Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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so ein bisschen die
fröhliche Renaissance der Theaterpolitik aus dem Handtaschl ist. So, ich gebe
dir jetzt den Rabenhof. Jeder in dieser Stadt, der sich mit Kulturpolitik
auseinander setzt, weiß, dass man eine Mittelbühne - und eine solche ist der
Rabenhof - als Sprechtheater nicht mit 2 oder 3 Millionen S führen
kann. Das kostet im besten Fall 8 Millionen S, vielleicht sogar
10 Millionen S. Aber was hat man getan? - Na, vor der Wahl hat man
aus dem Bezirksbudget einmal 2 Millionen S gegeben, was in
Wirklichkeit eine Lizenz zur fahrlässigen Krida ist. Und jetzt, im letzten
Kulturausschuss, hat man mit einer Zweidrittelmehrheit weitere
2 Millionen S durchgepeitscht. Aus dem Handtaschl, das man irgendwo
hergenommen hat.
Wer wird
Intendant dieses neuen Theaters? Hat es eine Ausschreibung gegeben, wo man mit
den Bewerbern rechtzeitig gesprochen hat, mit Hirzenberger, Vitasek und vielen
anderen? - Nein! Die Politik hat das entschieden und zieht den Herrn Welunschek
aus dem Handtaschl.
Zuvor hat man
übrigens den einzigen ernsthaften Bewerber, der sich an die von Peter Marboe
gehaltenen Bedingungen, nämlich es ohne Geld zwei Jahre zu betreiben, den
Gerhard Bronner, durch persönliche Beleidigungen abgeschreckt, das zu tun.
Jetzt wissen
Sie natürlich, Herr Kollege Mailath-Pokorny oder Kollege Woller, dass ein
Notgroschen nicht ausreicht, um ein Theater ordentlich zu führen, aber dem Herrn
Welunschek sagt man, jetzt haben wir dir ein bisschen was aus dem Bezirksbudget
gegeben, jetzt geben wir 2 Millionen S - auch so genannt -
Überbrückungskredit, und wenn es dir dann wieder schlecht geht und wenn du
endgültig schwer verschuldet bist, na, dann werden wir dich schon irgendwie
entschulden aus dem Handtaschl, irgendein Geld finden wir schon und wir werden
das schon für dich machen. (Amtsf StR Mag
Dr Andreas Mailath-Pokorny schüttelt verneinend den Kopf.) Na, wenn Sie dem
2 Millionen S geben für ein Theater, das 8 Millionen S
braucht, dann kann ich Ihnen nur sagen: Diese Politik ist bekannt. Wir kennen
sie aus der Ära Pasterk. Und wir kennen auch die Folgen. Wie wir die
Theaterlandschaft in Wien verantwortlich übernommen haben, waren viele Wiener
Theaterschaffende - und das können Sie nicht abstreiten - persönlich schwer
verschuldet. Und das Erste, was wir tun mussten, war eine Entschuldung dieser
Theaterschaffenden.
Und es hat
auch keine Durchlässigkeit in der Theaterszene gegeben, sondern es war so ein
bisschen ordentliche Subvention und eine Mischung aus der Nähe zum jeweils
politischen Verantwortlichen, zu einem Koeffizienten. Man hat das dann nobel
Entschuldung genannt. Das heißt, es gab eine ordentliche Subvention, die aber
nicht ordentlich genug war, um auskommen, und dann eine jeweils zu verhandelnde
persönliche Entschuldung.
Erstens einmal
halte ich diese Abhängigkeit der Künstler, die ständig wie ein Damoklesschwert
über ihnen hängt - sie sind ja persönlich verschuldet, nicht ihre Theater, denn
die gehören ihnen in den meisten Fällen -, einfach für falsch. Ich halte es für
intransparent und ich halte es für ungerecht, denn die Budgetehrlichen, die,
die Budgets einhalten, sind die Dummen in diesem System. (Beifall bei der ÖVP.)
Und mich würde
zum Beispiel interessieren - Sie können ja dann Stellung nehmen -, woher diese
2 Millionen S Überbrückungsgeld jetzt tatsächlich kommen, denn aus
dem Theaterbudget können sie nicht kommen, das ist vergeben. Es muss aus einem
anderen Bereich - was weiß ich, vom Tanzquartier oder von wo auch immer -
herkommen. Es ist auch alles mit Ihrer persönlichen Stadtratsweisung passiert
und damit ist auch klar, wo die politische Verantwortung ist.
Das heißt: Wir
haben eine Situation übernommen, wo wir entschulden mussten. Der Peter Marboe
hat es geschafft, dass in seiner Periode in vier Jahren kein einziger
zusätzlicher Verschuldensfall im Theaterbereich aufgetreten ist. Sie haben das
keine drei Monate durchgehalten (Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny: Theater
in der Josefstadt!), denn es ist jetzt schon absehbar, dass die Situation
im Rabenhof so nicht weitergehen kann.
Und der
Kollege Woller hat, ein halbes Jahr, nachdem es einen ÖVP-Stadtrat gegeben hat,
der diese Theaterlandschaft übernommen hat, mehrmals den Antrag gestellt, einen
Theaterstrukturplan für Wien zu machen, was ich ja an und für sich für eine
gescheite Idee halte, mit Konzeption, Anforderungsprofil und so weiter. Da muss
ich schon sagen: Wenn ich seit 1945 als Partei die Macht habe, die
Theaterstruktur dieser Stadt massiv zu beeinflussen, und ein halbes Jahr,
nachdem es eine andere Partei übernommen hat, stelle ich einen derartigen
Antrag, ist das etwas verwunderlich.
Ich glaube
immer: Wenn Sie diese Politik, die Sie beim Rabenhof betreiben - und das ist
ein klarer Bruch mit dem, was vier Jahre lang vorher passiert ist -,
fortsetzen, dann werden wir keinen Theaterstrukturplan brauchen, sondern dann
werden wir wieder einen Sanierungsplan und einen Entschuldungsplan brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)
Und es gibt keinen
Grund, warum man beim Rabenhof nicht so vorgegangen ist, wie wir das zum
Beispiel beim Schauspielhaus vorexerziert haben: eine Ausschreibung und eine
Besetzung durch eine unabhängige Jury. Jeder konnte sich bewerben. Eine unabhängige
Jury hat ein Ergebnis gebracht, das übrigens, glaube ich, quer durch alle
politischen Parteien und auch in der Öffentlichkeit anerkannt wurde. Es gibt
eine Budgetsicherheit durch den Dreijahresvertrag und eben die Konsequenz, dass
wir es mit der Politik geschafft haben, dass es viereinhalb Jahre lang unter
Marboe keine weitere Verschuldung gegeben hat. StR Marboe hat nämlich gewusst,
dass eine Mittelbühne 8 bis 10 Millionen S kostet. Wenn man das
Theaterbudget der Stadt Wien kannte, konnte man es nicht
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