Gemeinderat,
2. Sitzung vom 23.5.2001, Wörtliches Protokoll
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irgendwelchen nostalgischen Rückblicken erschöpfen. Es hat
tatsächlich fast 25 Jahre gedauert, bis eine Idee - 1977 ist das zum
ersten Mal geboren worden - auch zum Tragen gekommen ist. Es hat seit der
Juryentscheidung 1990 viele weitere Jahre gebraucht, um das Projekt dann
tatsächlich seiner Verwirklichung näher zu bringen, und seit der
Bescheidausstellung 1997 sind wiederum vier Jahre vergangen.
Ich glaube - auch wenn dazu bei Eröffnungen, bei
Presseaussendungen und bei Interviews noch viel Gelegenheit sein wird -, dass
es auch heute nicht unterlassen werden sollte, hier einen Dank auszusprechen,
und dass wir uns an alle die Namen, die genannten und die nicht genannten, die
mit dieser Entwicklung verbunden sind, durchaus auch hier erinnern sollten: ob
das jetzt Busek ist, Pasterk, Mayr, Zilk, Gehrer, Häupl, Swoboda, Görg, Günther
Bischof, Gerda Themel, Waldner, der, glaube ich, wirklich mit großem Einsatz
versucht, diese unglaublich schwierige Schlussphase mit großer Kompetenz zu
bewältigen, besonders natürlich Ortner & Ortner, Wehdorn, Spiegelfeld,
Moser, Loicht und viele, viele andere bis hin zu den so genannten kleinen
Bauarbeitern, denen wir dann bei Dachgleichen begegnen dürfen und es ernst
meinen, wenn wir auch ihnen ganz herzlich danken.
Jeder, der ein bisserl herumradelt oder herumgeht in
der Nähe des Museumsquartiers, muss heute schon spüren, was für eine Sogwirkung
das auf die Stadt insgesamt hat. Haben Sie die neuen Galerien in der Eschenbachgasse
gesehen? Haben Sie die lebendige Galerieszene im 7. Bezirk gesehen? - Das
hat es alles nicht gegeben. Das heißt, das Museumsquartier gibt es noch gar
nicht, aber schon gibt es rundherum Leben.
Jedem, der das nicht weiß - obwohl ich viele hier sehe,
die auch viel herumkommen -, sei gesagt: In einer Stadt wie New York ist das
ein städtebauliches Vorgangsmodell, dass man versucht, in die Bezirke, die
besonders heruntergekommen sind, die besondere Probleme haben, in denen es
einer besonderen Stadtentwicklung bedarf, einmal die Kultur als Pionier
hineinzuschicken. Wenn Sie nach Chelsea schauen, wenn Sie sich den ganzen
22nd-Street-Bezirk in New York anschauen: Es waren die Galerien, die dort in
oft ganz schwierige Räume - alte Hallen, Höfe - hineingegangen sind und in
dieser Sogwirkung der Kultur dann auch zu städtebaulichen Erneuerungen geführt
haben. Es ist unglaublich, dass das in Wien - Sie merken das, wenn Sie sich die
Gegend rund ums Museumsquartier anschauen - heute schon so geglückt ist.
Ich habe vor kurzem einen Artikel gelesen - es war in
den "Salzburger Nachrichten" -, der die Überschrift "Eine Insel
der Weltkunst" trug und bin furchtbar erschrocken. Eine Insel der
Weltkunst! Gott sei Dank habe ich dann gesehen, dass es sich nicht um Wien, sondern
um Berlin handelt, wo von der "Museumsinsel" die Rede ist - übrigens
ein Unterfangen, das ein Vielfaches vom Wiener Projekt gekostet hat.
Meine Damen und Herren! Diese Erleichterung hat auch
einen Grund: Denn was das Museumsquartier sicher nicht sein darf, ist eine
Museumsinsel, was es mit Sicherheit nicht sein darf, ist eine Kunstinsel, ist
eine Fluchtinsel, in die man sich schnell begibt, weil es draußen so
schrecklich ist, und in der man versucht, ein paar Stunden aufzutanken und dann
wieder hinauszugehen. Sondern ganz im Gegenteil! Ich sage das deshalb so
deutlich, weil ich weiß, dass es hier auch Ängste gibt - Sie haben sie auch ein
bisschen angedeutet mit der Freien Szene, mit dem Theater, mit der
Theaterarbeit -, dass es Ängste gibt, dass da Abkoppelung, eine zentralistische
Abkoppelung erfolgen könnte. Kein Inseldenken darf es geben, sondern ein
Impulsbedürfnis, ein Wissen darum, dass von diesem herrlichen neuen
Kunstzentrum Impulse in die ganze Stadt hinausgehen müssen und dass es in keiner
Weise irgendwie ein losgelöstes, ein isoliertes Kunstareal sein darf, in das
man sich nur flüchtet.
Meine Damen und Herren! Wenn das gelingt - und das
wird sicher in erster Linie die Aufgabe der nächsten Monate sein -, dann wird
Wien insgesamt bereichert sein, dann werden sich alle, auch weit über den
konkreten Distrikt hinaus, in dieses Kunsthaus eingeladen fühlen, sie werden
spüren, dass es auch für sie leichter geworden ist, dass auch sie mehr Chancen
haben in dieser Stadt. Das stimmt für die Kinderkunstszene genauso wie für das
Tanzhaus, das Architekturzentrum, die Kunsthalle, aber auch für die so
genannten kleineren Einrichtungen.
Ich hoffe, dass wir mit diesen Befürchtungen sorgsam
umgehen und auch mit den Befürchtungen anderer größerer Einrichtungen. Eines
geht mit Sicherheit nicht: dass wir vergessen, dass es Kunsteinrichtungen gibt,
denen es budgetär sehr schlecht geht, die gerade im Moment in einer irrsinnig
prekären Lage sind. Es kann nicht sein, dass etwa das Künstlerhaus seine Arbeit
nicht mehr fortsetzen kann, weil alle Gelder in ein anderes Projekt fließen.
Das wäre sehr, sehr schlechte Kulturpolitik.
Dasselbe gilt für die Sezession, meine Damen und
Herren, dasselbe gilt natürlich für die kreative Arbeit der Freien
Theatergruppen und so weiter und so weiter. Auch hier gibt es eine ziemlich
klar definierbare kulturpolitische Verantwortung der gesamten Lebendigkeit der
Kunstszene in unserer Stadt.
Und noch etwas darf das
Museumsquartier nicht sein, meine Damen und Herren - das stand in der
"Presse" vom 18. Mai zu lesen -: "Kulturdenkmal der
Zukunft". Das darf nie ein Kulturdenkmal sein - weder jetzt noch in der
Zukunft. Das wäre eine vollkommene Fehlinterpretation des Anliegens, das mit
diesem großen Kunstprojekt verbunden ist.
Und ein Drittes darf
es nicht sein, gerade jetzt nicht in dieser schwierigen Phase der Profilierung,
meine Damen und Herren. Das Museumsquartier kann kein Tummelplatz für
provinzielle Profilierungsängste oder -neurosen sein, wo jetzt jeder glaubt, er
muss sich in den Vordergrund spielen, er ist der große Star, seine Einrichtung
ist die wichtigste. Das ist doch ein
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