Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 85 von 121
das ist ganz klar, über die Vereinigten Bühnen. Das ist wirklich ein herrliches Beispiel, um anzuführen, dass der falsche Weg beschritten wird. Die jahrelangen Forderungen von uns Freiheitlichen wurden erfüllt. Das Theater an der Wien soll jetzt für klassisches Musiktheater dienen. Das finden wir gut so. Aber was das Raimund Theater und das Ronacher angeht, weiß man noch immer nicht ganz genau, was die Definition ist. Beim Raimund Theater haben sich alle Fraktionen geeinigt, aber beim Ronacher heißt es einmal urbanes Unterhaltungstheater, dann heißt es wieder einmal – StR Rieder nennt es – urbanes Entertainment. Mehr kann man nicht herausfinden. Man weiß nur, wie viel Geld zur Verfügung stehen soll, nämlich 18,4 Millionen EUR. Kathrin Zechner spricht vom urbanen Unterhaltungstheater, aber ein detailliertes Konzept hat sie noch nicht vorlegen können. Man weiß nur wie viel, aber man weiß nicht, wofür.
Ich muss Ihnen den Vorwurf machen, Herr Stadtrat,
dass auch Sie da eine diffuse Vorstellung haben müssen, weil man kann die
Verantwortung nicht allein auf Kathrin Zechner wälzen. Ich finde das ihr gegenüber
sogar unfair, weil es keine Standortbestimmung gibt. Wir wissen nicht, ob wir
überhaupt ein "zweites Musicaltheater" brauchen, was zurzeit – das
ist die allerneueste Definition – aus dem Ronacher gemacht werden will. Wir
haben überhaupt keine Zielvorgabe. Also sie selbst weiß noch immer nicht genau,
was die politische Vorgabe ist, aber sie soll ein Programm entwickeln. Ich
halte das eigentlich für sehr fahrlässig, finde das ziellos und Sie haben
einfach falsche Politik gemacht.
Man hat ein gigantisches Bauvorhaben vor. Wir haben
unlängst eine Führung gemacht und haben uns das angeschaut. Ich meine, es wäre
noch zu verantworten, wenn man genau wüsste, ob man wirklich ein zweites
Musicaltheater braucht. Man weiß es aber nicht. Trotzdem will man 40 Millionen EUR
für einen gigantischen Umbau zur Verfügung stellen. Ich meine, dass man das zum
jetzigen Zeitpunkt sicher nicht gutheißen kann.
Wir Freiheitlichen sind, wie Sie, Herr Stadtrat,
wissen, was die Vereinigten Bühnen angeht, immer sehr kritisch gewesen. Wir
haben dem ganzen Vorhaben, diesen riesigen Subventionen nie zugestimmt. Wir
haben da eben eine andere Meinung. Jetzt kommt noch etwas dazu, das auch meine
Vorredner gesagt haben. Durch die Ausgliederung der Vereinigten Bühnen wurde
die Budgethoheit des Wiener Gemeinderats noch mehr ausgehöhlt. Wir haben
zweimal Anträge gestellt, dass Quartalberichte im Ausschuss kundgetan werden
sollen. Ich glaube, die GRÜNEN können sich auch daran erinnern. Das ist
eigentlich eine sehr notwendige Sache, weil die Oppositionsparteien auch die
Aufgabe der Kontrolle haben. Diese Anträge wurden jedoch ganz einfach beiseite
geschoben. Ich stelle den Antrag nicht noch einmal. Es ist sinnlos, er wird
sowieso nicht angenommen. Ich möchte das nur noch einmal festhalten, dass wir es
für absolut notwendig halten, dass diese vierteljährlichen Berichte dem
Kulturausschuss vorgelegt werden müssen.
Von Transparenz, von Offenheit, von Effizienz, von
Qualität, wovon Sie in Ihrem Bericht sprechen - ich habe mir den Bericht auch
nur kurz durchschauen können - ist überhaupt nichts vorhanden. Das sind schöne
Worte, aber wenn es um Entscheidungen geht, haben Sie versagt, Herr Stadtrat!
Nun komme ich zum dritten Schwerpunkt. Das ist die
Ausbildung und Bildung zukünftiger Generationen. Ich finde, es ist unsere
Verpflichtung, dass wir das übernehmen, denn der kulturelle Reichtum einer
Gesellschaft liegt in der Zukunft. Auch hier ist ein sehr schönes Vorwort
geschrieben. Ich glaube, der Titel ist sogar "Kultur ist Investition in
die Zukunft".
Herr Stadtrat, auch da haben Sie in Wirklichkeit, was
die Zukunft der Jugend angeht, versagt! Ich weiß, Sie ziehen sich immer wieder
zurück und sagen, vieles aus diesem Bereich fällt nicht in Ihr Ressort, aber
ich glaube, man kann es sich nicht so einfach machen, denn wie wir in unserer
Gesellschaft mit Kindern, mit Jugendlichen, mit Alten umgehen, ist auch ein
Teil unserer Kultur. Es gibt große Probleme. Die jungen Leute sind oft allein
gelassen. Sie haben zwar Geld in ihrer Tasche, aber sie ziehen durch eine
Szene, wo es Alkoholprobleme, Drogenprobleme und sehr viele Selbstmordversuche
gibt. Die ganzen Telefonseelsorgen, auch vom ORF, werden ständig angerufen. Die
Jugend ist ganz einfach allein gelassen und ist in einer seelischen Misere.
Jeder Fünfte 13-Jährige greift regelmäßig zur Zigarette. Die Mädchen haben
sogar schon die Buben überholt. Essstörungen, selbst zugefügte Verletzungen,
Flucht in Drogen, wie ich schon gesagt habe, sind unserer Meinung nach stumme
Hilfeschreie. Da muss sich jedes Ressort dieser Sache annehmen. Wir können die
Jugend nicht einfach im Stich lassen. Da hat auch die Kulturpolitik etwas zu
tun. Da hat auch die Kulturpolitik zu handeln. Und hier wurden grundlegende
Weichenstellungen versäumt.
Herr Stadtrat, Sie wissen seit vielen Jahren, dass
ich bei diesem Zeitpunkt immer wieder auf die musische Bildung der Jugend
eingehe. Ich hab mir dieses Mal ein Zitat von Harnoncourt heraus geschrieben.
Das hat er in einem seiner jüngsten Interviews gesagt. Er sagt: "Es ist
eine Katastrophe, Kinder ohne Kultur aufwachsen zu lassen. Kinder müssen genau
in dem Alter, in dem sie die Sprache lernen, mit allen Künsten bekannt gemacht
werden. Wenn man das nicht macht, dann können sich die Kinder nicht rechtzeitig
zu einem vollen Menschen entfalten. Und das ist ein unverzeihlicher
Fehler."
Deswegen fordern wir
Freiheitlichen, hier jährlich mehr Gelder zu investieren. Wir sagen immer, dass
Kinder selbst kreativ und aktiv sein sollen. Wir sagen immer, dass es den
Kindern sehr viel gibt, dass sie dann glücklich sind, dass das ihrem Leben
einfach einen Sinn geben kann, dass sie Freude empfinden und es auch ein
Bedürfnis der Seele stillt. Ich weiß, das sind jetzt materielle Dinge, die ich
fordere, aber diese materiellen Forderungen sind notwendig, um immaterielle
Werte zu erzeugen. Sie alle wissen und die Frau Polkorab weiß das genau, wie
wichtig das uns Freiheitlichen ist. Hier muss etwas geschehen, Herr Stadtrat!
Ich weiß, es ist nicht in Ihrem Ressort, aber auch Sie sind verantwortlich
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