Gemeinderat,
3. Sitzung vom 25.6.2001, Wörtliches Protokoll
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wurde und nun vorsieht, dass militärische Organe an Gebietskörperschaften
herantreten und personenbezogene Auskünfte verlangen können und dass die Gemeinden
dazu verhalten werden, Falschurkunden herzustellen. Bislang habe ich mich immer
gefragt: Was unterscheidet eigentlich den Staat in seinem Vorgehen von
herkömmlichen Kriminellen? - Ich habe mir gedacht: Ja, der Staat muss sich
einfach legaler Mittel bedienen. Egal, komme was da wolle, der Staat darf
Gesetze nicht übertreten. Aber dass dann der Staat herkommt und sich die
Gesetze so zurecht biegt, dass das, was er macht, keine Übertretung ist, das
für jeden anderen aber strikt verboten wäre, ist für mich ein klarer Verstoß
gegen eine Auffassung, dass wir eigentlich gemeinsam in einem Staat leben
sollten, wo sich der Staat nicht an strafbaren Handlungen beteiligen sollte und
wo es ein Legalitätsprinzip gibt, welches bewusst eingehalten werden sollte.
In diesem Sinne wird mittels Beschlussantrags die Wiener Landesregierung
vom Gemeinderat ersucht, betreffend Militärbefugnisgesetz alle möglichen Schritte
zu unternehmen, um eine Aufhebung dieses Gesetzes zu erreichen. Dies betrifft
insbesondere diejenigen Paragraphen, welche Gemeinden dazu verpflichten, für
nachrichtendienstliche Ermittlungen Auskünfte zu erteilen beziehungsweise
Falschurkunden herzustellen. Der Magistrat der Stadt Wien wird angewiesen, im
Individualfall alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten zur Verweigerung der
Auskunftserteilung unter Ausstellung von Falschurkunden auszunutzen, insbesondere
ist in jedem Einzelfall umfangreich zu prüfen, ob ein Verweigerungsgrund gemäß
§ 22 Abs. 2 Militärbefugnisgesetz vorliegt.
In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige Abstimmung dieses
Antrags.
Es ist so, dass es glücklicherweise schon einige Gemeinden gibt, die hier
von diesem Verweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben, zum Beispiel Purkersdorf
mit einem Bgm Schlögl, zum Beispiel Gloggnitz und Neunkirchen, und auch die
Bundesvertretung der österreichischen Hochschülerschaft. Es bleibt zu hoffen,
dass morgen, wenn insgesamt abgestimmt wird, aus dem Wiener Gemeinderat bezüglich
Militärbefugnisgesetz ein deutliches Zeichen an die Bundesregierung kommt, dass
es nicht geht, dass man demokratische Grundrechte insgesamt gesehen mit den
Füßen tritt. - Danke. (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzende GR Mag Heidemarie Unterreiner:
Als nächster Redner ist Herr GR Dr Tschirf gemeldet. Ich erteile ihm das Wort:
GR Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Gegenstand ist der Rechnungsabschluss für das Verwaltungsjahr 2000. Es ist
ein Verwaltungsjahr, in dem doch noch einige bemerkenswerte Leistungen gesetzt
wurden. Leistungen, die uns dazu veranlassen, diesem Rechnungsabschluss
zuzustimmen. Der Schuldenstand der Stadt Wien konnte gesenkt werden. In Wien
wurden einige wirtschaftspolitische Impulse gesetzt, die aus einer doch
ziemlich verschlafenen Situation eine wieder pulsierende Industriestadt gemacht
haben. Ich sage nur als Beispiele Clusterbildung im Bereich Biotechnologie oder
im Bereich Telekommunikation. Hier ist einiges geschehen und das trägt auch die
Handschrift der Regierungsmitglieder der Österreichischen Volkspartei in dieser
letzten Regierungsperiode. Der U-Bahn-Bau wurde weiter durchgezogen. Es kam im
Bereich der Kultur zu einem offenen Dialog, der festgezurrte parteipolitische
Netzwerke ablöste. Die Kulturszene bekam mehr Geld, was in einer Zeit, in der
in ganz Europa gespart wird, nicht selbstverständlich ist.
In der Frage der Geschäftsordnung hat sich auch einiges getan. Es wurden eben
neue Instrumente für Wien geschaffen, etwa Untersuchungsausschüsse auch für
Minderheiten, etwa Rechnungshofkontrolle, Kontrollamtskontrolle, alles auch
durch Minderheiten. Es ist einiges gelungen, wenn es auch nicht möglich war,
alles durchzusetzen. So hätten wir uns mehr Wettbewerb vorgestellt. Dass
tatsächlich in der Frage der Stadtwerke, wo mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft
ein erster Schritt erfolgt ist, der zweite auch gesetzt werden hätte können,
indem durch Privatisierungen, durch Verschränkungen diese Unternehmen so fit
gemacht worden wären, dass sie tatsächlich am freien Markt bestehen können. Und
wir hätten uns auch vorstellen können, dass hier in Wien ganz andere Impulse im
Bereich der Arbeitsmarktsituation gesetzt werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten heute, jetzt, zu diesem
Zeitpunkt tatsächlich auch darüber nachdenken: Was ist jetzt geschehen und wie
wird sich das jetzt weiterentwickeln, weiter hin zum nächsten Budget, weiter in
diesen nächsten fünf Jahren? - Drei Monate, nachdem die SPÖ wieder die absolute
Mehrheit in diesem Haus errungen hat, drei Monate, nachdem am Wahlabend von
Demut die Rede war, zeigt sich etwas ganz anderes. Kritischer Geist wird
abgelöst. Der Stadtschulratspräsident Scholz, der halt einer dieser kritischen
Geister ist, musste gehen. Oder: Wie mit der Opposition umgegangen wird, haben
wir vor kurzem im Kulturausschuss erlebt, wo kurzfristig etwas auf die
Tagesordnung gesetzt wurde, was doch einer eingehenden Diskussion bedurft
hätte. Oder: Wie der Stil ist, habe ich erst heute gemerkt. Uns liegt der
Kunst- und Kulturbericht der Stadt Wien für das Jahr 2000 vor, in dem ein
Vorwort geschrieben ist. Wenn man es durchliest, erkennt man, dass es die
Sprache des Peter Marboe ist, und was geschieht am Schluss? - Am Schluss wird
einfach der Name des Stadtrats weggelöscht und es wird einfach der neue Name
hinzugeschrieben.
Das erinnert mich irgendwie daran, dass ich vor kurzem einen Bericht über
die Russische Revolution im Fernsehen gesehen habe, wo auch immer wieder ein
Bild nach dem anderen verschwunden ist. Ist das der Stil, in dem in diesem Haus
vorgegangen wird? (Beifall
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