Gemeinderat,
43. Sitzung vom 19.05.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 78
dadurch gekennzeichnet, dass diese Großheime totale Institutionen sind. Totale Institutionen sind die Institutionen, in denen der Mensch nichts zählt und die Institution alles.
Ich habe diesen Vorwurf in der
Untersuchungskommission erhoben, und er hat zu schlimmstem Protest seitens der
SPÖ geführt. Ich möchte es Ihnen beweisen an der Heimordnung, die jetzt und
heute und immer noch gültig ist in allen Pflegeheimen der Stadt. Und kommen Sie
mir nicht damit zu sagen, na das ist halt irgendeine Heimordnung und da schaut
eh keiner hinein und die gilt ja sozusagen nur am Papier. Der Geist, der da
drinnen niedergeschrieben ist, der weht auch in den Pflegeheimen.
Nur damit Sie wissen, wenn Sie heute alt und
bedürftig und gebrechlich sind und am Ende keinen Angehörigen mehr haben, was
Ihnen dann droht mit der Heimordnung der Stadt Wien. StR Rieder hat gesagt,
dass er sie selbst 1994 neuerlich erlassen hat, und er hat selber gesagt, er
muss sich bei der Nase nehmen, denn er hat gemeint, das Pflegeheimgesetz wird
sie bald ablösen. Nein, sie gilt immer noch, und sie ist gegen die
Menschenrechte gerichtet. Unsere Juristen sagen, und wir lassen das gerade
prüfen, dass sie nicht auf dem Boden des Rechtes steht. Denn eine Heimordnung
soll eigentlich nur etwas regeln, was zum Beispiel eine Hausordnung in einer Siedlung
regeln soll. Wer in die Grünanlagen steigen darf und was einem passiert, wenn
man den Aufzug kaputt macht.
Diese Heimordnung geht wesentlich über das hinaus.
Hier ist von Pflichten der Pfleglinge – und das Wort "Pfleglinge"
allein ist schon entlarvend – die Rede und nicht von Rechten. Das einzige
Recht, das man hier hat, ist, aus dem Pflegeheim auszutreten. Na sagen Sie das
einmal einer bettlägerigen alten Dame, dass das ihr Recht ist. Denn ansonsten
hat sie Pflichten, und sie kann hinausgeschmissen werden. Sie kann
hinausgeschmissen werden, die pflegebedürftige Person. Der § 9 lautet:
"Ein Pflegling ist aus dem Pflegeheim zu entlassen, wenn er die
Bestimmungen der Heimordnung nach erfolgloser Mahnung durch die Anstaltsleitung
weiterhin nicht beachtet." Da kann man ihn hinausschmeißen.
Die Gemeinde Wien hat nicht den Eindruck, sie soll
für demokratische Strukturen sorgen, sondern sie sorgt für eine totale
Institution, die sich auch darin äußert, dass unter § 17 der Pflegling
verpflichtet ist, den pflegerischen Anordnungen nachzukommen. Meine Damen und
Herren! Den pflegerischen Anordnungen nachzukommen. Wissen Sie, was das heißen
kann? Das kann heißen, dass man eine Inkontinenz-Einlage, vulgo Windel,
aufgezwungen kriegt. Das kann heißen, dass einem eine medizinische oder
sanitäre hygienische Behandlung zugemutet wird, die man nicht will. Das kann
heißen, dass man in ein Zimmer gesteckt wird, in dem man nicht sein möchte. Das
kann heißen, dass einem verboten wird, dass ein Besuch kommt. Auch das ist hier
herinnen Faktum.
Ja, Frau Stadträtin, lesen Sie nach. § 24:
"Pfleglinge und Besucher sind zur Einhaltung der Bestimmungen der
Heimordnung und der Befolgung besonderer Weisungen der Organe der Pflegeheime
verpflichtet. Bei Nichtbeachtung der Vorschriften können die Besucher nach
erfolgloser Mahnung zum Verlassen des Pflegeheimes verhalten werden. In
besonders schwerwiegenden Fällen", Frau Stadträtin, "kann im
Interesse der Pfleglinge ein ständiges oder vorübergehendes Besuchsverbot durch
die Leitung (Direktion) verhängt werden."
Das, Frau Stadträtin, ist eine totale Institution. Da
kann es einem passieren, dass man pflegerische Anordnungen nicht will, sich
dagegen wehrt. Dann kommt ein Besucher, der einen unterstützt, dann kriegt der
Hausverbot. Man ist mit Haut und Haaren ausgeliefert.
Und sagen Sie mir nicht, das ist ein Papier von
irgendwann aus der Lueger-Zeit. Es ist von 1994. StR Rieder hat es wissentlich
erlassen, und es gilt bis heute. Das ist gegen das Selbstbestimmungsrecht, und
es ist gegen die Menschenrechte, Frau Stadträtin. So viel wäre zu tun, und man
hat nichts gemacht.
Damit, Frau Stadträtin, komme ich noch zu dem letzten
Punkt, den ich heute Vormittag schon aufgegriffen habe. Diese Menschen brauchen
Qualität, sie brauchen niedrigschwellige Angebote. Sie müssen raus aus den
Großheimen. Sperren Sie die großen Heime zu, Frau Stadträtin. Machen Sie ernst.
Ich meine nicht von heute auf morgen. Sie können Lainz innerhalb von fünf
Jahren abbauen, Sie können dort einen Uni-Campus machen, einen Kindergarten,
eine Wohneinrichtung, eine Schule. Und behalten Sie die gut renovierten
Pavillons für ein Sonderkrankenhaus für Geriatrie und einen Pavillon zu
Versorgung der Wohnumgebung. Der Rest des wunderbaren Geländes soll für eine
durchmischte Nutzung mit einer generationenübergreifenden Bevölkerung besiedelt
werden. Das wäre gut für die alten Menschen, das wäre gut für eine
Verkehrsinfrastruktur, denn Studenten lassen sich weniger leicht gefallen, dass
man, wenn man von Hietzing kommt, zweimal umsteigen muss, bis man endlich am
Uni-Campus wäre. Dann haben Menschen, die dort leben, nicht den Eindruck, sie
sind im letzten Ghetto.
Und, Frau Stadträtin, verankern
Sie den Herrn Dr Vogt in einem Gesetz. (GR Heinz Hufnagl: Das ist im
Gemeinderat beschlossen worden!) Ich rede gerade mit der Frau Stadträtin,
weil wir kein Gesetz für ihn haben. Frau Stadträtin, verankern Sie ihn im
Pflegeheimgesetz. Sie haben ihn im Oktober bereits installiert. Es hätte seit
Oktober viel Zeit gegeben, ihn hier auch rechtlich zu verankern, und es ist
noch nicht zu spät, denn das Gesetz wird frühestens im Juli verabschiedet. Die
GRÜNEN werden einen Antrag stellen, den Dr Vogt und sein Team hier auf
rechtliche Beine zu stellen, in Unabhängigkeit und mit einem Pouvoir und einer
klaren Aufgabenbeschreibung hier zu verankern. (GRin Anica Matzka-Dojder:
Sie waren gegen einen Ombudsmann!) Ja, Frau Kollegin Matzka-Dojder, ich war
gegen den Pflegeombudsmann als Ausdruck symbolischer, wirkungsloser Politik.
Und der Punkt ist: Ich glaube, der Herr Dr Vogt ist Ihnen unangenehm. Ich
glaube, der Herr Dr Vogt ist Ihnen mittlerweile ein Dorn im Fuß. Der Herr Dr
Vogt sagt die Dinge, die Sie nicht hören wollen, und er legt die
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