Gemeinderat,
12. Sitzung vom 01.03.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 81
anders enden zu
lassen - hinüber zum Karlsplatz führen. Diese Idee - es wäre in unseren Augen
eine gute Idee gewesen -, diese Chance wurde nicht aufgegriffen.
Ich komme noch
einmal auf die Ideologisierung der Sprache zurück. Arribas sagt, die Farbe Rot
symbolisiert die Tradition des Schwarzenbergplatzes in der Mitte Wiens. Er
spricht auch von einem Freiheitsplatz. Man sucht den Freiheitsplatz und wenn
man seine Überlegungen ein bisschen weiter nachvollzieht, findet man ihn: Es
ist anscheinend der Platz rund um das Denkmal der Roten Armee gemeint. In
meinen Augen ist es eine abstruse, peinliche Verherrlichung des Denkmals der
Roten Armee als "Monument der Freiheit", das ja von den Wienern in
der Besatzungszeit ganz andere schmückende Beinamen bekommen hat und jetzt,
zwölf Jahre nach dem Sturz des real existierenden Sozialismus, absurd anmutet.
Wenn Arribas
sich in solche Worthülsen flüchtet oder wenn er sich darin gefällt, so ist das
vielleicht sonderbar. Aber wenn auch unsere so genannten Stadtväter das tun,
erwartet man sich doch mehr Sensibilität im Umgang mit der Geschichte. Mein
Kollege Strache wird anschließend noch zur Denkmalfrage etwas zu sagen haben.
Jetzt komme
ich zum Schritt drei. Der Schritt drei ist dann immer das Herumdoktern, bis der
maximale Schaden entstanden ist. Zum Beispiel beim Museumsquartier wird man
nicht von den Monsterprojekten Abstand nehmen, sondern man wird so lange
herumdoktern, bis alles kaputt ist. Wir haben das barocke Ensemble zerstört,
moderne Baukunst kann sich aber auch nicht entfalten. Wir haben immer gesagt:
Drüben auf der Platte hätte man wunderbar moderne Museumsbauten errichten
können. Sophiensäle: Man will sie abreißen, anstatt zu restaurieren. Dachaufbauten:
Man darf es einfach nicht erlauben, das ist doch ganz klar! Judenplatz: Ein
Betonklotz wird hingestellt, anstatt die verbrannte Synagoge als Mahnmal zu
sehen. - Ich nehme nur ein paar Beispiele heraus.
Beim
Schwarzenbergplatz ist es wieder ähnlich. Man kommt drauf, dass Arribas' Idee
eigentlich nicht umsetzbar ist, aber man verzichtet nicht darauf. Man reißt die
alten Kandelaber heraus, gibt plumpe Pfähle hinein, und das ist jetzt
eigentlich das phantastische Projekt "VIENNA LIMELIGHT". Ich bin
überzeugt davon, in 20 Jahren wird hier jemand stehen und wieder den
ganzen Rückbau fordern.
Ich komme
jetzt noch einmal zurück zum Sinn und Zweck der Ausschreibung. Man wollte
eigentlich der bauhistorischen Bedeutung dieses urbanen Raumgebiets gerecht
werden. Mein Vorredner Dr Tschirf ist schon auf diesen wunderschönen Platz
eingegangen, wir kennen ihn alle, wir müssen das nicht näher beschreiben.
Verwunderlich ist es aber doch, dass man bei diesem Projekt nicht auf die
Bedeutung dieses Ringstraßenbereichs eingegangen ist. Wir haben dort einige der
schönsten Palais, ich muss sie nicht alle aufzählen.
Es gibt eine
sehr interessante Zeitung, nämlich die Zeitschrift der Österreichischen
Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege. Darin hat man sich in der
Februarnummer die Mühe gemacht, diesen Standort sehr liebevoll zu behandeln;
dort sind auch alle Palais aufgeführt. Man könnte meinen, dass man, wenn jetzt
eine Umgestaltung des Schwarzenbergplatzes stattfindet, auf unsere gebaute
Geschichte eingehen würde, aber das tut man nicht. Ich habe es vorhin schon
erwähnt. Diese neuen Kandelaber, diese riesigen Pfähle dienen nicht der
Erhöhung der Schönheit dieses Platzes, sondern rahmen nur die Straße ein und
zerstören damit unsere Kultur.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Man preist zwar diese Dinge als Schritt zur Moderne,
aber ich möchte noch einmal ins Detail gehen. Der Schwarzenbergplatz ist der
einzige Bereich der Ringstraße, innerhalb dessen die alten Lichtmaste von 1904
noch in größerer Anzahl vorhanden sind und auf ihren originalen Standorten
stehen. Ich habe auch einen Antrag eingebracht, aber dieser Antrag wurde
ablehnend behandelt. Man hat gemeint, man wird sich schon bemühen - man kann ja
diese alten Laternen zur Dokumentation aufheben.
Herr Kollege,
ich möchte Ihnen - weil Sie hier so herschauen und sich das vielleicht nicht
vorstellen können -, den Sozialdemokraten, dies überreichen, damit Sie wissen,
was ich unter dieser Stadtmöblierung verstehe. (Die Rednerin hält ein Dokument in die Höhe. - GR Johann Driemer: ...
folgen Ihnen!) Denn man hat sie damals gleichzeitig mit den Gebäuden
eingerichtet, es war eine Rahmenarchitektur, und alles hat zusammengepasst. Das
ist von großer Bedeutung! Wenn ich das ändere, dann ändere ich den ganzen
Charakter des Platzes.
Das wissen
natürlich sehr viele Stadtplaner in unseren Kulturmetropolen Europas. Denn wo
immer man hinschaut - ganz egal, ob nach Prag, Telc, Krumau, Berlin, Paris -,
überall versucht man, diese Dinge zu bewahren und zu erhalten. Das ist zukunftsweisend,
und nicht die Dinge und die wenigen Rückzugsgebiete, die wir an unserer
Geschichte noch haben, noch zu zerstören.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wir sind, wie gesagt, der Meinung, dass viele
Menschen noch Sehnsucht haben nach unseren letzten Rückzugsgebieten, die wir
haben. In Wien wäre das auch der Schwarzenbergplatz gewesen. Das ist nun nicht
mehr möglich. Auch hier haben wir mit diesem Modell einen der schönsten Plätze
zerstört.
Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Ich habe gestern in der Früh einen Antrag abgegeben, in dem
ich noch einmal auf dieses Problem eingegangen bin. Wir sind nämlich der
Meinung, dass wir die Pflicht haben, den nächsten Generationen unsere Identität
zu vererben, und dass wir deswegen unser Kulturerbe achten müssen. Wir haben
zwar in der Wiener Bauordnung einen Fachbeirat für Stadtplanung eingerichtet,
der sich dieser Dinge annehmen soll. Dieser Fachbeirat ist aber so
zusammengestellt, dass er sich eher den Flächenwidmungs- und Be-
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