Gemeinderat,
17. Sitzung vom 24.06.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 145
worden ist von der
Bundesregierung, oder zumindest korrekterweise von einer Partei der
Bundesregierung, wäre ja so etwas wie ein Hoffnungszeichen. Allerdings hat uns
der Herr Finanzminister dieses Hoffnungszeichen sofort vergällt mit dem
Hinweis, dass dann 2004 ein weiteres Sparpaket kommt. Er hat zwar dann bei
einer gemeinsamen Pressekonferenz, wo er unter der Kuratel Haiders gestanden
ist, das widerrufen, aber ich glaube, dass man tatsächlich die Sorge haben
muss, dass eine mögliche Steuerreform dann wiederum mit so etwas verbunden
wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte
schon zum Schluss kommen und möchte mich noch an den Klubobmann der Wiener ÖVP,
Tschirf, wenden, der im Vorfeld zur heutigen Debatte der Stadt Wien eine
miserable Wirtschaftsbilanz vorgeworfen hat. Also ich nehme an, dass sozusagen
durch die Wiener ÖVP mit dem Parteitag ein Ruck gegangen ist, allerdings ist es
eher ein Ruck, an die kurze Leine genommen zu werden, und Sie exekutieren jetzt
offenbar das, was vor nicht allzu langer Zeit auch von Seiten der
ÖVP-Bundespolitiker immer wieder gesagt worden ist, wie schlecht die Situation
in Wien ist.
Und daher gestatten Sie mir einige Fragen an Sie. Ist
es eine miserable Wirtschaftsbilanz, wenn Wien zu den Top Ten der reichsten
EU-Regionen zählt und wenn Wien zu einem anerkannten Technologiestandort und
Kompetenzzentrum geworden ist? Ist das eine miserable Wirtschaftsbilanz?
Ist es eine miserable Wirtschaftsbilanz, meine sehr
geehrten Damen und Herren, und jetzt an alle von uns dieselbe Frage gerichtet,
wenn in Wien das standardisierte Bruttojahreseinkommen der unselbständig
Erwerbstätigen mit 22 835 EUR das höchste ist in ganz Österreich?
Und wenn Wien die höchste Frauenbeschäftigungsquote
aufweist? Und wenn das standardisierte Bruttojahreseinkommen der Frauen in Wien
mit 19 345 EUR das höchste ist von ganz Österreich? Und zwar im
Vergleich zu dem geringsten Fraueneinkommen in der Steiermark um 20 Prozent
mehr?
Und ist es eine miserable Wirtschaftsbilanz, Herr
Klubobmann der ÖVP, wenn eine Studie eines internationalen
Unternehmensberaters, Mercer mit Sitz in Großbritannien, Wien attestiert, dass
wir der zweitbeste Wirtschaftsstandort auf der Welt sind, und zwar weltweit
nach Zürich?
Und ist es ein Zeichen einer miserablen
Wirtschaftsbilanz, wenn uns, vor kurzem in einer Studie, die die Mailänder
Wirtschaftskammer in Auftrag gegeben hat, wiederum im Vergleich mit 12
europäischen Großstädten, bestätigt worden ist, dass wir, jetzt nach Stockholm,
der zweitbeste Standort sind, und zwar was Lebensqualität, aber nicht nur
Lebensqualität, nicht nur Sicherheit, sondern auch was die Frage der Innovation
und der Infrastruktur betrifft?
Und sind das nicht, meine sehr geehrten Damen und
Herren, Indikatoren für eine sehr gute Wirtschaftsbilanz, auf die man
eigentlich gemeinsam stolz sein kann? Muss man da wirklich der Stadt und dem
Land eine miserable Wirtschaftsbilanz attestieren, was ja bedeutet, dass man
damit auch die gesamten Leistungen der Wirtschaft abwertet und abqualifiziert?
Ich hätte ja noch Verständnis, wenn man an einzelnen
Maßnahmen der Politik der Stadt Kritik übt. Das verstehe ich. Aber dass man so
pauschal einer Stadt, einem Land eine negative, miserable Wirtschaftsbilanz
unterstellt, ist eine schlimme Sache, weil das eigentlich Rufschädigung ist.
Wenn das die allgemeine Auffassung ist, die Wienerinnen und Wiener wissen das
gar nicht zu schätzen oder die schätzen das ganz anders ein, dann ist das ja
sozusagen eine negative Botschaft.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der
von mir zitierten Studie, die im Auftrag der Mailänder Wirtschaftskammer
entwickelt worden ist, ergibt sich noch eine wichtige Tatsache. Dort steht
nämlich auch drinnen, dass Wien jene Stadt ist, von der die befragten
Wienerinnen und Wiener gesagt haben, sie sind hochzufrieden mit dieser Stadt
und sie haben das beste Urteil über die eigene Stadt abgegeben. Und das, muss
ich sagen, macht uns schon froh, weil es unser Bedürfnis ist, den Interessen,
den Wünschen und den Bedürfnissen der Wienerinnen und Wiener Rechnung zu
tragen. Und Sie werden verstehen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der
Opposition, dass uns die Einschätzung der Wienerinnen und Wiener und deren Bedürfnisse
wichtiger ist als die Tatsache, ob Sie jetzt unseren Rechnungsabschluss
ablehnen oder ihm zustimmen. (Beifall bei
der SPÖ.)
Ungeachtet dessen nütze ich hier die Gelegenheit, die
sich mir bietet, und die Einladung richtet sich an alle drei Oppositionsparteien,
an unserer Politik mitzumachen, im Interesse künftiger Generationen, denn das,
was heute zustande gebracht wird an Innovation, ist das Kapital, das den
nächsten Generationen zur Verfügung steht. - Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer: Danke
schön. - Ich darf nun die Debatte eröffnen. Als erster Debattenredner ist Herr
GR Mag Chorherr gemeldet. - Bitte schön.
GR Mag Christoph Chorherr
(Grüner Klub im Rathaus): Meine Damen
und Herren!
Herr Vizebürgermeister! Ich möchte nach Ihrer Rede in
drei Punkten den Rechnungsabschluss nutzen, der erste durchaus zu den Pickerln,
die hier zur Schau gestellt werden: "Macht’s Wien wirklich besser?" (Ja-Rufe bei der SPÖ.) Ja? Dann werde
ich in aller Demut ein paar Anmerkungen dazu machen, wenn es genehm ist. Wenn
man es noch sagen darf.
Und zweitens werde ich mich mit der Frage
beschäftigen: Ist Wien wirklich so gut verwaltet, wie alle jetzt so überzeugt
sind (Neuerlich Ja-Rufe bei der SPÖ.),
und ein bisschen erzählen, was ein paar Leute anders sehen, was sich da vor ein
paar Tagen in einem Untersuchungsausschuss zugetragen hat.
Beginnen wir mit der Wirtschaftspolitik. Wenn man dem Herrn
Vizebürgermeister zuhört, hat man das Gefühl, Wien ist so etwas wie dieses
berühmte gallische
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