Gemeinderat,
9. Sitzung vom 14.12.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 138
Gerechtigkeitslücken, die die
Sozialdemokratie in Wien immer noch nicht beseitigt hat. Das wissen Sie! Dieses
Problem ist schon lange bekannt. Wir haben Ihnen viele Vorschläge gemacht, aber
die Bewegung in diesem Bereich ist minimal.
Schließlich
geht es noch um den gleichberechtigten Zugang zur Sozialhilfe für Leute, die
diese Töpfe auch alle mitfinanzieren. Wir möchten da nicht jedes Mal alles
vorrechnen müssen, Sie kennen die Zahlen alle, es liegt alles auf dem Tisch.
Die
"Wiener Stadtbürgerschaft" ist - und da hat Herr GR Ulm von der
Österreichischen Volkspartei völlig Recht - ein Beitrag zur Weltverbesserung,
zur Stadtverbesserung. Sie ist ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in dieser
Stadt, und wir hoffen, dass sehr viele Leute in dieser Stadt mit uns gemeinsam
diesen Weg gehen. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender
GR Günther Reiter: Für weitere Wortmeldungen bringe ich
in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderats nur einmal zum
Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit 5 Minuten begrenzt ist.
Als
nächster Redner hat sich Herr GR Dr Ulm zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
GR Dr
Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich hatte
an dieser Stelle schon mehrfach die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die
Integrationspolitik der SPÖ herzlos, polemisch und gefährlich ist. (GR Dr Kurt
Stürzenbecher: Na Servus!) Aber die Integrationspolitik der GRÜNEN, die ist
unehrlich! (Beifall bei der ÖVP und ironische Heiterkeit bei den GRÜNEN.) Sie
ist insbesondere dann unehrlich, wenn Sie die Einführung einer
"Stadtbürgerschaft" verlangen und eigentlich etwas ganz anderes
wollen. Wenn Sie dieses andere wollen, dann würde ich Sie bitten, das dem
Bürger auch zu sagen und ihm nicht Sand in die Augen zu streuen.
Wie ich
Ihre Pressepapiere gelesen habe, erinnerte mich das spontan an Jörg Mauthe und
an einen seiner berühmtesten Romane, nämlich "Die große Hitze". Darin
geht es um die "Verösterreicherung" der Welt, wie manche von Ihnen
wahrscheinlich wissen werden.
Was Sie
wollen, ist genau das Gegenteil: Sie wollen die Verweltlichung von Österreich.
Sie wollen die Abschaffung der Staatsbürgerschaft, Sie wollen die Abschaffung
des Österreichers! (Beifall bei der ÖVP und Heiterkeit bei den GRÜNEN. - GR Mag Rüdiger
Maresch: ... ein Scherz!)
Kein
anderer Schluss kann aus Ihrer Argumentation gezogen werden als dieser, denn
Sie wollen die umfassende Gleichstellung aller Österreicher und aller Ausländer
hier in dieser Stadt. Sie berücksichtigen nicht, dass es ein sachlich
gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium gibt, nämlich die Staatsbürgerschaft:
das Rechtsinstitut der Staatsbürgerschaft als Anknüpfungspunkt für
unterschiedliche Regelungen - etwas, was durchaus Sinn macht. In vielen
Bereichen, dort, wo es gerechtfertigt ist, gibt es ja gleiche Regelungen:
Selbstverständlich haben auch Ausländer Anrecht auf eine Pension,
selbstverständlich haben auch Ausländer Anrecht auf Arbeitslosengeld, wenn sie
arbeitslos geworden sind, selbstverständlich nehmen sie teil an unserer
Gesundheitssicherung, selbstverständlich nehmen sie teil am Bildungswesen und
am Schulwesen. (GR
Günter Kenesei: Ihr seid ja großzügig!)
Aber es
gibt natürlich Dinge, bei denen unser Rechtssystem auf die Staatsbürgerschaft
abstellt. Wenn Sie eine völlige Einheit haben wollen, eine völlig gleiche
Regelung auch in Angelegenheiten wie Sozialhilfe en détail oder im Bereich des
Wahlrechts - die Wehrpflicht erwähnen Sie in diesem Zusammenhang
interessanterweise nicht (GR Johannes Prochaska: Das ist bezeichnend!) -, dann
gibt es nur einen gültigen Schluss, den man daraus ziehen kann: Sie wollen das
Rechtsinstitut der Staatsbürgerschaft abschaffen. (GR Günter Kenesei: Wer hat
denn das gesagt?) Und damit schaffen Sie den Staatsbürger ab, damit schaffen
Sie den Österreicher ab! - Ein anderer Schluss ist aus Ihrer Argumentation
nicht zu ziehen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Sie wollen
in Zukunft nicht mehr an eine Staatsbürgerschaft anknüpfen, es gibt also keine
Staatsbürger mehr, sondern Sie beziehen sich nur noch auf das Bundesgebiet. Wer
sich also dann innerhalb dieser Grenzen des Bundesgebiets aufhält (GR Günter Kenesei:
Menschen! Menschen!), solche Menschen werden Sie dann in Zukunft haben,
und die bezeichnen wir dann, Herr Kollege Kenesei, vielleicht am besten als
"alle im Bundesgebiet", "alle legal im Bundesgebiet
Aufhältige", zum Beispiel als "ALIBAs": "alle legal" -
oder Ihrer Meinung nach auch illegal - "im Bundesgebiet Aufhältigen".
Dann haben wir halt statt Österreichern "ALIBAs". (GR Günter Kenesei:
Weltbürger haben wir dann!)
Dagegen
habe ich überhaupt nichts einzuwenden, aber ich sage Ihnen etwas: Sie tun den Österreichern
nichts Gutes und Sie tun auch Türken nichts Gutes und Sie tun Bosniern nichts
Gutes und Sie tun Griechen nichts Gutes, wenn Sie ihnen diese nationale
Identität nehmen! (GR
Günter Kenesei: Die sind in der EU! Die sind seit geraumer Zeit in der EU!) Ich bin
nicht für Nationalismus und schon gar nicht für die übersteigerte Form des
Chauvinismus - das ist ja überhaupt keine Frage -, aber nehmen Sie ihnen nicht
ein Stück Identität auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer Nation! Diese
Menschen sind das sehr gerne, sie sind stolz darauf, einer Nation anzugehören!
- Auch Herr Kollege Kenesei ist ein begeisterter Fußballfan, und er denkt ja
auch nicht etwa daran - oder vielleicht denkt er daran? -, die
Nationalmannschaft abzuschaffen! (Zwischenrufe der GRe Günter Kenesei und Mag
Christoph Chorherr.) - Das wäre in der jetzigen Situation aber vielleicht
gar kein besonderer Nachteil! Ja, das hätte schon etwas für sich! (Heiterkeit bei den GRÜNEN.)
Aber was wirklich
wichtig ist, ist, dass die Nation
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