Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 57 von 121
kaputtgespart. Ich behaupte, die Schule wird kaputtgespart, und zwar in erster Linie selbstverständlich von den beiden Parteien, die im Bund regieren, nämlich von ÖVP und FPÖ. Diese beiden Parteien haben das Schiff zum Kentern und zum Sinken gebracht. Das ist ihre Schuld, sie sind die Haupttäter, wenn es darum geht, einzusparen.
Was ich den Wiener Sozialdemokraten vorwerfe, ist ja
nicht, dass sie an sich und aus eigenem Antrieb bei den Schulen und bei den
LehrerInnen einsparen wollen, mein Vorwurf in ihre Richtung lautet: Sie sehen,
dass das Schiff sinkt, sie könnten und müssten etwas dagegen tun, aber sie tun
nichts. Das ist unterlassene Hilfeleistung, wenn Sie so wollen.
Mittlerweile sind wir mit einer Situation an den
Schulen konfrontiert – die sich übrigens im September weiter verschärfen wird
–, die schrecklich ist. Ein Sozialdemokrat – ich weiß jetzt nicht mehr genau,
wer es war – hat gesagt, die Sparmaßnahmen, die Kürzungen, die vorgenommen
wurden, haben die Wiener Pflichtschule auf den Stand der Dinge der fünfziger
Jahre zurückkatapultiert, und ich denke, damit hat er Recht gehabt.
Ich möchte nur ganz kurz aus vielen Briefen und Mails,
die die GRÜNEN erreicht haben, zitieren, um zu umreißen, was diese Kürzungen an
den Schulen tatsächlich bedeuten.
Eine Schule hat mir geschrieben: Wir müssen
49 LehrerInnen-Stunden einsparen. Folgende Leistungen wurden gekürzt –
jetzt muss man gut hinhören, damit man auch hört, wen es jetzt wieder ganz
besonders trifft, welche Kinder das sind, die es trifft: Die Förderstunden,
Deutschbegleitkurse für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache,
Legastheniekurse, EDV, Sport, Doppelbesetzungen in Deutsch, Englisch und
Mathematik.
Meine Damen und Herren! Wir wissen, vieles von dem,
was ich jetzt genannt habe, trifft Kinder aus einkommensschwachen Elternhäusern
ganz besonders, trifft ganz besonders Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch
ist, trifft ganz besonders Kinder mit einer ganzen Reihe von Defiziten, denen
man helfen müsste, diese wieder auszugleichen, und trifft natürlich alle
Kinder. Nur, Eltern, die ein hohes Bildungsbewusstsein und ein gutes Einkommen
haben, können es sich leisten, aus der eigenen Tasche vieles von dem, was
weggekürzt wurde, wieder auszugleichen. Viele andere Eltern, die möglicherweise
gar nicht das Bewusstsein dazu haben, die nicht so ein ausgeprägtes
Bildungsbewusstsein und auch viel weniger Geld haben, können das nicht.
Wenn daher der Herr Klubobmann Oxonitsch sagt, dass
in Wien immer noch Chancengleichheit auf der Tagesordnung steht oder gar
Chancengerechtigkeit, dann muss ich ihm erwidern: Nein, Sie irren! Von
Chancengerechtigkeit keine Spur, und es geht immer weiter in die falsche
Richtung.
Wir haben fürchterliche Mitteilungen aus
Ganztagsschulen, wo gekürzt wird, wir haben schlimme Nachrichten aus den
kooperativen Mittelschulen, die ohnehin ein Etikettenschwindel erster Klasse
sind, aber darüber werde ich jetzt gar nicht sprechen. Die einen haben kein
Eislaufen mehr, die anderen keinen Kletterkurs, keinen Fotokurs. Die
Gruppengrößen für die Nachmittagsbetreuung sind enorm groß. Niemand sieht sich
mehr raus. Es ist eine ganz, ganz schlimme Situation entstanden.
Ich möchte jetzt kurz auf den Antrag für den
Stellenplan zu sprechen kommen. Ich nehme an, der Herr Prof Strobl wird nachher
auch noch über den Beschluss des Kollegiums sprechen, der Landesregierung einen
Stellenplan zu empfehlen – mehr kann der Stadtschulrat nicht –, die Richtlinien
des Ministeriums um 700 Lehrerposten zu überschreiten.
Ich möchte auch kurz sagen, warum die GRÜNEN diesen
Beschluss nicht mitgetragen haben. Das ist ganz einfach. Ich bin als
Oppositionspartei nicht gezwungen, mich, wenn Pest und Cholera zur Wahl stehen,
für eines der beiden zu entscheiden. Wir sagen, wir werden keinem Stellenplan
zustimmen, der den Bedarf unterschreitet und der weniger Lehrerinnen und Lehrer
verlangt als Wien tatsächlich braucht. Die spezielle Situation Wiens ist uns
allen, wie wir hier sitzen, klar, denn das ist die spezielle Situation eines
Ballungsraumes mit vielen Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und
das müsste eingerechnet werden. Außerdem ist Wien eine Stadt, die immer darauf
bestanden hat, dass die Integration von behinderten Kindern voll umgesetzt
wird. Auch davon sind wir derzeit sehr, sehr weit entfernt.
Das Kollegium hat also der Landesregierung einen
Vorschlag gemacht, den Dienstpostenplan zu überschreiten. Die Landesregierung
ist dem bislang nicht nachgekommen. Es wäre auch sehr merkwürdig, müsste doch
Lhptm Häupl damit eingestehen, wie schlecht er verhandelt hat. (Zwischenbemerkung von VBgmin Grete Laska.)
Die Frau Stadträtin sagt, ich habe den Antrag nicht gelesen. Ich habe alles
sehr gut gelesen. Es waren da sogar zwei Stellenpläne vorgelegt, was überhaupt
ein Novum ist, dass man in einem Kollegium zwei Stellenpläne mit einem
Unterschied von 700 gemeinsam beschließt sozusagen, aber darüber möchte ich
mich jetzt nicht auslassen. Aber Sie würden den Landeshauptmann dazu zwingen
zuzugeben, dass er nicht nur aus inhaltlicher Inkompetenz diesen Vertrag
abgeschlossen hat – wobei ich glaube, dass tatsächlich inhaltliche Inkompetenz
vorlag, als er den Finanzausgleich unterschrieben hat –, sondern dass er auch
noch absolute Unfähigkeit gezeigt hat, das zu verhandeln. Im Grunde
unterstellen Sie dem Landeshauptmann, dass er keine Ahnung gehabt hat, was er
da getan hat. Mir soll es recht sein. Möglicherweise hat er es tatsächlich
nicht gewusst.
Es wurden in Wien ungefähr – es
gibt da Schwankungen – zwischen 10 und 12 Prozent der Lehrerinnen und
Lehrer in den letzten Jahren eingespart. Die GRÜNEN bezeichnen das sehr wohl
als Kaputtsparen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Reformpädagogik unwahrscheinlich
darunter gelitten hat. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Innovationen kaum
zum Zug kommen. Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass selbst dort, wo es
Gesetze gibt, diese Gesetze zum
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