Gemeinderat,
6. Sitzung vom 25.10.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 61 von 100
so kann das
bestehende hohe Niveau der öffentlichen Verkehrsmittel auch aufrechterhalten
werden. Dazu bedarf es aber genauer Regelungen und Anforderungen: Was will ich
verkehrspolitisch eigentlich erreichen?
Mit der
Ausgliederung der Wiener Linien
wurde ein Schritt getan, sich von der Verkehrspolitik zu verabschieden, mit
diesem Vertrag wird der nächste Schritt dazu getan. Denn wo sonst außer in einen
Vertrag, den ich mit dem Betrieb abschließe, der zuständig ist für die
Erbringung der Dienstleistung, schreibe ich denn hinein, welche Qualitätskriterien
ich mir tatsächlich wünsche, wo sonst schreibe ich hinein, welche Zielsetzungen
im Modal Split ich habe, welche Zielsetzungen in der Qualität ich habe. Es
bleibt nicht mehr viel übrig, wenn ich sämtliche Agenden im Zuge eines Vertrags
abtrete. Wenn ich dann diese Möglichkeit auch noch auslasse, meine sehr
geehrten Damen und Herren, dann ist das die Verabschiedung von der Verkehrspolitik.
Kommen wir zur
Tarifhoheit. Ja, im Zuge der Ausgliederung wurde die Tarifhoheit de facto abgegeben.
Ungefähr genauso de facto, wie sich zur gegenwärtigen Situation mit diesem
Vertrag de facto noch überhaupt nichts ändert. Es ist heute ganz egal, ob
dieser Vertrag abgeschlossen wird oder nicht. Dieser Vertrag stellt nur die
Weichen für die Zukunft, und da hängt es eben von den Rahmenbedingungen ab, die
auf EU-Ebene weiter beschlossen, entschieden werden, wo ich mich darüber freue,
dass es, zumindest wenn man den letzten Verkehrsausschuss betrachtet, zu einem
Umdenken in dieser größenwahnsinnigen Liberalisierungswettbewerbstendenz
gekommen ist. Aber ob die Europäische Union tatsächlich umdenkt, lässt sich
heute noch nicht sagen.
Kommt dieser
Vertrag jedoch, gekoppelt mit einem Urteil, über das jetzt schon viel
spekuliert wird, wie das ausgehen wird - nämlich dieser Prozess eines
Busunternehmers gegen Magdeburg bezüglich Liberalisierung und
Zurverfügungstellung von Konzessionen -, ist nicht absehbar, welche Konsequenzen
das hat. Kollege Pfeiffer und, ich glaube, Herr Madejski haben heute schon
gesagt, es ist ein Husch-Pfusch-Vertrag, der in seinen Auswirkungen, wenn die
Liberalisierung auf EU-Ebene weiterschreitet, noch überhaupt nicht absehbar
ist.
Doch zurück zu
den Tarifen. Wenn die Tarifhoheit abgegeben wird und dann noch in so einer Art
und Weise verteidigt wird wie vom Kollegen Juznic - ich hoffe, ich spreche den
Namen richtig aus; wenn ich das falsch mache, entschuldige ich mich und lasse
es mir nachher erklären, wie es richtig geht; es ist nicht meine Art, Namen zu
verunstalten -, wenn gesagt wird, es gäbe überhaupt keine Möglichkeit, dann frage
ich genauso wie Kollegin Rothauer: Warum? - Das ist doch das Kernstück der
öffentlichen Verkehrsbetriebe!
Wir alle
wissen, dass die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs insgesamt gesehen
über drei wesentliche Komponenten funktioniert. Die eine Komponente ist die
Attraktivität, sie umfasst Intervalle, Dichte, Zeiten, Linienführung et cetera,
die zweite Komponente ist der Tarif, auch im Verhältnis zum Autoverkehr, und
die dritte Komponente, wenn wir tatsächlich dazu stehen, den öffentlichen Verkehr
zu bevorzugen, ist, dass es neben Beschleunigungsmaßnahmen für den öffentlichen
Verkehr selbstverständlich auch Maßnahmen geben muss, die das Autofahren nicht
ganz so attraktiv erscheinen lassen.
Diese drei
Komponenten zusammen würden mithelfen, einen gut funktionierenden, ausbaufähigen
öffentlichen Verkehr sicherzustellen. Aber mittels dieses Vertrags, eine
Komponente oder eigentlich zwei dieser Komponenten aus der zentralen politischen
Diskussion herauszunehmen und an ein Unternehmen zu verlagern, ist, wie vorher
schon formuliert, die Verabschiedung von einer nach vorne schauenden Verkehrspolitik.
In diesem Sinn
lehnen wir diese Art der Verkehrspolitik der Sozialdemokratie ab und fordern
Folgendes ein: Wenn es aus Ihrer Sicht tatsächlich notwendig ist, einen Vertrag
mit den Wiener Linien abzuschließen,
dann müssen in diesem Vertrag Qualitätskriterien definiert und ausgeführt sein,
und es müssen die Ziele der Verkehrspolitik, hinter denen die Rathausmehrheit
steht, offen gelegt und tatsächlich niedergeschrieben werden. Außerdem müssen
Kontrollmöglichkeiten enthalten sein, es müssen Kriterien erkennbar sein, die
objektiv gemessen werden können, um nach ein, zwei, drei Jahren bewerten zu können,
ob das Ziel, mehr Menschen durch den öffentlichen Verkehr anzusprechen, mehr
Menschen dazu zu bewegen, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen, tatsächlich
erreicht wurde.
Auch für uns
als Grüne ist es selbstverständlich,
dass man die Wiener Linien
wirtschaftlich führen muss. Das ist vollkommen klar, aber es gibt schon noch
einen Punkt, auf den ich gerne hinweisen würde, weil das auch auf Grund der
gesamten Liberalisierungstendenzen, Wettbewerbstendenzen oft ganz massiv in den
Hintergrund tritt. Ein Betrieb mit so vielen ArbeitnehmerInnen wie die Wiener Linien hat nicht nur
betriebswirtschaftlichen Kriterien Folge zu leisten, sondern auch auf
volkswirtschaftliche Kriterien Rücksicht zu nehmen. Das ist es nämlich, womit
Politik gemacht wird, und wer heute davon redet, dass man längerfristig alles
dem freien Markt und der Liberalisierung unterwerfen will, der schafft
einerseits eine Leistungseinschränkung, wie sich aus vielen Bereichen jetzt
schon gezeigt hat, und andererseits die Arbeitslosen von morgen. - Danke sehr.
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer: Als
Nächster ist Herr GR Dr Tschirf zum Wort gemeldet. - Bitte:
GR Dr Matthias
Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Herr Berichterstatter! Herr Vizebürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Ich möchte mich im
Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit und die vielen richtigen Argumente, die
schon
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