Gemeinderat,
22. Sitzung vom 12.12.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 93
GRin Susanne Jerusalem (Grüner Klub im
Rathaus): Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die
GRÜNEN werden dieser Nachdotation zustimmen. Ich möchte an dieser Stelle auch
sagen, dass wir die Arbeit des Integrationsfonds in großen Teilen schätzen,
dass wir die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in großen Teilen schätzen.
Um das zu sagen, hätte ich mich nicht zum Wort melden
müssen. Was ich heute hier aber auch zu Protokoll geben möchte, ist etwas,
worauf ich schon 1992 verwiesen habe und was beim Durchlesen dieses Geschäftsstücks
natürlich neuerlich ins Auge springt. Ich habe schon damals gesagt: Wenn der
Gemeinderat und der Landtag die Arbeit auf der Gesetzesebene und der
Maßnahmenebene nicht so verrichten, dass für die Migrantinnen und Migranten
Rechte entstehen, Rechte, auf die man sich dann auch berufen kann, dann bleibt
der Integrationsfonds natürlich immer nur ein Ausweg - bis hin zu dem, dass man
sagen muss, da ist er dann eine Alibieinrichtung.
Wenn hier in den ersten Punkten gleich angeführt
wird: "WIF-Projekte: Antidiskriminierung beziehungsweise
Gleichstellung", dann muss ich sagen: Ja, meine Damen und Herren, aber was
man da in erster Linie braucht, ist ein Antidiskriminierungsgesetz für die
Stadt Wien! Und da stellt sich dann schon die Frage: Wieso hat Wien kein
Antidiskriminierungsgesetz? Wieso gibt es denn das immer noch nicht - sondern
einen Integrationsfonds, der quasi auf einem Nebenschauplatz und mit
ungeeigneten Mitteln und Instrumenten gegen Diskriminierung ankämpfen muss, die
wir Gemeinderätinnen und Gemeinderäte auf der Gesetzesebene zu bekämpfen
hätten? Das ist unsere Aufgabe, das müssen wir tun! Wir brauchen ein Gesetz und
wir müssen Rechte schaffen. - Das ist das Erste, was ich mit auf den Weg geben
muss.
Detto sind hier gleich als Nächstes die Punkte Wohnen,
Bildung und Qualifikation angeführt. Auch im Bereich Wohnen sind wir
diejenigen, die sagen, wer eine Gemeindewohnung wann und unter welchen
Umständen erhalten kann, und sind wir diejenigen, die hier Rechte schaffen
müssen. Das ist nicht der Integrationsfonds, der auf einem Nebenschauplatz
kämpft wie gegen Windmühlenflügel, sondern das sind wir. Wir haben das zu tun!
Wir können uns nicht hierher setzen, die notwendige Gesetzgebung sozusagen
verweigern, aber dann Nachdotationen und Dotationen für einen Integrationsfonds
beschließen - und die sollen halt tun, damit die Dinge nicht ganz so arg
aussehen, wie sie eigentlich sind, weil hier ein Gemeinderat im Grunde genommen
in Sachen Antidiskriminierung und Wohnung versagt.
In Sachen Bildung - das ist das Nächste, was angeführt
wird - gibt es, denke ich, einige Punkte, wo dieser Gemeinderat das, was er tun
hätte sollen, nicht getan hat. Diejenigen, die schon etwas länger hier sitzen,
kennen vermutlich alle noch den Verein IKL - "Interkulturelles
Lernen", interkulturelles Lernprojekt -, der in hervorragender Art und
Weise an vielen Schulstandorten Hervorragendes, und das niederschwellig,
angeboten hat - ein Angebot, das sich die Migrantinnen und Migranten leisten
konnten, das sie gerne angenommen haben, das nicht nur in Nachhilfe bestand,
sondern im Rahmen dessen es auch kulturelle Angebote und Sportangebote gab.
Das, was dieser Verein gemacht hat, hat wirklich etwas hergegeben!
Ich möchte die Damen und Herren der Sozialdemokratie
nur kurz daran erinnern, was mit diesem Verein geschehen ist: Sie haben den
Verein abgedreht! Sie haben dafür gesorgt, dass dieser Verein nicht weiterarbeiten
konnte, obwohl sich faktisch alle Schulstandorte zu Wort gemeldet haben und
gesagt haben: Wir brauchen diesen Verein! - Jetzt lese ich in diesem Geschäftsstück,
dass der Integrationsfonds zum Beispiel auch Gruppen- und Einzelnachhilfe für
Schulkinder fördert. - All das bräuchten wir nicht, hätte nicht zuvor der Gemeinderat
versagt und ein Projekt abgedreht, das vorbildhaft war! Da kamen sogar aus dem
Ausland Stellungnahmen, in denen Leute gesagt haben: Was ist denn da los? Warum
wird denn das abgedreht? Das ist ja vorbildhaft für die ganze Welt, für ganz
Europa und eine ganz tolle Sache! - Ich verstehe es bis heute nicht, warum Sie
diesen Verein abgedreht haben.
Es gibt natürlich auch jetzt eine ganze Reihe von
Vereinen und Initiativen, die zum Fonds gehen und um Subventionen ansuchen, wo
ich im Grunde genommen nicht verstehe, warum diese Subventionen abgelehnt
werden. Aber vielleicht kann man da in Zukunft auch wieder einmal darüber reden.
Ich führe jetzt nur kurz drei Dinge an, bezüglich
deren ich der Meinung bin, dass der Integrationsfonds tätig werden sollte:
Es hat sich an einigen Standorten in Wien herausgestellt,
dass das Angebot von Deutschkursen besonders an Schulen, Volksschulen zum
Beispiel, und zwar für die Eltern der Kinder - vor allem sind es Mütter, die
das angenommen haben -, eine hervorragende Sache ist, weil das auch
niederschwellig ist und weil die Mütter dann auch gleich wissen, wohin mit den
Kindern. Diese können nämlich mitgenommen werden. Ich sage hier nicht
"Mütter", weil ich der Meinung bin, dass diese Angebote sich nur an
Mütter richten, aber es nehmen faktisch nur solche daran teil. Das heißt: Ich
denke, der Integrationsfonds kann seine Tätigkeit in diese Richtung erweitern.
Ich erinnere Sie an das Problem Kindergarten. Da gab es vom
Boltzmann-Institut eine Studie und mehrere Veranstaltungen zum Thema
Integration, die vom Stadtschulrat durchgeführt wurden. Es tut mir Leid, dass
Herr GR Strobl jetzt nicht da ist, aber man konnte sich damals durchaus
parteiübergreifend darauf einigen, dass es sinnvoll wäre, Anstrengungen dahin
gehend zu unternehmen, dass Kinder aus Familien mit nicht deutscher
Muttersprache - oder, darüber hinausgehend, überhaupt noch Problemen mit der
deutschen Sprache - mit fünf Jahren den Kindergarten besuchen sollen. Das heißt
nicht, dass man sie zwingt, dort hinzugehen, sondern dass man eine
Aufklärungskampagne startet, dass man sie einlädt und dass man sagt: Das ist
unentgeltlich. - Da zieht das Argument nicht: he, das ist uns alles zu teuer!,
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