Gemeinderat,
15. Sitzung vom 26.04.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 99
zu gehen und, so er oder sie es noch nicht getan hat, den
eigenen Lieben, den eigenen Verwandten die Frage zu stellen: Was hast denn du
im Krieg gemacht?, und über die Antwort, die er bekommt, nachzudenken. Das ist
Teil der persönlichen Aufarbeitung.
Wer nicht weiß, was damals passiert ist, oder,
schlimmer noch, wer es sehr wohl weiß, aber es leugnet, der begreift natürlich
nicht, was es heißt, wenn Nazis am Heldenplatz demonstrieren, wenn Nazis über
die Kärntner Straße laufen und Parolen skandieren. Der begreift auch nicht die
Aufregung.
Genau deshalb ist es mir wichtig, heute auch von hier
aus noch einmal festzustellen, dass so etwas in Wien absolut unvorstellbar,
nicht nur skandalös, sondern geradezu schockierend ist, dass so etwas nie
wieder - nie wieder! - in dieser Stadt passieren darf. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPÖ.)
Ich verstehe, ehrlich gesagt, liebe KollegInnen von
der ÖVP und auch von der FPÖ, Ihre Aufregung nicht. Sie möchten offenbar nicht
zur Kenntnis nehmen, weshalb das, was passiert ist, derart schmerzhaft ist,
sowohl für die Wiener Bevölkerung als auch für uns GRÜNE, als auch für die SPÖ
in diesem Haus. (Die GRe Dr Andreas
Salcher und Dr Matthias Tschirf: Wieso wir?) Ich werde es Ihnen gleich aufzeigen, aber Sie können sich auch zu Wort
melden und das richtig stellen. (GR
Dr Matthias Tschirf: Ja, aber Sie haben eine Beschuldigung aufgestellt!) Es
würde mich wirklich sehr freuen, wenn Sie erneut die Gelegenheit nutzen würden,
hier herauszukommen und sich davon zu distanzieren.
Man wusste schon, welche
Art von Veranstaltung für den Heldenplatz, für diesen historischen Heldenplatz
in Wien, angekündigt war. Man hat wider besserem Wissen diese Veranstaltung
nicht untersagt. Man hat daraufhin - als wäre das nicht schon schlimm genug -
die Kontrolle total verloren: Man hat ermöglicht, dass diese jungen Männer -
wahrscheinlich waren es hauptsächlich Männer - und Frauen - wir wollen hier
korrekt sein, was die Geschlechter betrifft -, dass diese Menschen über die
Kärntner Straße gelaufen sind und Unvorstellbares von sich gegeben haben, wie
beispielsweise "Sieg heil!", "Heil Hitler!" et
cetera.
Die Polizei hat die Fehler
eingestanden. Was aber ist von politischer Seite passiert? - Man hat es nicht
bedauert, man hat es nicht verurteilt. Ich habe bis heute von der FPÖ noch
nicht gehört, dass sie es verurteilt hätte! Man hat sich nicht entschuldigt,
man hat die schweren politischen Fehler, die dazu geführt haben, nicht eingestanden,
und man hat - und das ist das, was mich eigentlich am allermeisten schmerzt -
nicht festgehalten, dass man dafür sorgen wird, dass so etwas nie wieder passieren
wird, dass so etwas in dieser Stadt nicht sein darf, nicht sein kann und niemals
wieder sein wird.
Nun ärgert sich Herr Dr
Tschirf darüber - zumindest ärgerten Sie sich gestern -, dass wir den Innenminister
aufgefordert haben, dass auch der Herr Landtagspräsident den Innenminister
aufgefordert hat, etwas einzuhalten, was Sie als selbstverständlich ... (GR Dr Matthias Tschirf: Teil der Rechtsordnung!) - Ja, genau!
Ich bin genau Ihrer Meinung! - Dazu muss ich sagen: Es tut mir Leid, aber es
ist nachvollziehbar, dass man ihn dazu auffordern muss, dass er es einhält (GR
Dr Matthias Tschirf: Der Innenminister hält alles ein!), weil der Herr
Innenminister sich bedauerlicherweise einen großen Fehler geleistet hat (GR
Dr Matthias Tschirf: Das stimmt nicht!), indem er diese Veranstaltung nicht
untersagt hat. Es geht darum, dass wir nicht wollen, dass so etwas wieder
passiert. Es tut uns daher sehr Leid, denn auch wir sind traurig darüber, dass
wir ihn dazu auffordern müssen, darauf zu achten, dass etwas, was eigentlich
selbstverständlich ist, eingehalten wird, aber wir sehen uns dazu gezwungen,
und darum möchten wir ihn dazu erneut auffordern. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPÖ. - GR Dr Matthias Tschirf: Für
uns ist die Einhaltung eine Selbstverständlichkeit!)
Verehrte Damen und Herren! Abschließend: Einen
Gefallen möchte ich Ihnen von dieser Stelle aus tun, gerade den Kolleginnen und
Kollegen von der FPÖ, die uns so vehement aufgefordert haben, uns von der Gewalt
auf der Gegendemo zu distanzieren. (GR Johann
Hatzl: Nein, die haben was anderes gesagt heute!) Ich möchte Ihnen nur den
einen Gefallen tun, indem ich sage: Jawohl, ich habe überhaupt kein Problem
damit, mich von dieser Stelle aus von jeder Form von Gewalt zu distanzieren,
auch von jener, zu der es auf welcher Demo auch immer kommt, auch von der
Gewalt, zu der es auf dieser Demo gekommen ist, denn Gewalt, wann und wo immer
sie vorkommt, ist bedauerlich und abzulehnen.
Aber - und das ist der Punkt, um den es geht -: Wenn
man sich von der Gewalt auf dieser Demo distanziert, distanziert man sich bei
weitem und noch lange nicht von dem Grund, weshalb diese Demo stattgefunden
hat. Diese irre Hatz gegen politische Gegner, gegen Politiker, die bei dieser
Demo waren, und diese Verleumdung dieser Tausenden von Menschen, die an dieser
Demo teilgenommen haben - das waren Schüler, Angestellte, Beamte, das waren
Wienerinnen und Wiener, die nicht ertragen konnten, dass Neonazis am Heldenplatz
eine Kundgebung abhalten -, und dieser Versuch, all diese Menschen zu kriminalisieren,
ist nichts anderes als der Versuch, der erbärmliche Versuch, zu vertuschen, weshalb
diese Demo stattfinden musste. (Beifall
bei den GRÜNEN und bei der SPÖ.)
Da wir nun also alle wissen, weshalb diese Demo
überhaupt stattfinden musste, nämlich als Protest dagegen, dass Nazis am
Heldenplatz aufmarschieren, so muss ich Sie von dieser Stelle aus fragen: Wo
waren Sie eigentlich, als diese Demo stattfand? (Ruf bei der SPÖ: "Einkaufen"!)
Einkaufen? Warum waren Sie nicht bei dieser Demo? Warum haben wir Sie dort
vermisst? (Ruf bei den GRÜNEN: Nein,
"vermisst" haben wir Sie nicht!) Doch - im Rahmen der
demokratischen Welt, der wir alle angehören! Ich hätte mich wahnsinnig gefreut,
auch nur einen von Ihnen dort zu begrüßen, der mit uns gemeinsam protestieren
will. Da waren Sie nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nun, das eine sage ich Ihnen: Ich war bei vielen Demonstrationen
dabei in meinem Leben und ich werde
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