzgänger und
Pendler handelt. Der Mangel an qualifiziertem Personal ist aber nicht nur für
Wien evident, sondern für das ganze Bundesgebiet, auch für die anderen
Bundesländer. Auch diese klagen. Auf Grund der vehementen Forderung auch
unserer Partei hat nun Arbeitsminister Bartenstein eine Begutachtung der
entsprechenden Verordnung in Auftrag gegeben, die diese Einschränkung aufheben
soll. So könnte künftig das AMS Beschäftigungsbewilligungen für qualifiziertes
Pflegepersonal aus allen neuen Mitgliedstaaten erteilen, wenn die offene Stelle
nicht durch vorgemerkte Arbeitslose aus dem Inland besetzt werden kann. Wir
hoffen, dass der Herr Minister Bartenstein diese Lösung bald möglich machen
wird.
Schwere psychische und physische Arbeitsbedingungen,
haben wir gerade in der Geriatriekommission und in der Untersuchungskommission
auch gehört, ungünstige Arbeitszeiten, niedriger Lohn und schlechtes Image des
Berufs in der Altenpflege werden meist als Gründe für die Unzufriedenheit im
Beruf genannt. Viele diplomierte Arbeitskräfte wollen in die Akutkrankenhäuser,
weil sie selbst nicht in Pflegeheime abgeschoben werden wollen. Es liegt daher
auch an uns, die Wertschätzung der MitarbeiterInnen durch die Gesellschaft und
die Träger in Zukunft zu verbessern, auch durch verbesserte Arbeits- und
Ausbildungsbedingungen. Diesen Vorschlag hat auch Herr Bgm Dr Häupl in der
Pflegeoffensive im März 2004 schon bekräftigt.
Sinnvoll ist eine Bildungspyramide
für Pflege- und Sozialberufe. Das heißt, bestehende Berufe und deren
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular