Gemeinderat,
40. Sitzung vom 03.03.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 64 von 78
geschehen. Und wie das so ist, im Frühjahr denkt man an alles, nur nicht an die Brandruine Sofiensäle und daran, dass vielleicht irgendwann einmal ein schlechtes Wetter kommen könnte und der nächste Schnee. Somit ist das ganze Jahr 2002 auch ins Land gezogen, und man hat wieder die Hände in den Schoß gelegt und hat gehofft: Na ja, vielleicht überlegt sich der was, dem das gehört. Nur, der hat sich nichts überlegt, außer dass er pausenlos Abbruchanträge gestellt hat, die aber immer wieder abgelehnt wurden.
Dann kam der nächste
Winter, der Winter 2002, und es hat dort wieder hineingeregnet und
hineingeschneit. Dann ist man draufgekommen und hat gesagt: Jetzt ist der
zweite Winter vorbei, blöderweise steht das aber immer noch dort. Es dürfte
also von der Bausubstanz her doch nicht so schlecht sein, wenn es jetzt zwei
Winter ausgehalten hat, obwohl das abgebrannt ist und ungedeckt und ungeschützt
dort steht. Wir sollten uns langsam etwas zu überlegen anfangen.
Interessanterweise sind diese Überlegungen zeitgleich
mit einem gewissen medialen Interesse speziell der "Kronen Zeitung"
Hand in Hand gegangen, wobei die Medien sich eher pro Sofiensäle und deren
Erhaltung ausgesprochen haben, und plötzlich ist man da im Rathaus auch
draufgekommen, dass man das vielleicht doch erhalten sollte.
Mittlerweile haben wir das Jahr 2003 geschrieben. Es
ist wieder das schöne Frühjahr gekommen, ein heißer Sommer, niemand hat daran
gedacht, dass eventuell wieder ein Winter kommen könnte, in dem es wieder
regnet und schneit. Wir haben jetzt den dritten Winter hinter uns gebracht, in
dem bei den Sofiensälen eigentlich keinerlei Maßnahmen zur Sicherung der
Bausubstanz gesetzt worden sind, sondern vielmehr weiterhin Maßnahmen gesetzt
werden, um die Bausubstanz nachhaltig zu schädigen.
Jetzt kann man davon ausgehen, dass in wenigen Tagen,
spätestens in 14 Tagen, drei Wochen, der dritte Winter vorbei ist. Sie
sagen, Sanktionen wurden gesetzt. Also das müssen Sie mir erst zeigen, wo die
gesetzt worden sind, außer dass permanent darüber gesprochen wurde. Aber ob das
die Bausubstanz der Sofiensäle nachhaltig sichert, das bezweifle ich.
Die Maßnahmen, die bis jetzt gesetzt wurden, wenn
überhaupt welche gesetzt wurden, sind zögerlich bis gar nicht vonstatten
gegangen. Es gibt offensichtlich ein massives Desinteresse aller handelnden
Personen. Jetzt sage ich, die Sofiensäle AG hat ein gewisses Interesse daran,
dass nichts passiert. Keine Frage. Der Eigentümer würde lieber heute als morgen
mit diesem großen Gelben dort hinein fahren und klar Schiff machen. Aber die
Stadt, die Behörden, die MA 37, die MA 64 und alle Dienststellen und
alle Stadträte, die an und für sich dafür zuständig sind, haben bislang
Sanktionen oder Interesse dramatisch vermissen lassen. Das Einzige, was ich in
letzter Zeit vernommen haben, ist, dass Sie, Herr Bürgermeister, gesagt haben:
Ja, eigentlich sollten wir es erhalten. Na super! Aber das hätten wir
eigentlich im August, September, Oktober 2001 auch schon in Angriff nehmen
können. Es ist de facto 30 Monate Tiefschlaf gewesen, immer in der
Hoffnung, dass der nächste Winter, der kommt, vielleicht nicht ein so strenger
wird und wir irgendein mediterranes Klima ausfassen und es dort nicht hinein
regnet.
Das, was bislang abgegangen ist, das, was bislang die
Behörde abgeliefert hat, ist wirklich ein Armutszeugnis für all diejenigen, die
sich mit Baukultur und Bausubstanz in dieser Stadt beschäftigen. Das ist massiv
in die Hose gegangen. Sollten daher die Sofiensäle oder das, was jetzt davon
noch übrig ist, nicht zu retten sein, dann darf sich das die Sozialdemokratie,
dann darf sich das die SPÖ in Wien auf ihre Fahnen schreiben. (Beifall bei
den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner:
Als nächster Redner ist Herr Dr Tschirf zu Wort gemeldet.
GR Dr Matthias Tschirf(ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Der Schandfleck Sofiensäle ist ein Thema, das uns
seit 30 Monaten beschäftigt, 30 Monate, die eben im August 2001 mit dem
Brand der Sofiensäle begonnen haben. Dabei handelt es sich nicht um
irgendetwas, sondern um eines der kulturhistorisch interessantesten Gebäude,
insbesondere des 3. Bezirks.
Die Sofiensäle stammen aus der Zeit des Biedermeiers
und sind ein Beispiel für die kulturelle Entwicklung dieser Stadt: Vom Bad mit
dem darüber liegenden Ballsaal mit der entsprechend guten Akustik; ein Saal, in
dem sich kulturelle Ereignisse vom ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bis
in die letzten Jahre abgespielt haben. Übrigens gibt es etwas Ähnliches auch in
Prag. Das heißt, es handelt sich hier um ein Monument kultureller Tradition,
über das man nicht einfach so drübergehen sollte.
Diese Sofiensäle sind abgebrannt, aber eben nicht so,
dass es eine reine Bauruine gewesen wäre, sondern das Bundesdenkmalamt hat in
seinem Bescheid klar und deutlich festgestellt, dass einiges auch zu erhalten
ist. Wir haben über die rechtliche Situation hier hinlänglich gehört. Das ist
die eine Seite. Es ist auch bedauerlich, wenn wir uns die drei Winter
hernehmen, dass Dachluken offen waren, dass es hineingeregnet hat, dass das
einfach alles dem Verfall offengestanden ist und dass ein Teil der Probleme
einfach in diesen letzten Jahren entstanden ist.
Aber es gibt etwas Zweites, und
hierin liegt eigentlich das Versäumnis der Stadt Wien. Ich hoffe, dass die
Worte des Herrn Bürgermeisters, der heute davon gesprochen hat, dass das ein
hohes Anliegen der Stadt Wien ist, ein Ausgangspunkt dafür sind, dass jetzt
tatsächlich etwas geschieht, dass sich die Stadt tatsächlich ihrer Verantwortung
bewusst wird, im Zuge von Private Public Partnership hier auch entsprechende
Lösungen herbeizuführen. Andere Städte – ich denke an das Mozarthaus in
Salzburg – zeigen, wie man an das herangeht. Es gibt einfach eine
Verantwortung, hier entsprechend mit dem Eigentümer zu reden. Es ist ja nicht
irgendein Eigentümer, sondern es ist ein Eigentümer, mit
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