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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 56

 

GR DDr Bernhard Görg (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Herr Vizebürgermeister!

 

Als ich dem Herrn Vizebürgermeister - und ich weiß nicht, ob er jetzt noch da ist, ja er ist noch da - bei seiner Rede zugehört habe, und ich habe sehr aufmerksam zugehört, nicht nur aus sachlichen Gründen, sondern durchaus auch aus persönlichem Respekt, ist mir eine Gegebenheit aus meiner Gymnasialzeit eingefallen.

 

Wir haben Deutsch-Schularbeit gehabt und ich muss gestehen, ich habe bei Deutsch-Schularbeiten immer Schwierigkeiten gehabt, mehr als zwei Seiten zusammenzubringen. Mein Nachbar hat mir voll Stolz erzählt, als wir nach der Schularbeit eben ein bisschen ausgetauscht haben: "Ich habe neun Seiten geschrieben". Ich war ungeheuer beeindruckt. Dann kriegen wir die Schularbeit zurück und mein Nachbar zeigt mir ganz kleinlaut seine Schularbeit, neun Seiten, und darunter steht in roter Tinte: "Getretener Quark wird breit, nicht stark - Johann Wolfgang von Goethe" und dann "Nicht genügend". (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)

 

Herr Vizebürgermeister, es tut mir Leid, dass ich Ihnen heute - heute ist laut Radio der Welttag der Komplimente - kein Kompliment machen kann, aber Sie können es als Kompliment auffassen, dass ich Sie immerhin eines Goethe-Zitats für würdig befinde. Ich hätte ja jetzt zu Ihrer Rede auch Autoren von geringerer Provenienz und Bedeutung etwas Passendes sagen lassen können.

 

Herr Vizebürgermeister und meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Fraktion! Bevor ich auf den Kernpunkt eingehe, weswegen wir heute diese Sondersitzung beantragt haben, möchte ich aber - weil Sie es selbst angesprochen haben, das habe ich erwartet und ich gehe davon aus, dass die Redner der Sozialdemokratischen Fraktion das heute auch noch genüsslich tun werden, und wenn nicht heute, dann spätestens in der nächsten Landtagssitzung - auf dieses Thema Gehaltserhöhung für die Wiener Beamten eingehen und ganz klar und deutlich noch einmal meine Position zusammenfassen. Das ist auch für Teile meiner Fraktion bestimmt.

 

Es werden sich hier in diesem Raum vielleicht noch ein paar daran erinnern, dass ich vor sehr, sehr langer Zeit in meiner Anfangszeit als Politiker eine Aktion zu verantworten hatte, die gegen das Rathaus gerichtet war, wo ich ein Plakat gemacht habe, oder dafür verantwortlich war, mit dem Text: "Rathaus sauteuer, aber es wirkt nicht." Ich war damals durch das aus meiner Sicht nach wie vor skandalöse, damals geringe Pensionsdurchschnittsantrittsalter im Wiener Magistrat von knapp 53 Jahren beeindruckt. Ich habe mir viel Schelte anhören müssen. Es haben mir Beamte nicht mehr die Hand gegeben. Es kam ein Beamter im Hof auf mich zu und sagte damals: "Herr Dr Görg, fühlen Sie sich geistig von mir angespuckt." Auch in meiner Fraktion war das nicht sehr goutiert. Ich habe dann das Ressort übernommen und ich habe sehr schnell erkannt, dass diese Pauschalverurteilung des Wiener Magistrats und damit der Wiener Beamtenschaft eine falsche gewesen ist, trotz einzelner Missstände. Ich habe sehr schnell sehr großes Vertrauen nicht nur zu meinen Spitzenbeamten - und ich habe in erster Linie mit den Abteilungsleitern zu tun gehabt, aber nicht nur -, sondern auch zur ganzen Mannschaft gefasst. Ich habe zwar immer gesagt, da ist noch sehr viel Luft drinnen, aber die Beamten leisten alle auf ihrem Posten hervorragende Arbeit.

 

Also wenn ich, und ich bleibe bei meiner Forderung, sie aufrecht erhalte, dann nicht deswegen, weil ich irgendjemanden in der Wiener Beamtenschaft generell für unqualifiziert und für überbezahlt halte. Ich weise auch ganz deutlich den Vorwurf der sozialen Kälte zurück. Ich selbst habe in meinem Zivilberuf und auch als Politiker eine Reihe von Leuten in meinem Büro vor mir sitzen gehabt, die mich mit Tränen in den Augen angefleht haben: "Herr Dr Görg, verschaffen Sie mir eine Arbeit. Ich bin bereit um die Hälfte dessen zu arbeiten, was ich bisher verdient habe, aber ich möchte Arbeit." Da gebe ich Ihnen völlig Recht, Herr Kollege Rieder, dass Arbeitslosigkeit am Selbstwertgefühl der Menschen ungeheuer rührt. Ich habe diese Pauschalverurteilungen "Wer nicht arbeitet, ist Sozialschmarotzer, der will nicht arbeiten" und dergleichen mehr immer abgelehnt. Das ganz klar und deutlich.

 

Dennoch bin ich der Meinung, dass es gerade in Zeiten wie diesen auch auf Beamtenebene, was die Lohn- und Gehaltsabschlüsse betrifft, eine Solidarität geben soll. Deswegen sage ich: Die Wiener Beamten, unabhängig davon, was die Inflationsrate ist, sollen Gleiches oder Ähnliches kriegen, was Beamte auf Bundesebene oder in den Bundesländern kriegen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Jetzt höre ich von meinen Freunden, dass die Bundesbeamten noch einen Nachschlag am Ende des Jahres kriegen werden. Das soll mir recht sein. Dann sollen die Wiener Beamten auch einen Nachschlag kriegen. Ich habe nicht einmal ein Problem, wenn man den Nachschlag so ein bissel vorwegnimmt, aber wenn, dann in einer sozial gerechteren Form. Wir werden als ÖVP daher auch im nächsten Landtag eine sozial gerechtere Form des Gehaltsabschlusses vorschlagen.

 

Aber jetzt zum eigentlichen Thema. Herr Vizebürgermeister, ich bin ganz mit Ihnen, wenn Sie sagen, dass diese Konjunktursituation und damit auch die Arbeitslosensituation zum Gutteil international bedingt ist, zum geringeren Teil schon national bedingt ist, weil sich auch die Nation, der Staat von der internationalen Bewegung nicht abkoppeln kann, und dass wir hier in Wien den kleineren Teil des Problems im eigenen Bereich bewältigen können. Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu.

 

Aber wo ich Ihnen absolut nicht zustimme, ist, dass Sie der Meinung sind, dass das, was die SPÖ-Alleinregierung in den letzten Monaten an Budgetmaßnahmen getroffen hat, die adäquate wirtschaftspolitische und adäquate arbeitsmarktpolitische Antwort auf diese Situation ist. Es ist ja bezeichnend, dass als erste Reaktion auf die dramatischen Arbeitslosenzahlen des Dezembers der Bürgermeister - und ich weiß nicht, ob Sie dabei waren - hergegangen ist und nur das alte Lied vom

 

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