Gemeinderat,
5. Sitzung vom 21.9.2001, Wörtliches Protokoll
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Aufklärung, die im
politischen Gewissen unserer Stadt auch wichtig ist. Wir können nicht immer nur
sagen, NS-Zeit, das sind die anderen und nach dem Krieg war alles anders und
die Sozialdemokratie hat hier nicht den Bedarf, nachzuschauen.
In diesem Sinn
sind wir natürlich, um auf das Geschäftsstück zurückzukommen, nicht gegen den
Vertrag für das Institut für Stadtgeschichtsforschung, gegen diese Übersiedlung
in den Gasometer. Dem werden wir natürlich zustimmen. Aber wir erwarten von der
Sozialdemokratie, von der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, eine Aufklärung dieser
Fragen, die wir gestellt haben. - Danke schön. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender
GR Günther Reiter: Zum Wort
ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Der Herr
Berichterstatter hat das Schlusswort.
Berichterstatter
GR Dr Michael LUDWIG: Sehr geehrter
Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Kollegin
Pilz hat ja bereits darauf hingewiesen, dass Herr StR Rieder in seiner Funktion
als BSA-Obmann die Öffnung aller Archive bereits zugesagt hat. Ich würde mir
sehr wünschen, dass andere Institutionen und Einrichtungen diesem Beispiel
folgen, denn es ist für mich auch als Historiker unverständlich, dass man sich
eigentlich immer auf Einrichtungen konzentriert, die in den letzten Jahrzehnten
ganz deutlich gezeigt haben, dass sie sich als antifaschistische Einrichtungen
verstehen und auch sehr konsequent gegen Mitglieder vorgehen, wenn bekannt
wird, dass sie eine solche Vorgeschichte haben, und das ist im Fall Gross auch
geschehen. Leider hat man das zu spät erkannt, aber es sind sofort, nachdem die
Informationen weitergeleitet worden sind, auch die entsprechenden Schritte
eingeleitet worden. Wie gesagt, ich würde mir wünschen, dass andere Organisationen,
Parteien, Vereinigungen und Einrichtungen diesem Beispiel folgen.
Nur, all das
hat jetzt nicht unmittelbar mit unserem Akt zu tun und nicht unmittelbar mit
dem Ludwig-Boltzmann-Institut, über das wir heute reden. Man sollte auch bei
dieser Gelegenheit sehr deutlich unterscheiden, dass es eine Struktur in der
Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft gibt, die vorsieht, dass diese Gesellschaft aus
den wissenschaftlichen Instituten und Forschungsstellen auf der einen Seite
besteht und auf der anderen Seite aus einer Gesellschaft, die sich mit
Ressourcenmanagement und mit der eigentlichen Dachverwaltung auseinander setzt.
Gerade bei den Instituten der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft kann man sehr
deutlich machen, dass in den letzten Jahrzehnten eine besonders intensive
Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus in Österreich
stattgefunden hat. Ich möchte hier nur einige wenige Beispiele zitieren, um zu
zeigen, wie intensiv sich die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft in den verschiedensten
Instituten auch mit diesem Teil unserer Vergangenheit auseinander gesetzt hat.
Es hat
beispielsweise im Ludwig-Boltzmann-Institut für China- und
Südostasien-Forschung unter der Leitung von Prof Kaminsky eine sehr intensive
Aufarbeitung der Exilforschung in China gegeben, wohin vor allem sehr viele
jüdische Österreicherinnen und Österreicher in der Nazizeit flüchten konnten
und mussten.
Aber auch
beispielsweise am Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte und Gesellschaft
unter der Leitung von Frau Prof Weinzierl hat es eine ganze Reihe von Forschungsarbeiten
gegeben, die sich vor allem mit den Themenschwerpunkten Widerstand, Verfolgung
und Exil auseinander gesetzt haben.
Aber auch
beispielsweise das Ludwig-Boltzmann-Institut für Gesellschafts- und
Kulturgeschichte unter der Leitung der Professoren Adelt, Konrad und Kanonier
hat sich ganz intensiv mit der Faschismusforschung auseinander gesetzt und hat
gerade zuletzt auch ein Projekt über Gedächtnis- und Österreichbilder der
Enkelgeneration österreichischer Emigrantinnen und Emigranten durchgeführt.
Oder
beispielsweise, um nicht zu lang zu werden, noch zwei Beispiele: Das Ludwig-Boltzmann-Institut
für historische Sozialforschung unter der Leitung von Herrn Prof Botz. Er war
der Erste, der sich überhaupt sehr konsequent und mit großer internationaler
Anerkennung und Beachtung mit Antisemitismus, Konzentrationslager und historischer
Faschismusforschung beschäftigt und auseinander gesetzt hat.
Oder ein
letztes Beispiel noch, aber ich könnte die Liste auch noch fortsetzen: Das
Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung unter der Leitung von Prof
Karner. Das Institut hat sich ganz intensiv ebenfalls mit großer
internationaler Anerkennung mit der Thematik von Lagern in Vergleich mit
Kriegsgefangenschaft und Kriegsentschädigungsfragen auseinander gesetzt.
Wie gesagt,
ich könnte die Liste jetzt noch fortsetzen. Es sind nur einige wenige
Beispiele, die aber zeigen, dass die verschiedensten Institute der
Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft gerade diesem Teil der österreichischen Geschichte
ganz besonders Augenmerk geschenkt haben und ich bin eigentlich dafür, dass man
die Bestrebungen der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft auch in dieser Frage weiter
unterstützen sollte und die große internationale Anerkennung, die die
Gesellschaft und die verschiedensten Institute gefunden haben, auch
entsprechend würdigen soll.
Zum vorliegenden Akt
vielleicht noch eine Anmerkung. Es geht vor allem darum, dass es in diesem
Institut zur Herausgabe des Historischen Atlas der Stadt Wien und des
Österreichischen Städteatlas kommt. Es sind zwei epochale Werke, die auch für
die Geschichte unserer Stadt von ganz großer Bedeutung sind und hier hat sich
das Institut bereits große Verdienste erworben. Es ist für uns alle eine große
Genugtuung, dass dieses Institut gemeinsam mit dem Archiv der Stadt Wien eine
neue Bleibe in den Gasometern gefunden hat und ich persönlich freue mich schon
sehr auf die Eröffnung des Archivs am kom
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