Gemeinderat,
10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 56
Die Geschäftsordnung bestimmt, dass bei der nun folgenden
Besprechung kein Redner öfter als zweimal und mehr als insgesamt
20 Minuten sprechen darf. Ausgenommen von dieser Beschränkung sind der Bürgermeister
und die zuständigen amtsführenden Stadträte. Deren Redezeit ist pro Wortmeldung
mit 20 Minuten beschränkt.
Für die Besprechung erteile ich Frau GRin Dr Vana das
Wort.
GRin Dr Monika Vana
(Grüner Klub im Rathaus): Sehr
geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende und sehr geehrter Herr
Stadtrat!
Wir haben Alarmstufe Rot am Arbeitsmarkt. Deshalb
stülpe ich das, was ich mitgebracht habe, über das rote Lämpchen, wenn ich
darf. (Die Rednerin stellt einen gelben
Helm mit der Aufschrift "FRAU AM BAU?" auf das Rednerpult.)
Die Bilanz der Wiener Arbeitsmarktpolitik spricht für
sich: 80 000 vorgemerkte Arbeitssuchende. Im Jänner wird eine
Rekordarbeitslosigkeit von 86 000 arbeitssuchenden Menschen erwartet. Dem
gegenüber stehen 3 000 offene Stellen.
Wir haben den höchsten Anstieg an
Frauenarbeitslosigkeit aller österreichischen Bundesländer mit 22 Prozent
Anstieg. Wir haben 30 000 arbeitslose Frauen in Wien. Wien hat den
höchsten Anstieg aller langzeitarbeitslosen Menschen mit 9 Prozent und
Wien hat, so wie der Bund, erstmals einen Rückgang der Beschäftigtenzahl.
Das ist eine schlechte Bilanz, Herr Stadtrat. Und
wenn ich mir eben diese Zahlen anschaue und wenn ich mir angehört habe, was Sie
in den vergangenen Wochen an Programmatischem vorgelegt haben, wie Sie auf
diese Zahlen reagiert haben und was Sie uns auch heute präsentiert haben, dann
hat das mit dem Titel Ihrer Mitteilung, "Aktiv, effizient, sozial für eine
offensive Konjunktur- und Beschäftigungspolitik", wie Sie sie heute
genannt haben, nicht sehr viel zu tun.
Herr Stadtrat, es reicht nicht, sich auf die
Bundespolitik auszureden, was die Arbeitslosigkeit betrifft. Sie haben auch
Verantwortung. Und diese arbeitsmarktpolitische Verantwortung Wiens haben Sie
unserer Ansicht nach keinesfalls genügend, sondern absolut ungenügend
wahrgenommen. Sie haben nicht nur zu spät auf die Arbeitslosigkeit reagiert -
die Zahlen sind ja längst bekannt -, sondern Sie haben auch nur auf Druck der
Opposition darauf reagiert, und diese Sondersitzung heute findet ja auch nur
auf Druck der Opposition statt.
Sie nützen auch Ihre eigenen Spielräume nicht und Sie
präsentieren uns nur alte Hüte, nichts Innovatives. Und Sie setzen in Wien
nicht um, was Sie an die Bundesregierung oder an den Bund an Forderungen
stellen. Wir sind sehr enttäuscht, Herr Stadtrat. Wir hätten mehr erwartet.
Wir haben es irgendwann satt, von der
Sozialdemokratie nur Lippenbekenntnisse zu hören. Das, was Sie hier präsentiert
haben, ist ein Armutszeugnis für sozialdemokratische Beschäftigungspolitik.
Doch bevor ich mich näher mit dem Wiener Arbeitsmarkt
befasse, möchte ich natürlich ein paar Worte zur Bundespolitik sagen, die ja
die Rahmenbedingungen für Arbeitsmarktpolitik vorgibt, und ein paar Worte an
die Vertreter und Vertreterinnen der Regierungsparteien richten, die heute
sehr, sehr vorsichtig sein sollten, hier irgendwelche Empfehlungen an die
Wiener Stadtregierung zu richten, denn wenn die Wiener Bilanz eine schlechte
ist, dann ist Ihre arbeitsmarktpolitische Bilanz eine katastrophale, sehr
geehrte Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ!(Beifall bei den GRÜNEN.)
50 000 arbeitssuchende Menschen in
Österreich mehr im Jahresvergleich! Das ist eine Rekordarbeitslosenrate von 8 Prozent,
was ein Abrutschen der bisherigen österreichischen Vorreiterposition in der
Europäischen Union auf eine Mittelposition bedingt. Sie haben es geschafft,
dass Österreich das absolute Schlusslicht - das muss man sich vorstellen - bei
den Einkommenszuwächsen in Europa ist! Und Sie haben es geschafft, dass das
zehntreichste Land der Welt, und das ist Österreich, bereits 850 000 arme
Menschen hat! 850 000 Menschen leben in Österreich bereits an, unter oder
gefährlich nahe der Armutsgrenze, wie der jüngste Armutsbericht zeigt, und ... (GR Gerhard Pfeiffer: Sagen Sie das nicht!) Sie
können den Armutsbericht lesen. Ich nehme an, Sie haben ihn nicht gelesen. Das
wäre eine spannende Lektüre für Sie, Herr Kollege Pfeiffer.
Sie haben es auch geschafft, dass die
Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in diesem Land in manchen
Altersgruppen über 50 Prozent betragen. Und der Anstieg der
Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, trägt
eindeutig Ihre Handschrift! Sie können sich nicht nur auf die Konjunktur oder
auf Konjunktureinbrüche abputzen. Nein, denn die Erhöhung des Pensionsalters,
die Ausgliederungen, die Privatisierungen, das Abschöpfen von
Milliardenbeträgen aus der Arbeitslosenversicherung - das ist schon Ihre Verantwortung!
(Aufregung bei GR Gerhard Pfeiffer.)
Das ist schon Ihre Verantwortung!
Wenn ich mir dann anschaue, und Herr StR Rieder hat
das völlig zu Recht angemerkt: 30 Milliarden S so mir nichts dir
nichts für Abfangjäger bereit zu haben! 30 Milliarden S! Meine Damen
und Herren, wissen Sie, was das ist? - Das sind 6 Millionen
Studiengebühren, das sind 500 000 Kindergartenplätze in diesem Land! Das
sind 30 Milliarden S, die Sie für Abfangjäger ausgeben und keinen
Schilling zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Sie haben sich aus der aktiven
Arbeitsmarktpolitik völlig verabschiedet, meine Damen und Herren von den
Regierungsparteien! Völlig verabschiedet haben Sie sich aus der aktiven
Arbeitsmarktpolitik, seit Sie Wirtschaftsministerium und Arbeitsministerium zusammengelegt
haben, seit Sie den Österreicherinnen und Österreichern ständig neue
Belastungen auferlegen.
Ich brauche nur einige davon aufzählen, Herr StR Rieder hat
das schon angesprochen: Streichung der Familienzuschläge zum Arbeitslosengeld,
Verschlechterung des Kündigungsschutzes durch die neue Kindergeldregelung,
Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung einer Krankenversicherung für
kinderlose
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