Gemeinderat,
18. Sitzung vom 26.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 74
Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, diesen
Widerspruch sollten Sie uns doch einmal erläutern!
Dieser Prozess der Erneuerung, den wir im Gemeinderat
durch die Ausgliederung beschlossen haben, wurde auch von StR Dr
Mailath-Pokorny aufgegriffen, und zwar, wie ich meine, sinnvoll aufgegriffen.
Er hat gemeinsam mit den Fraktionen im Wiener Gemeinderat eine gemeinderätliche
Enquete ausgeschrieben und dazu eingeladen. Das war für all jene, die dabei
waren, eine interessante, spannende Auseinandersetzung über die Zukunft eines
städtischen Museums.
Dennoch hat man gemeint, es macht auch Sinn, sich die
internationale Diskussion anzuhören und sich anzusehen, was sich in städtischen
Museen anderer Länder ereignet. Das halte ich für sinnvoll. Deshalb hat es auch
diese Vorstudie gegeben, die nicht nur eine Analyse des gegenwärtigen Zustands
des Historischen Museums beschrieben hat, sondern auch versucht hat, Erfahrungen
aus anderen Städten mit einzubringen.
Jetzt vielleicht nur ganz kurz zu den Autoren dieser
Studie: Man kann über Experten immer ganz unterschiedlicher Auffassung sein.
Dass sie allerdings nicht qualifiziert sind, ist unrichtig. Dr Gerald Matt hat
nicht nur Erfahrung im FPÖ-Klub gesammelt - das wäre für mich unerheblich -,
sondern er hat neben seiner erfolgreichen Tätigkeit in der Kunsthalle Wien vor
kurzem ein Buch mit dem Titel - das ist nicht unwesentlich - "Kultur und
Geld - Das Museum, ein Unternehmen" herausgebracht, und zwar im Verlag
Österreich. Dr Siegfried Mattl wiederum ist nicht nur ein angesehener
Zeithistoriker, sondern hat zahlreiche Ausstellungen gemacht, unter anderem
auch im Historischen Museum. Dr Mießgang schließlich ist erfolgreicher Kurator
und Publizist in zahlreichen in- und ausländischen Publikationsorganen.
Diese Studie ist nur einer
der Bestandteile einer gesamten öffentlichen Diskussion, die über das Museum
geführt wird. Ich bin sehr froh, dass diese Diskussion geführt wird, denn das
ist ein Zeichen dafür, dass die Wienerinnen und Wiener Anteil an ihrem Museum
nehmen - an ihrem Museum! - und dass dieses Museum sich nicht im Dornröschenschlaf
befindet, sondern ein lebendiges Museum ist. Wir wollen aber auf Grund der
neuen Rahmenbedingungen dennoch den Gegebenheiten folgen.
Diese öffentliche Diskussion, in die die Studie und
das Ergebnis der Enquete einfließen, wird zweifellos dazu führen, dass die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt im Museum tätig sind, dieses Museum
gemeinsam mit der neuen Leitung auch in Zukunft erfolgreich führen werden. (Beifall
bei der SPÖ.)
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Danke.
- Als Nächster ist Herr GR Mag Chorherr zum Wort gemeldet.
GR Mag Christoph Chorherr (Grüner
Klub im Rathaus): Meine Damen und Herren!
Prinzipiell fände ich es eigentlich sehr wichtig und
notwendig, sich für Institutionen, für die die Stadt Wien mit gutem Recht Geld
ausgibt, zu überlegen, wie die Arbeit dort aussieht - in Wertschätzung dessen,
was ge-tan wurde - und wo möglicherweise Reformen passieren sollen. Damit sich
die FPÖ gleich ein bisschen schrecken kann, möchte ich Ihnen ein Zitat darüber
vorlesen, was ein Historisches Museum sein kann.
Es sagt ein Museumsdirektor eines Historischen Museums:
Unsere Sympathie gilt den Randständigen und ihrer Repräsentanz im Rahmen des
Museums. - Frage: Wie nehmen Sie Kontakt auf? - Historisches Museum: Manchmal
kommen sie zu uns. Ein Beispiel: Es gab sehr heftige Proteste gegen den
Straßenbau. Beteiligt waren grüne Aktivisten, Umweltschützer, Hippies, die sich
Schlachten mit der Polizei lieferten. Wir schickten Fotografen zu diesen
Manifestationen und lernten dabei einige Leute kennen. Daraus ergab sich eine
Zusammenarbeit. Einige der Gruppen boten uns Material aus ihren Archiven an,
Fotos, Dokumente et cetera, die für uns wertvoll sind. Auch bei ethnischen Gruppen,
deren Lebensstile wir dokumentieren wollen, ist es ähnlich.
Das kann ein Historisches Museum sein. Um Ihnen zu
sagen, wer diese links-linke Gesamtorganisation ist: Das sagt in dieser Studie
Catherine Ross, die Direktorin im Museum of London ist, darüber, was ein
Historisches Museum sein kann.
Einmal ganz prinzipiell: Ich habe diesen Bericht erst
vor wenigen Tagen mit großem Interesse gelesen und fände es - noch einmal -
wichtig, dass derartige Berichte über andere Institutionen öfter geschrieben
werden, um eine Diskussion darüber zu beginnen, wohin, wenn eine Neubestellung
ansteht, ein Historisches Museum sich positionieren muss.
Wenn ich jetzt abseits von Beleidigtheiten und Ähnlichem
zwei Dinge übereinander bringe, dürfte eine der Kernaussagen dieser Studie
dort, wo Herr Dior Düriegl zitiert ist, zu einem ähnlichen Schluss kommen, den
auch wir teilen: einer viel stärkeren Repräsentanz und Thematisierung des
20. Jahrhunderts, dessen, was Urbanität ist - dass das für Sie eine
Floskel ist, Frau Unterreiner, kann ich schon verstehen -, dessen, was das
20. Jahrhundert als Stadt für Themen hat - Wohnen, Lebensstile; ich bin
jetzt kein Museumskurator und kein Museumsdirektor, um das hier vorzuschlagen.
(GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Aber nicht allein!) Aber dass hier
einiges neu konzentriert werden soll, halte ich für legitim, und das soll
diskutiert werden, bevor eine Direktionsentscheidung getroffen wird.
Da halte ich es für wichtig - noch einmal: in Wertschätzung
getaner Arbeit -, auch Schwächen zu benennen. Es gibt keine Institution, die keine
Schwächen hat. Da finde ich zum Beispiel die Kritik an der Wechselausstellung,
wie sie hier gebracht wird, mehr als legitim: wenig 20. Jahrhundert, aber
dann Ausstellungen wie "Grenzenlos kurdische Kunst heute",
"Kunst aus Aserbeidschan" oder "Chinesische Malerei". Jetzt
kann man uns als Letzten den Vorwurf machen, dass wir dagegen sind, dass
Internationales zu tun ist. Aber hier ist es richtig - und meiner Ansicht nach
vielleicht polemisch, aber in der Sache durchaus zutreffend -, wenn davon
gesprochen wird, dass sich das Historische Museum zu einem Gemischtwarenladen
entwickelt, in dem zahlreiche Ausstellungen wie die von mir zitierten
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