Gemeinderat,
12. Sitzung vom 01.03.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 46 von 81
einzigen Schilling?
Es gibt da nur
zwei Möglichkeiten: Entweder Sie sind der Meinung, Public Netbase ist
20 Millionen S wert - das steht Ihnen zu, das ist eine politische
Wertung -, dann geben Sie sie ihnen auch. Das tun Sie natürlich nicht, denn Sie
wissen ganz genau, was 20 Millionen S Budget, wie es Public Netbase
hier selbst hineinschreibt, bedeutet. Das ist dreimal so viel wie die Beiträge
der Stadt Wien an den Musikverein, das ist fast so viel wie das gesamte Budget
des Kindermuseums von der Stadt Wien, das ist das Jahresbudget der gesamten
freien Opernszene von Wien und es ist das Zwanzigfache des Beitrags der Stadt
Wien zum Wiener Filmarchiv.
Offensichtlich
sind Sie nicht bereit, ein derartiges Budget mitzutragen. Dann nehmen Sie aber
bitte Ihre Verantwortung ernst und holen Sie diese Organisation, die offensichtlich
in einer anderen Wirklichkeit lebt, auf den Boden der Realität zurück. Ein
derartiges Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit, von Traum und
Realität, von Ernst und Jux hat es meiner Erinnerung nach nur ein einziges Mal
gegeben - und die stehen heute auch noch auf der Tagesordnung -, nämlich im
Fall von "Wien ist andersrum", worüber wir heute auch noch reden
werden. Das war auch eine Organisation, die die eigenen Budgets immer selbst
festgelegt hat, völlig unabhängig davon, was das Kulturamt bewilligt hat.
Ich war jetzt
ausschließlich im finanziellen Bereich. Wenn Sie bei einem Akt, der in diesem
Ausmaß hier vorgelegt wird - und heute wurde gerade eine Untersuchungskommission
in einem anderen Zusammenhang eingerichtet -, bei einem Akt, der ein derartiges
Budget mit einem derartigen Auseinanderklaffen auf finanziellem Gebiet zwischen
den Vorstellungen des Kulturamts und denen der Betreiber aufweist, der
antragstellenden Organisation in dem jetzigen Stadium auch nur einen einzigen
Schilling geben, dann halte ich das für völlig verfehlt, und dafür haben Sie
die Verantwortung zu übernehmen. (Beifall
bei der ÖVP.)
Jetzt kommen
wir erst auf die Inhalte zu sprechen. Wofür will Public Netbase
20 Millionen S? - Einige ganz kurze Auszüge, wenn Sie Lust darauf
haben, kann ich Ihnen noch sehr viel mehr liefern:
"Die
Interpretation einer rückwärts gewandten Österreichidentität, die in einer
klerikal-autoritären Diktatur ihrer historischen Vorläufer der ÖVP wurzelt,
bildet heute den ideologischen Hintergrund dieser Regierungspartei. Hier findet
sich auch im Kulturverständnis ein Anknüpfungspunkt zur historischen Tradition
der FPÖ, die insbesondere durch ihre aggressive Kunstfeindlichkeit in
Erscheinung tritt und allgemein als Nachfolgeorganisation der ehemaligen NSDAP
gilt."
Das ist,
bitte, nicht ein Link zu irgendeiner regierungskritischen Institution, das ist
die Homepage von Public Netbase, und das ist wortwörtlich der dortige Pressesprecher.
(Zwischenruf des GR Gerhard Pfeiffer.)
Wenn Sie noch
etwas haben wollen: "Es sind Menschen wie Herr Khol, die den ideellen
Grundstein dafür legen, dass Regierungskritiker systematisch observiert und
staatspolizeilich erfasst werden." - Und so weiter und so weiter und so
weiter. (GR Mag Christoph Chorherr: Na,
ist das falsch?)
Ganz langsam,
um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Herren von Public Netbase
haben offensichtlich eine andere Wahrnehmung. Wenn Sie, lieber Herr Chorherr,
auch die Wahrnehmung teilen, dass wir in einem klerikal-faschistischen System
leben, wo die Nachfolgepartei der NSDAP mitregiert und wo Regierungskritiker
observiert und verfolgt werden, dann mag das Ihre politische Wahrnehmung sein,
aber das ist sicher nicht die Wahrnehmung von 95 Prozent der Bürger in
diesem Land. (Beifall bei der ÖVP und bei
der FPÖ.)
Ich habe auch
kein Problem damit - das sage ich Ihnen auch ganz offen -, denn in einer
Demokratie hat jeder das Recht auf seine eigenen Wahrnehmungen. Meiner Meinung
nach sind da auch strafrechtliche Vorwürfe drinnen, aber das ist Sache der
Institutionen oder der Parteien, diese zu verfolgen. Jeder kann seine
Wahrnehmungen auch der Öffentlichkeit mitteilen, auch wenn sie vielleicht ein
bisschen seltsam sind.
Wie Sie
wissen, ich habe ein Naheverhältnis zu den Vereinigten Staaten, zu denen ich in
einer kritisch-freundschaftlichen Beziehung stehe. In den Vereinigten Staaten,
immerhin dem Mutterland der ältesten Demokratie der Welt, da leben auch viele
Menschen mit einer anderen Wahrnehmung. Da gibt es solche, die sind fest davon
überzeugt, dass die Außerirdischen längst die Macht übernommen haben in den
Vereinigten Staaten und dass der jeweilige US-Präsident ein Alien ist. Da gibt
es solche, die sind 100-prozentig davon überzeugt, dass die Mondlandung von der
CIA in einem Fernsehstudie manipuliert wurde und nie stattgefunden hat. Da gibt
es die schon ein bisserl Ungustiöseren, die von der Weltverschwörung der Juden,
der Freimaurer, der Bilderberger, der Trilateralen Kommission und so weiter
reden.
Ich sage Ihnen
noch etwas: Im FBI gibt es nach wie vor einmal in der Woche einen Anruf, wo
jemand sagt: Elvis lebt, er sitzt im Starbucks-Cafe um die Ecke, ich habe ihn
gesehen.
Das sind oft
ganz nette Menschen. Die meisten von denen haben auch einen großen
Mitteilungsdrang, viele davon übers Internet. Alles kein Problem. Nur ein wesentlicher
Unterschied besteht, sehr geehrte Damen und Herren: Die zahlen selbst die
Kosten für ihren Mitteilungsdrang, um ihre skurrilen Ansichten ins Internet zu
bringen, und nicht der Steuerzahler. (Beifall
bei der ÖVP.)
Wenn Public
Netbase der Meinung ist, derart krause Inhalte produzieren und in die Welt
setzen zu müssen, dann sollen sie gefälligst auch dafür zahlen, aber bitte
nicht aus dem Topf der Wiener Kulturschaffenden. (Beifall bei der ÖVP.)
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