Gemeinderat,
4. Sitzung vom 27.6.2001, Wörtliches Protokoll
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Vorsitzender GR Josefa Tomsik:
Als Nächste ist Frau GR Mag Wehsely zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.
GR Mag Sonja Wehsely (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte mich bei der ÖVP sehr herzlich für dieses Thema der Aktuellen
Stunde bedanken, denn die Stadt Wien nimmt Familien sehr wichtig. Ich werde es
mir jetzt ersparen, alles vorzulesen, was die Stadt Wien für Familien tut. Es
ist eine Reihe von Dingen, von Eltern-Kind-Zentren über den Familienzuschuss,
über die Freifahrt von jüngeren Kindern, über die Ermäßigung im
Kindertagesheimbereich, über Ferienaufenthalte, über die Allgemeine
Wohnbeihilfe, die natürlich vor allem auch Familien zugute kommt, die es
finanziell nicht so leicht haben, über die Studentenfreifahrt, wo wir unseren
Teil von Wien, obwohl wir kompetenzrechtlich nicht zuständig gewesen wären,
beitragen, über eine große Zahl von Freizeiteinrichtungen und Angeboten, die
wir über die MA 13 sehr kostengünstig oder gratis Familien und vor allem
Kindern anbieten - das Ferienspiel, Kinderkino, Kinderinfo - und vor allem
auch, und das ist ein ganz wesentlicher Bereich, die flächendeckende qualitätsvolle
Kinderbetreuung. (GR Gerhard Pfeiffer:
Das zahlen aber nicht die Sozialisten! Das zahlen nicht die Sozialisten!)
Ich glaube nur oder eigentlich bin ich nach diesen Wortmeldungen, die ich
hier von der FPÖ und von der ÖVP gehört habe, der festen Überzeugung, dass wir
unter Familie ein bissel was anderes verstehen, als hier vorgegeben wird (GR Gerhard Pfeiffer: Ja richtig!), denn
Frau Korosec hat das hier sehr klar gesagt. Sie versteht unter Familie zwei
Eltern und ein Kind. Ich hätte mir eigentlich gedacht, so eine typische Familie
sind zwei Eltern und zwei Kinder und die Eckbank und die Bausparverträge
gehören dann auch noch dazu. (Beifall bei
der SPÖ.) Ich denke, das ist schon ein Bild von Familie, das man haben
kann, das sicher auch traditionell sehr lange das vorherrschende Familienbild
war. Ich sage, ich bin froh, dass es heute nicht mehr so ist, denn dieses Familienbild
impliziert auch, dass Familie sich in Wahrheit dadurch definiert, dass sich
Frauen um Kinder, Mann und Harmonie kümmern, und das ist nicht das Leben, das
ich mir vorstelle! (Beifall bei der SPÖ.)
Aber das ist nicht nur nicht das Leben, das ich mir vorstelle und nicht nur
nicht das Leben, das sich junge Frauen heute nicht vorstellen, das ist, und da
bin ich sehr froh, auch nicht das Leben, das sich Menschen heute überhaupt
vorstellen. Vater, Mutter, Kind ist eine Variante der Familie, die es durchaus
auch geben soll, aber genauso lieb (Heiterkeit
bei der ÖVP und bei der FPÖ.), richtig und wert sind uns Familien, wo
verschiedene Menschen, die nicht gemeinsam ein Kind haben, zusammenleben, wo
auch gleichgeschlechtlich orientierte Menschen zusammenleben, wir haben da
keine Präferenz. (Aufregung bei der FPÖ.)
Uns geht es darum, in dieser Stadt jene Personen zu fördern, die es brauchen (GR Gerhard Pfeiffer: Wir auch! Wir auch!)
und wir - und das ist der große Unterschied zwischen Ihnen und der
Sozialdemokratie - anerkennen und respektieren das Recht der Menschen, die
Entscheidung über ihr Zusammenleben selbst zu treffen und nicht zu glauben,
dass wir besser wissen, was für die Menschen gut ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Eine sehr interessante Frage ist auch die, wie treffsicher eigentlich die
Maßnahmen dieser Bundesregierung bezüglich der Familien sind, und da kann ich
Ihnen sagen, sie sind sehr treffsicher! Sie treffen die Familien! Ich kann das
leider jetzt nicht lange ausführen, ich sage daher nur: Studiengebühren: Wen
trifft das? - Die Familien. Kürzungen im Bildungsbereich: Wen trifft das? - Die
Familien. Zahlreiche Gebührenerhöhungen: Wen trifft es? - Die Familien.
Streichung der Lehrlingsstiftungen: Wen trifft das? - Die Familien. Streichung
des Geldes für Kinderbetreuung: Wen trifft es? - Die Familien.
Ambulanzgebühren: Wen trifft es? - Die Familien. (GR Kurth-Bodo Blind: Sie wollen eh keine!) Der Wunsch vor allem
der ÖVP, da ist ja die FPÖ schon ein bisschen anders geworden, nach längeren
Öffnungszeiten im Handel: Wen trifft es? - Die Familien. (Beifall bei der SPÖ.)
Das Einzige, mit dem Sie hier permanent hausieren gehen, ist dieses Kinderbetreuungsgeld.
Da sage ich Ihnen jetzt einmal eines: Jene Frauen, die bisher schon berufstätig
waren und die sich Versicherungszeiten erworben haben, haben heiße 300 S
mehr davon. Ist auch schön, soll man nicht vernachlässigen. Tatsache ist, dass
die, die in den Familienlastenausgleichsfonds nicht einzahlen, jetzt Geld von
dort bekommen, und dass sie aber im Gegenzug außer in Wien, weil die Stadt Wien
sich Kinderbetreuung ganz hoch schreibt und das ein ganz wichtiges Ziel ist,
diese Wahlfreiheit nicht haben. Sagen Sie mir, wo sie außerhalb Wiens die
Wahlfreiheit zwischen zu Hause bleiben und arbeiten gehen haben? (Aufregung bei der ÖVP und bei der FPÖ.)
Außerhalb Wiens stellt sich die Wahlfreiheit nur in der Frage: Putz i z'erst
die Fenster und tua i dann Windel wechseln oder umgekehrt? Eine andere
Wahlfreiheit gibt es nicht, weil es keine Kinderbetreuungseinrichtungen im
ausreichenden Ausmaß gibt! (Beifall bei
der SPÖ. - GR Gerhard Pfeiffer: In Niederösterreich ist der Kindergarten
kostenlos!)
Ich sage Ihnen, und da brauche ich Sie eigentlich nur zitieren (GR Gerhard Pfeiffer: In Niederösterreich
ist der Kindergarten kostenlos!), dass Sie das Kinderbetreuungsgeld als
Leistung für Familien verbrämen. In Wahrheit geht es Ihnen darum, Frauen in die
Rolle zurückzudrängen, in der sie bis vor 20 Jahren auch waren und dank
des Kampfes der sozialdemokratischen Frauen heute nicht mehr sind. Ihnen geht
es darum, dass sich Frauen wieder verstärkt um ihre Kinder und aber auch um
ihre Männer - das ist auch besonders wichtig - kümmern (Aufregung bei der FPÖ.), und dass Frauen vom Arbeitsmarkt
verdrängt werden. Ihr Familienbild ist das des voll arbeitenden Mannes und der
dazu verdienenden Frau, die zu Hause
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