Gemeinderat,
42. Sitzung vom 28.04.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 14 von 76
Bauordnung für Wien steht.
Vorsitzender GR Günther Reiter: Danke,
Herr Stadtrat. - Die Fragestunde ist somit beendet.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Aktuellen
Stunde.
Der Klub der sozialdemokratischen Fraktion des Wiener
Landtags und Gemeinderats hat eine Aktuelle Stunde mit dem Thema "Die
Chaos-Gesundheitspolitik der ÖVP und ihre schwerwiegenden Folgen für Wien"
verlangt. Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs 2 der Geschäftsordnung
ordnungsgemäß beantragt.
Ich bitte den Erstredner, Herrn GR Hundstorfer, diese
Aktuelle Stunde zu eröffnen. – Als Vorsitzender weiß er, dass die Redezeit
10 Minuten beträgt.
GR Rudolf Hundstorfer (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtags und Gemeinderates):
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vorsitzender!
Wir haben heute diese Aktuelle Stunde verlangt, weil
es darum geht, dass in sehr leichtsinniger und sehr vordergründiger Art und
Weise wesentliche Teile des Gesundheitssystems in Wien als Spielwiese verwendet
wurden und werden.
Meine Damen und Herren von der ÖVP! Ich weiß, dass
sich einige von Ihnen in einem persönlichen Dilemma befinden - das ist mir
schon klar -, aber Parteien sind nicht teilbar, Parteien sind ein Ganzes.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass zuerst mit allen
Mitteln versucht wird, die gesetzliche Krankenversicherung zu zerstören, und
dass man sich nachher, nachdem man draufgekommen ist, welchen Flop man da
gebaut hat, sehr wehleidig verhält und sagt: So war das alles nicht gemeint! -
Das nimmt Ihnen niemand mehr ab! Sie haben das auch am Sonntag erlebt, Sie
werden das am 14. Mai bei der Arbeiterkammerwahl erleben, und Sie werden
das auch noch bei vielen anderen Wahlgängen erleben.
So sagen Sie doch der Bevölkerung die Wahrheit! Sagen
Sie, dass die Bundesregierung, dass der ÖVP-Teil der Bundesregierung mit allen
Mitteln die gesetzliche Krankenversicherung in Frage stellen und zerstören
will! Eines der Indizien, warum das so sein soll, warum das so sein wird, ist
unter anderem jenes, dass in der Frage der Gesundheitsreform die zuständige
Fachministerin ausgeschaltet wird und dass im Kabinett des Bundeskanzlers
persönlich die Gesundheitsreform-Arbeitsgruppe tagt und vom Kabinett des
Bundeskanzlers betreut wird. Herr Dr Gleitsmann ist nichts anderes als ein
Versuchsballon des Herrn Bundeskanzlers!
Dr Gleitsmann ist eine ferngesteuerte
Marionette, er ist dort eingesetzt worden, um etwas auszuprobieren. Und nachher
kommt man dann und sagt: Na ja, eigentlich war das eh alles nicht so, und
eigentlich wollen wir das eh alles irgendwie noch erledigen. Ganz überraschend
wurde für Freitag - auch zu einer sehr ungewöhnlichen Uhrzeit - noch zu einer
Sitzung des Verwaltungsausschusses eingeladen, um das nur ja über die Bühne zu
bringen.
Welche Strategie steht da dahinter? - Die Strategie
ist folgende: Der Bevölkerung soll vorgegaukelt werden, dass die
Gebietskrankenkassen mit unserem Geld nicht umgehen können, dass sie mit dem
Geld der Versicherten nicht umgehen können, dass sie nicht wirtschaften können,
dass Selbstverwaltung der Tod der Sozialversicherung ist - und dass sie deshalb
aufgelöst werden müssen. Sie müssen aufgelöst werden und durch sich in einem
Wettbewerb befindliche Krankenversicherungen ersetzt werden.
Schauen wir uns doch einmal an, wie das so ist mit
dem Wettbewerb! Schauen wir uns in der Bundesrepublik Deutschland, wo es viele
Krankenversicherungen gibt, einmal an, wie diese dort wirtschaftlich beisammen
sind! Schauen wir uns doch einmal an, in welcher wirtschaftlichen Situationen
sich die angeblich im Wettbewerb befindlichen Krankenkassen befinden!
Aber schauen wir auch einmal hinter die Kulissen der
Wiener Gebietskrankenkasse! Schauen wir: Warum hat sie Finanzprobleme? Warum
gibt es dort Finanzierungsprobleme? – Ein Grund für diese Finanzierungsprobleme
ist natürlich die Arbeitslosigkeit, das ist ja gar keine Frage! Und was ist der
Beitrag der Bundesregierung zur Arbeitslosigkeit? - Der Beitrag der
Bundesregierung zur Arbeitslosigkeit ist jener, dass man noch einmal feiert, im
Bundesdienst Stellen abzubauen, und dass man jetzt auf einmal beginnt, die
Gemeinden und Länder zu rügen, weil sie nach Ansicht der Bundesregierung nicht
genügend Stellen abgebaut haben. Man verwechselt hier Äpfel mit Birnen, anstatt
Äpfel mit Äpfel zu vergleichen.
Allein durch Maßnahmen der Bundesregierung sind der
Wiener Gebietskrankenkasse im Jahr 2003 Einnahmen im Ausmaß von
72 Millionen EUR entgangen; im Jahr 2002 waren es bereits
40,5 Millionen. Insgesamt hat der Bund im Jahr 2003 der Wiener
Gebietskrankenkasse Mindereinnahmen im Ausmaß von sage und schreibe
80,5 Millionen EUR beschert!
Wie setzen sich diese 80,5 Millionen EUR
zusammen, wie kamen sie zustande? - Indem man ganz einfach, einer
Nulldefizit-Philosophie blindlings folgend, Dinge verlagert hat, ohne zu
wissen, wie die Auswirkungen dieser Verlagerung sein werden: Indem man zum
Beispiel die Beitragspauschalierung bei den Arbeitslosen eingeführt hat, indem
man zum Beispiel gesagt hat, dass die Krankenversicherung übernommen werden
muss, der Bundesanteil beziehungsweise die Bundeszahlungen für die Finanzierung
der Spitäler, indem man zum Beispiel bei den Zivildienern die Beitragsgrundlage
abgesenkt hat und indem man zum Beispiel durch das
Budgetbegleitgesetz 2003 bei der GSBG-Pauschale ebenfalls Änderungen
herbeigeführt hat.
Und dann gibt es noch eine Bundesregierung - und
diesbezüglich ist sie sehr massiv von der ÖVP dominiert -, die auch der
Wirtschaft verpflichtet ist. Daher machen wir so nebenbei auch noch ein
bisschen etwas für die Wirtschaft, was ebenfalls in Mindereinnahmen im Ausmaß
von 7,4 Millionen EUR seinen Ausdruck findet - durch
Beitragssenkungen, durch eine längere Zahlungsfrist für Dienstgeber und durch
Wegfall von pauschalierten Dienstgeberabgaben.
All das führt unter anderem dazu,
dass es diese
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