Gemeinderat,
4. Sitzung vom 27.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Unterausschüsse und Kommissionen
des Gemeinderats der Stadt Wien - zusammenzuziehen, die Abstimmung jedoch
getrennt durchzuführen.
Wird dagegen ein Einwand erhoben? - Das ist nicht der
Fall.
Ich bitte
daher den Berichterstatter, Herrn GR Dr Stürzenbecher, die Verhandlung
einzuleiten.
Berichterstatter GR Dr Kurt Stürzenbecher:
Ich ersuche um Zustimmung zu diesen beiden wichtigen Geschäftsstücken.
Vorsitzende GR Mag Heidemarie Unterreiner:
Ich eröffne die Debatte. Zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag Chorherr. Ich
erteile es ihm.
GR Mag Christoph Chorherr (Grüner
Klub im Rathaus): Meine Damen und Herren!
Ich glaube, über wenige Geschäftsstücke wurde bisher
derart lang und intensiv diskutiert - ich hatte die große Ehre, diese
Diskussion mit den Kollegen Schuster und Prochaska und, im Wechsel der
Besetzung, dem jeweiligen Vertreter der FPÖ zu führen -, wie über die
öffentlich vielleicht nicht sehr interessante, aber, wie ich meine, was das
parlamentarische Spiel betrifft, relevante Frage der Änderungen der
Geschäftsordnungen. Es war ein langes Hin und Her, und ich möchte hier auch
noch einmal kurz auf die Verfassungsänderungen, die wir bereits besprochen und
beschlossen haben, eingehen.
Vorweg ein Positives und dann kurz auch ein
Kritisches und Ablehnendes: Das Positive betrifft die Änderungen, die uns als
Gemeinderat und auch in unserer Zusammensetzung als Landtag, in der wir die entsprechenden
Beschlüsse morgen fassen werden, betreffen. Es ist zwar nicht so, dass hier
alles zu 100 Prozent unseren Vorstellungen entspricht - ich werde das dann
jeweils im Einzelfall aufführen -, aber wie das Wesen von Kompromissen nun
einmal ist, bedeutet Kompromiss, dass es ein Kompromiss für alle Seiten ist.
Die Frage ist dann immer: Geht es sich aus?
In Bezug auf den Landtag und Gemeinderat möchte ich
das bejahen, nicht aber in Bezug auf die Änderungen auf Bezirksebene. Deshalb
fange ich jetzt mit der Bezirksebene an. Ich möchte dabei durchaus auf die
Wortmeldung des jetzt nicht im Saal befindlichen Kollegen Fuchs Bezug nehmen,
der sich in Bezug auf die Postnummer 1 maßlos über die Sozialdemokratie
alteriert hat (Zwischenruf des GR Walter Strobl.) und gesagt hat, da
wurde drübergefahren und ich weiß nicht was. Interessant waren die
Bezirksverhandlungen insofern, als es von Anfang an einen Entwurf gab, der von
der damaligen Regierung, von SPÖ und ÖVP, ausverhandelt wurde und der in einem
Zeremoniell - wenn es schöner gewesen wäre, hätte ich gesagt, in einem
französischen Zeremoniell des 18. Jahrhunderts - abgehandelt wurde, bei
dem man von Anfang an genau wusste, was herauskommt. - (In Richtung des
seinen Platz einnehmenden GR Johann Hatzl:) Herr Präsident, ich begrüße Sie
ausdrücklich, weil Sie bei diesen Debatten immer ein interessanter Gesprächs-
und Verhandlungspartner waren! - Ich habe viel gelernt vom damaligen Klubobmann
und jetzigen Präsidenten Hatzl: wie lange und kultiviert und hartnäckig man nein
sagen kann und wie man durch die immer neue Wiederholung jeweils ähnlicher
Argumente versucht, sein Gegenüber zu zermürben. Ich habe bei Ihnen gelernt,
dass man - ohne dabei auf persönliche Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen, wie
sie sich etwa in dem Satz "Jetzt muss ich es zum 98. Mal sagen!"
zusammenfassen ließen - Dinge eben ganz einfach 98 mal sagen muss und
dabei - auch wenn das Gegenüber seine eigenen Argumente in ebensolcher Weise
immer wieder wiederholt - nur nicht die eigene Position aufgeben darf, denn
ansonsten - flutsch! - ist die jeweilige Mittelposition schon in Richtung SPÖ
gewandert.
Ich war bei den Bezirken. - Es war ein
Riesen-Procedere, bei dem man nur eines lernen konnte. Bei den
Bezirksverhandlungen hat ja die ÖVP zwei Verhandler, Kollegen Homole und
Kollegen KARL, entsandt. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Herren?
- Ich möchte mich jetzt nicht im Detail über deren Persönlichkeiten ausbreiten,
sondern der Unterschied ist im Wesentlichen folgender: Der eine kommt aus einem
Mehrheitsbezirk der ÖVP und der andere kommt aus einem Bezirk, wo die ÖVP in
der Minderheit ist. Und als sie dann in den Verhandlungen zu diskutieren und
miteinander zu streiten angefangen haben, wurde sichtbar, was in diesem alten
Ausspruch von Marx ausgedrückt ist: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. - Dies
gilt auch bei den Kollegen der ÖVP.
Tatsache ist, dass es am Ende dieser langen
Entwicklung dann kaum eine Änderung gab - um nicht zu sagen: gar keine. Also
regt euch nicht auf, Kollege Fuchs und Kollege Prochaska, dass drübergefahren
wird! Dort, wo es euch passt, seid ja ihr entsprechend drübergefahren, und es
ist zu überhaupt keinen relevanten Änderungen auf der Ebene der
Bezirksvertretung gekommen.
Ich nenne hier einmal die wirklich großen Dinge, über
die man diskutieren hätte müssen - wiewohl ich hinzufügen muss, dass ich nie
die Ehre hatte, in Wien einer Bezirksvertretung anzugehören, ich habe aber
manchmal zugehört -:
Da ginge es beispielsweise darum, dass - dies sollte
eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein! - der Bezirksvorsteher durch die
Mehrheit des Bezirksrats gewählt wird, so wie hier im Gemeinderat
richtigerweise der Bürgermeister nicht automatisch von der stimmenstärksten
Partei gestellt wird, sondern mit der Mehrheit des Hauses gewählt wird. Das
wäre eine wichtige Sache und sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit
sein. Die Groteske, die sich in Liesing abgespielt hat und die Kollege
Klucsarits gestern in einem sehr emotionalen Ausbruch hier zur Auflockerung der
Debatte geschildert hat, zeigt, wohin es führt, wenn das nicht entsprechend
demokratisch geregelt ist.
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