Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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wirklich nichts
zustande gebracht hat? (GR Dr Matthias
Tschirf: Wir haben nicht den Bundeskanzler gehabt!) - Also tun Sie bitte
nicht so, als ob da immer nur eine Fraktion dafür verantwortlich wäre. Und das
trifft für die Schulden ganz genauso zu. Man kann sich halt von seiner
Vergangenheit nicht absentieren. - Und natürlich freut es mich, jetzt
mitzubekommen, dass in der sozialdemokratischen Fraktion auch eine
Vergangenheitsbewältigung stattfindet, denn - das wissen wir alle - auch die
Kollegen aus der sozialdemokratischen Fraktion hatten braune Flecken. Glücklicherweise
gibt es die jetzt nicht mehr - so hoffe ich zumindest -, aber sie hatten sie in
Hülle und Fülle, so wie auch die Freiheitliche Partei und wie auch die ÖVP.
Da wird nun,
wie gesagt, von Restitution gesprochen, aber: Wo ist denn eigentlich - und das
wäre ein symbolischer Akt der Restitution - die Forderung der Rückgabe des
arisierten Bärentals? - Da hört es sich nämlich dann in der FPÖ sofort auf. So
weit geht es ja doch nicht! Und damit wir nur an der Oberfläche bleiben, hoffen
wir auf Bundesebene gemeinsam mit der ÖVP, dass man eben bei so einem kleinen
Beispiel, wie es die Friedhöfe sind, einsparen kann, und sparen wir uns ganz
einfach die Betreuung der Gräber von einer der, traurigerweise, für die
österreichische Geschichte ganz wichtigen Opfer des Nationalsozialismus. Denn
das waren diejenigen Menschen, die in Wien tatsächlich Widerstand geleistet
haben, auf vielfältigste Weise, Menschen von vielfältigster Herkunft. Ich hoffe
daher doch, dass genau diese Gräber schnellstmöglich wieder hergerichtet werden
und dass so rasch wie möglich entschieden wird, dass die dem Innenministerium
unterstehende Pflege doch aufrechterhalten wird.
Jetzt kommen
wir zu einem Punkt, der heute schon ganz kurz angesprochen wurde, zur
"Michael Häupl und Dr Bernhard Görg Gedächtnisstiftung" AVZ. Es ist -
und bitte vergessen Sie auch das nicht, Herr Tschirf - in trauter Eintracht von
ÖVP und SPÖ beschlossen worden, die Anteilsverwaltung Zentralsparkasse und das
Vermögen der Anteilsverwaltung Zentralsparkasse endgültig dem Zugriff der Gemeinde
Wien zu entziehen. 23 Milliarden S - wir alle wissen, dass Wien
jetzt, glaube ich, ungefähr 28 Milliarden S Schulden hat - hätten,
gut angelegt, jederzeit mehr gebracht, als die ausgeschüttete Dividende. Wäre
nach und nach das Aktienpaket verkauft worden, wären die Schulden von Wien de
facto tatsächlich null und wir hätten enormen Spielraum, um tatsächlich
Wirtschaftspolitik und innovative Projekte zu fördern.
Das Gegenteil
ist passiert - Sie wissen es, die Sozialdemokratische Fraktion weiß es - und
jetzt werden jedes Jahr an die 300 Millionen S in einen Forschungstopf
fließen, über den der Stiftungsvorstand entscheidet.
Herr Tschirf,
sind Sie als ÖVP in den letzten fünf Jahren an der Stadtregierung beteiligt
gewesen? (GR Dr Matthias Tschirf: Vorher
war es so, dass in der AVZ überhaupt nicht ... !) Das heißt sozusagen, es
war auch in Wien so wie auf Bundesebene: Sie sitzen immer in Regierungen
drinnen und bewegen nichts! Oder es war für Sie nicht interessant. (GR Dr Matthias Tschirf: ... Offensichtlich
sind Sie nicht imstande, mir zu folgen! Ich habe gemeint: Jetzt fließt Geld und
vorher ist keines geflossen!) Nun, schauen Sie: Sie haben das Geld
hergeschenkt, gemeinsam, als letzten großkoalitionären Akt. (GR Dr Matthias Tschirf: Sie verstehen es
nicht!) Glauben Sie mir: Ich verstehe es besser als Sie! (Heiterkeit des StR Dr Peter Marboe.)
Das ist ja die eigentliche Tragik und deshalb muss man sich ja gerade als ÖVP
genieren, dass man so einem Deal zustimmt. Dass man als Wirtschaftspartei
lieber darauf achtet, dass die Stiftung gut dotiert ist, als danach zu
trachten, dass man das für Wien Beste macht, das ist tatsächlich sehr bedenklich
und sehr traurig!
Ich habe
vorher versprochen, es nicht zu lange zu machen, und komme daher zu meinem
letzten Punkt. Damit ich mich nicht zu jedem Tagesordnungspunkt melde, bringe
ich bei diesem Punkt zwei Beschlussanträge ein. In beiden geht es um BezirksrätInnentätigkeit
bei vorzeitiger Alterspension. Da einer der wesentlichsten Punkte der
politischen Tätigkeit immer die Frage von Beschlussfassungen über Budgets und
Finanzen ist, habe ich mir gedacht, dass das genau hier wahrscheinlich passt.
Vielleicht
kurz zur Vorgeschichte: Mit dem Sozialrechtsänderungsgesetz 1997 wurde das
Teilpensionsgesetz geändert, und es wurde insofern beschlossen, dass es eine
Unvereinbarkeit zwischen vorzeitiger Alterspension und einem Einkommen über der
Geringfügigkeitsgrenze gibt. Dieses Gesetz wurde mit 1.1.2001 schlagend und das
hat dazu geführt, dass es BezirksrätInnen, die in vorzeitiger Alterspension
waren, jetzt nicht mehr möglich war, ein Mandat anzunehmen, ohne das Opfer zu
bringen, ihre vorzeitige Alterspension aufzugeben beziehungsweise ihre versicherungsrechtliche
Absicherung zu verlieren. Das heißt, für eine Bezirksratsentschädigung in der
Höhe von rund 5 000 S möglicherweise auf wohlerworbene Rechte und
Ansprüche in einer Größenordnung, die bei Frauen leider meistens nur sehr
gering ist - da geht es um 6 000, 7 000 S -, bei Männern aber
doch in einer Höhe von bis an die 20 000 S liegt, zu verzichten. Eine
derartige Vorgehensweise schließt somit einen breiten Teil der Bevölkerung,
nämlich all diejenigen, die in vorzeitiger Alterspension sind, von der
wertvollen Tätigkeit einer politischen Mitarbeit in Bezirksvertretungen aus.
Diesbezüglich
zwei Beschlussanträge:
Der Erste:
"Der Gemeinderat spricht sich dafür aus, im Wiener Bezügegesetz Änderungen
vorzunehmen, um auch Menschen in vorzeitiger Alterspension die Tätigkeit als
Bezirksrat/Bezirksrätin ohne einen unverhältnismäßig hohen Verzicht auf
erworbene Bezüge und versicherungsrechtliche Absicherung zu ermöglichen."
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