Gemeinderat,
21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 122
Vizebürgermeister! Sehr geehrte
Damen und Herren!
Ich möchte
hier über die Ängste einer Bevölkerungsgruppe in unserer so sicheren Stadt
sprechen. Jetzt werden Sie sagen: Was hat das mit dem Budget zu tun? Ich kann
nur sagen, es wundert mich, dass für diese Problematik im Budget noch kein
Betrag vorgesehen ist.
Wien ist
eine der sichersten Städte, haben wir Wiener erst kürzlich wieder vom Herrn
Bürgermeister in den Medien versichert bekommen. Ja, das mag schon stimmen -
und doch leben hier Menschen, die Angst haben und Angst haben müssen! Das
müssen sie, nicht weil es ihnen gefällt oder weil sie paranoid sind, sondern
weil es immer noch vorkommt, dass auf dieser Insel der Seligen Menschen bedroht
werden. Vielleicht wissen Sie schon, von welcher Bevölkerungsgruppe ich
spreche: Ich spreche von der jüdischen Bevölkerung.
Ich habe
vor kurzem von der Israelitischen Kultusgemeinde gehört, dass sie im Jahr
1,6 Millionen EUR für Sicherheitsvorkehrungen ausgeben muss, und das bei
einem schmalen Budget, das noch mit Schulden belastet ist. Man muss dazusagen,
dass der Bund Polizei abstellt. Ich meine, wenn gar keine Bedrohung vorhanden
wäre, würde der Bund das Geld dafür sicherlich gerne sparen. Er trägt auch
manchmal zu technischen Einrichtungen bei, die für Sicherheitsvorkehrungen
vorgesehen sind. Allerdings kam auf ein Ansuchen der IKG um finanzielle
Unterstützung die Antwort: Der Bund hat kein Geld.
Jetzt
werden Sie sich vielleicht fragen: Wieso hat denn die IKG solche Angst? Warum
gibt sie so viel Geld für Sicherheitsvorkehrungen in einer der sichersten
Städte der Welt aus? - Dazu kann ich Ihnen nur ein paar Fakten aufzählen. In
zweieinhalb Jahren erhielten die IKG und ihre Mitglieder 250 Drohbriefe. Vor
zwei Jahren kamen sehr häufig Anpöbelungen vor, besonders gegen die religiöse
jüdische Bevölkerung. Und man hat mir versichert: Von Ohrfeigen, die sie
einfach so auf der Straße bekommen, redet man gar nicht mehr. Ich muss sagen,
das ist eine erschütternde Feststellung!
Dass die
Ängste dieser Bevölkerungsgruppe aus den vergangenen, schrecklichen Erfahrungen
unter dem Nazi-Regime und aus neuen Erfahrungen verständlicherweise groß sind,
müsste eigentlich jedem hier einleuchten, umso mehr, als es in dieser
Demokratie leider immer noch Menschen - um nicht zu sagen: Politiker - gibt,
die immer noch versuchen, Kleingeld aus antisemitischen Äußerungen zu
lukrieren.
Besonders
gefährdet ist der Präsident der IKG. Geschützt werden müssen Einrichtungen,
Besucher und Angestellte in der Zentrale, im Maimonides-Elternheim - das ist
das Pflege- und Pensionistenwohnheim der jüdischen Bevölkerung -, vier Schulen
vor der ESRA - das ist das psychosoziale Zentrum in der Tempelgasse -, eine
kleine Schule in der Tempelgasse und 14 Bethäuser, und diese besonders zu
den Feiertagen. 50 000 Sicherheitsstunden sind das im gesamten Jahr, wovon
40 000 allein in und vor Gebäuden anfallen und 10 000 zum
persönlichen Schutz angesetzt sind. Das Jüdische Bildungszentrum für Lehrlinge
im 20. Bezirk bekommt einen Zuschuss für die Sicherheit von ungefähr
7 500 EUR, und das Jüdische Museum bekommt auch einen kleinen
Zuschuss. Da drängt sich mir allerdings ein sehr makabrer Gedanke auf, nämlich:
Es sind dort ja auch kulturelle Güter zu schützen. Zu sagen wäre noch, dass die
IKG nur Menschen und Objekte in Wien schützt.
Daher
stellen wir den Antrag, dass die Stadt zu diesem Aufwand an
Sicherheitsvorkehrungen sehr wohl einen finanziellen Beitrag leisten soll, da
sie unserer Meinung nach dazu verpflichtet ist.
Ich möchte
die Stadt nur kurz daran erinnern, dass sie immer noch von dem Vermögen, das
die jüdische Bevölkerung durch "Arisierung" verloren hat, sehr wohl
zehrt beziehungsweise darauf aufbaut. Bis jetzt wurden 5 bis 7 Prozent
dieses Vermögens zurückgezahlt, und nicht mehr! Wir meinen auch, dass die Stadt
Wien in diesem Fall ganz besonders für die Sicherheit dieser Bevölkerungsgruppe
verantwortlich ist. Ich hoffe sehr, Sie alle sehen das auch so! (Beifall bei
den GRÜNEN.)
Vorsitzende
GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Als Nächster ist Herr VBgm Dr
Rieder zum Wort gemeldet. Auch Sie sind einer Redezeitbeschränkung unterworfen,
Herr Dr Rieder: Laut Vereinbarung zum Voranschlag 2003 stehen Ihnen
20 Minuten zu. - Bitte.
Berichterstatter
VBgm Dr Sepp Rieder: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen
und Herren!
Ich möchte
zu den Ausführungen in der Spezialdebatte Stellung nehmen und erlaube mir dann,
zu einer allgemeineren Bemerkung im Hinblick darauf, dass Herr GR Schock hier noch
einmal auf das Thema der Wahlen zu sprechen gekommen ist, kurz etwas zu sagen -
vielleicht in der Reihenfolge der Beiträge.
Herr GR
Margulies hat sich hier noch einmal - nachdem er das schon in der
Generaldebatte angesprochen hatte - den Kopf darüber zerbrochen, warum wir in
der letzten Zeit von den Direktinvestitionen zur Unterstützung nicht nur von
Unternehmungen, sondern auch von gemeinnützigen Einrichtungen wie etwa dem Haus
der Barmherzigkeit zur Gewährung von Darlehen übergegangen sind. Das hat zu
einem wesentlichen Teil natürlich damit zu tun, dass wir in unserer Gebarung
den Spielregeln von Maastricht unterworfen sind und danach die direkte
Investition, die Ausgabe durch entsprechende Einnahmen gedeckt werden muss,
während die Darlehensgewährung nach Maastricht in dem Sinn aufkommensneutral
ist. Das ist, glaube ich, ein wesentlicher Punkt, die Investitions- und
Förderungsmöglichkeiten zu erweitern, was uns sonst nach den Spielregeln von
Maastricht nicht möglich wäre. Es geht also nicht darum, zu sagen, dass wir
weniger fördern wollen, sondern wir haben damit die Möglichkeit, mehr Förderung
zu machen, als uns sonst nach dieser Balance von Ausgaben und Einnahmen
tatsächlich möglich wäre. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Die Zuschüsse
werden gekürzt!)
Das zweite Thema Ihres Debattenbeitrags war der
Technologiefonds und die Stiftung. Ich kann nur das wiederholen, was ich
mehrfach auch auf Journalistenfragen hin gesagt habe: Der prinzipielle
Unterschied gegenüber jemandem, der Aktien erwirbt, um damit zu spekulieren -
also in der Hochphase kauft und dann auf
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