Gemeinderat,
15. Sitzung vom 26.04.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 99
hoffentlich noch bei einigen mitmachen. Aber ich kann Ihnen
sagen, wofür ich immer demonstriert habe: Ich habe demonstriert für den
Frieden, ich habe demonstriert für Solidarität und Menschenrechte, ich habe
demonstriert für Freiheit und Demokratie. - Ich hätte gerne gewusst, wofür Sie
demonstrieren, was Sie auf die Straße bringt. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum
Wort gemeldet ist Herr GR Mag STEFAN. Ich erteile es ihm. (Ruf bei der SPÖ:
... wir eine Distanzierung hören!)
GR Mag Harald STEFAN (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr
geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass sich
die Frau Stadträtin namens der grünen Fraktion von Gewalt distanziert. (GRin Mag Sonja Wehsely: Distanzieren Sie
sich einmal ...!) Ich distanziere mich ebenfalls von jeglicher Gewalt, da
sind wir vollkommen einer Meinung. (Ruf
bei der SPÖ: Und von den Neonazis?) Demonstrationen mit Gewalt, davon
distanziere ich mich, und ich distanziere mich auch von Demonstrationen, die
gegen das Gesetz verstoßen, gegen das NS-Verbotsgesetz oder gegen welches auch
immer. Damit habe ich nichts zu tun, damit haben wir nichts zu tun. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und wenn es
zu so etwas kommt, dann ist die Polizei aufgefordert, einzuschreiten, und
soviel ich weiß, war der Polizeipräsident Schnabl permanent anwesend und ... (GR Godwin Schuster: Der ist kein
Präsident!) Also gut, jedenfalls ein hoher Polizeioffizier, der sehr großes
Interesse, soviel man weiß, ... (Zwischenrufe bei der SPÖ und bei der FPÖ.) Herr
Schnabl war jedenfalls anwesend, in Zivil anwesend, und ich nehme an, dass er
weiß, wann das Verbotsgesetz überschritten wird, und dass er dann einschreitet
- aber so viel zum 8. Mai.
Ich repliziere jetzt noch ganz kurz, weil mir heute
hier einiges vorgehalten wurde, namentlich von der grünen Fraktion, und als
Beweis das Internet herangezogen wurde. - Ich habe mir erlaubt, auch im
Internet nachzusehen. Herr Kollege Ellensohn, ich habe als Suchbegriffe
"David Ellensohn", "Nazi" und "Österreich"
eingegeben und habe 2 612 Ergebnisse bekommen. (Oh-Rufe bei der
FPÖ.) - Sie werden jetzt vielleicht sagen: Das ist aber im Zusammenhang mit
Widerstand gegen Nazis. Ich habe dann eingegeben: "David Ellensohn",
"Anarchie" und "Österreich", und ich erhielt
2 555 Ergebnisse (Weiterer Oh-Ruf bei der FPÖ.), und die
meisten Ergebnisse bekam ich bei "David Ellensohn",
"Gewalt" und "Österreich": 2 903! - Wenn Sie das auch
so seriös gemacht haben wie ich (Zwischenruf
der GRin Marie Ringler.), dann
können wir uns ja treffen.
Mittlerweile
habe ich die Wehrmachtsausstellung besucht. Sie ist uns ja entgegengekommen.
Wir haben die Möglichkeit, sie jetzt in Wien zu sehen. Insofern muss ich Ihnen
Recht geben, Frau StRin Vassilakou: Es ist richtig, man geht in eine
Ausstellung, man hat die Möglichkeit, dort Dinge zu sehen, darüber
nachzudenken, sie zu verinnerlichen, und so gesehen ist jede Ausstellung
sicherlich interessant. - Das Besondere an dieser Ausstellung ist, dass sie vom
Titel her bereits eine Provokation ist und eine Schlussfolgerung nahe legt, die
in der Ausstellung nicht einmal wirklich dokumentiert wird. Gleich am Beginn
der Ausstellung wird sozusagen als Vorwort, und auch im Katalog als Einleitung
festgestellt, dass die Wehrmacht ein verbrecherisches Vorgehen als solches an
den Tag gelegt hat. Und damit sind natürlich die Teilnehmer, die am Ostfeldzug
teilgenommen haben, in einem verbrecherischen Vorgehen verhaftet. Das haben
ihnen nicht einmal die Nürnberger Prozesse nachgesagt! Das haben auch die SPÖ
und die GRÜNEN nicht impliziert, insofern als sie ja der kleinen
Wiedergutmachung an jene Opfer, die in der Sowjetunion in Kriegsgefangenschaft
waren und deportiert waren, zugestimmt haben. - Genau den Vorwurf der
Beteiligung an einem Verbrechen macht aber die Ausstellung, allein schon durch
diese Verkürzung.
Auch in der Ausstellung selbst stellt man, wenn man
sie aufmerksam studiert, fest, dass das, was ich schon das letzte Mal erwähnt
habe, nämlich Manipulation durch Weglassen, massiv vorhanden ist. Es ist auch
in den zusammenfassenden Texten oft eine Verfälschung enthalten und daher entsteht
auch hier wieder der Eindruck - und dieser Eindruck wurde auch verstärkt -,
dass eine Tendenz wiedergegeben und ein Beweis erbracht werden soll. Eine
Ausstellung, die eine Tendenz haben und einen Beweis erbringen soll, ist nicht
wissenschaftlich. (Ruf bei den GRÜNEN:
Das weiß er?)
Ich habe mir auch am letzten Montag im Rahmen der
"Wiener Vorlesungen" den Vortrag des Vorsitzenden der
Historikerkommission zur Wehrmachtsausstellung, Prof Dr Hans Mommsen, angehört.
- Es war leider kein anderer Gemeinderat anwesend. Ich hatte mir gedacht, dass
sich, weil diese Ausstellung ja jetzt hier so ein wichtiges Thema ist,
vielleicht auch jemand anderer anhören würde, was derjenige zu sagen hat, der
sozusagen als deren Kopf dahinter steht. - Dieser Vortrag hat mich dann in
meiner Meinung noch zusätzlich bestärkt. Er hat ganz gut begonnen, aber je mehr
er dann zu den Verbrechen und zum Ostfeldzug der Wehrmacht selbst gekommen ist,
desto allgemeiner ist er geworden, und er hat zum Teil auch Gemeinplätze
losgelassen. Dann wurde Prof Mommsen im Rahmen der Diskussion dreimal aus dem
Publikum - und zwar nicht von irgendwelchen Provokateuren, sondern allen
Ernstes einfach aus Interesse - gefragt: Wie hoch war denn der Anteil der
Wehrmachtsangehörigen an Verbrechen - das ist doch die entscheidende Frage,
wenn man eine Aussage in Form des Titels "Verbrechen der Wehrmacht"
trifft? Wie hoch war er denn? - Er hat dazu dreimal Wortmeldungen abgegeben,
die man nicht als Antworten bezeichnen kann. Er ist überhaupt nicht darauf
eingegangen. Es war erschreckend, dass das der Fachmann sein soll, der jetzt
durch die ganze Bundesrepublik Deutschland und durch Österreich reist und
erklärt, wie die Geschichte ausgeschaut hat, und der auch will, dass sie ... (Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Da
haben Sie aber absichtlich weggehört!) Nein, ich habe nicht absichtlich
weggehört, Herr Stadtrat. Sie waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an-
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