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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 50 von 127

 

weil jetzt etwa sogar die Wertpapierankäufe unter diesen Investitionsbegriff fallen. Sogar fiktive Ausgaben, die gar nicht geflossen sind, gelten auf Grund dieses neuen Begriffs jetzt als Investitionen. So hat es im Vorjahr - und darauf ist ja bereits hingewiesen worden - in hohem Ausmaß begünstigte Rückzahlungen bei der Wohnbauförderung gegeben. Die Stadt gewährt auf Grund der Gesetzeslage hohe Darlehensnachlässe bei diesen begünstigten Tilgungen. Es sind daher in Wahrheit nur unsere Darlehensnachlässe gestiegen, weil diese Darlehensnachlässe als fiktive Ausgaben dem Investitionsbegriff jetzt erstmals hinzugerechnet werden. Die eigentlichen baulichen Investitionen der Stadt jedoch sind weiter gesunken und natürlich sind nur diese für den Beschäftigungseffekt entscheidend, denn fiktive Ausgaben sind nicht dazu geeignet, tatsächlich unsere Wiener Wirtschaft anzukurbeln.

 

Meine Damen und Herren! Da schließt sich der Kreis bei der Schwarzweißmalerei. Insbesondere die Sozialdemokratische Fraktion hat heute geradezu ein Lehrbeispiel dieser Schwarzweißmalerei geliefert. StR Rieder hat in der Früh gleich damit begonnen: Gebührenerhöhungen in Wien sind gut, betriebswirtschaftlich kalkuliert und durchgerechnet. Gebührenerhöhungen beim Bund hingegen sind asozial, sind böse Gebührenerhöhungen.

 

Herr GR Driemer hat dann in seinem Beitrag diese Schwarzweißmalerei sehr würdig fortgesetzt. Sparmaßnahmen beim Bund heißen bei ihm "Kaputtsparen". Die Bundesregierung spart also "kaputt", sie spart böse und die Bundesregierung ist schuld an den vielen Arbeitslosen am Bau.

 

Wenn in Wien gleichzeitig die baulichen Investitionen der Stadt einen historischen Tiefstand erreichen, im Jahr 2000 weiter gekürzt werden, dann ist das nicht böse, dann sind die Kürzungen der Bauinvestitionen in Wien nicht schuld an den Arbeitslosen am Bau. Dann veranstalten wir eben eine Märchenstunde und erzählen von der Rekordinvestitionsquote. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir schon zum vierten und letzten Punkt dieser Märchenstunde, die heute auch ein bisschen von der ÖVP angereichert worden ist. So hat etwa Klubobmann Görg auch gleich ganz in der Früh gemeint, dass die langjährige Abwanderung der Industrie aus Wien so gut wie gestoppt werden konnte. Finanzstadtrat Rieder hat sogar von einer Technologieoffensive gesprochen, die seit dem Jahr 1997 stattgefunden hat. Und GR Tschirf hat sich zu der Formulierung verstiegen, dass Wien seit der Regierungsbeteiligung der ÖVP eine pulsierende Industriestadt ist.

 

Meine Damen und Herren! Wie sieht denn hier die Wahrheit aus? - In diesen letzten vier Jahren ist die Anzahl der Produktionsbetriebe in der Industrie von 1 117 auf 812 zurückgegangen - auch das sind unangreifbare Zahlen des Wirtschaftsforschungsinstituts. In der Verantwortungsperiode der letzten Regierung ist also die Anzahl dieser Industriebetriebe in Wien sogar um mehr als ein Viertel geschrumpft! Das erklärt wohl auch, warum der Handelskammerpräsident Nettig diese Zahlen des WIFO bis zuletzt immer wieder in Abrede gestellt hat. Er hat versucht, diese Daten in Zweifel zu ziehen, weil eben die ÖVP in diesen vier Jahren mitverantwortlich für die Politik in dieser Stadt war und Nettig ja offenbar sogar noch immer mitverantwortlich ist - als einziges Regierungsmitglied der Welt, das zugleich auch Mitglied der Opposition ist! (GR DDr Bernhard Görg: Das sind Frau Rothauer und Herr Marboe auch! - Heiterkeit des GR DDr Bernhard Görg sowie des StR Dr Peter Marboe.)

 

Meine Damen und Herren! Diese langjährige freiheitliche Kritik, dass Wien immer mehr zum Schlusslicht wird, ist ja jetzt auch vom Wirtschaftsforschungsinstitut in dieser Studie bestätigt worden. Darin steht eben, dass die Wiener Wirtschaft nur halb so schnell gewachsen ist wie die Wirtschaft im Bundesdurchschnitt und dass wir damit eben wortwörtlich das Schlusslicht unter allen Bundesländern sind. Nach diesen unangreifbaren Zahlen der Wissenschafter heißt es hier - ich zitiere wörtlich -: "Blieb Wien im Boom-Jahr 2000 das einzige Bundesland ohne nennenswerten Beschäftigungsaufbau."

 

Und da sind wir wieder, meine Damen und Herren, bei der Märchenstunde: bei der Märchenstunde der Sozialdemokratie von den neu geschaffenen Arbeitsplätzen, bei der Märchenstunde der "höchsten Beschäftigung in Wien" - so ein wörtliches Zitat von heute vom Kollegen Driemer.

 

Meine Damen und Herren! Was sagt diese Wifo-Studie wirklich? Was heißt denn das, dass Wien im Jahr 2000 das einzige Bundesland ohne Beschäftigungsaufbau war? - Das heißt genau das, was wir nicht müde geworden sind, von dieser Stelle aus zu kritisieren, dass nämlich in Wien als einzigem Bundesland im Vorjahr keine neuen Arbeitsplätze geschaffen worden sind, dass Wien das Schlusslicht ist. Das Wifo mahnt ja nicht zuletzt daher auch uns Politiker, dass wir uns - wortwörtlich - nicht selbst über die Tatsache hinwegtäuschen sollten, dass das größte Konjunkturhoch der letzten zehn Jahre an Wien eigentlich vorbeigegangen ist.

 

Meine Damen und Herren! Eine Märchenstunde ist das Letzte, was wir in dieser Situation brauchen. Wir brauchen eine neue, engagierte Wirtschaftspolitik, um den Anschluss an den Bundesdurchschnitt, an die anderen Bundesländer wieder zu finden.

 

Unser erster Vorschlag dazu ist ein Favoritner Technologie- und Gründerzentrum beim geplanten Hauptbahnhof. Es ist ja heute in der Generaldebatte von unserer Fraktion bereits dieses Projekt für einen neuen Südgürtel insgesamt vorgestellt worden. Wir wollen mit diesem Projekt neuer Südgürtel aber nicht nur neuen, hochwertigen Wohnraum schaffen, sondern wir wollen damit gleichzeitig auch 5 000 neue, hochwertige Arbeitsplätze und 2 000 Studienplätze an Fachhochschulen schaffen.

 

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